Internetvideo der Woche:Herr Doktor, es druckt so komisch

Der Drucker ist der erfolgreichste Arbeitsverweigerer unter allen technischen Geräten. Nicht nur Katzen verlieren da die Nerven.

Christian Kortmann

Eine der drolligsten Zukunftsutopien der jüngeren Vergangenheit ist die des "papierlosen Büros". Dank der flächendeckenden Einführung von Computern und der Kommunikation via E-Mail, so dachte man noch vor einigen Jahren, würde sich der Papierverbrauch auf ein Minimum reduzieren, weil die Dokumente und Nachrichten nur mehr elektronisch von Bildschirm zu Bildschirm hüpfen würden. Die Szene aus dem Film "Office Space", in der drei Büromitarbeiter an einem Stück entführter Infrastruktur Rache üben, zeigt zeitlose Wut sowie die Reste eines alten Traums. Wenn man alle Fax- und Kopiermaschinen, das heißt alle Papierkram und Aktenordner generierenden Werkzeuge aus dem Büro verbannen würde, so dachte man, wäre das die Befreiung vom ungeliebten Bürokratismus.

Heute würde niemand mehr einen von fremder Spezialistenhand gewarteten Drucker zerstören. Denn die in Büros wie im Zeitraffer sich abbauenden 500-Blatt-DIN-A4-Paket-Kopierpapier-Stapel belegen, dass die Realität in dieser längst erreichten Computerzukunft alles andere als papierlos ist. Klar, es gibt jede Information, all die E-Mails, PDF-Anhänge und Websites, in rein digitaler Form. Aber als könnte man diese Mengen nicht verdauen, muss man sich ab und zu Luft schaffen und Druck ablassen, indem man einen Informationsblock in die echte Welt hinein materialisiert. Dort kann man ihn mit den eigenen Händen zusammenknüllen und in eine Tonne werfen. Dann ist in Kopf und Rechner wieder Platz für neuen Input.

Das Ventil für diesen Druckausgleich ist, wie der Name schon verrät, der Drucker. Mit einem Rülpser öffnet sich das Ventil der stets heiß atmenden und klappernden Maschine und schickt das Gedruckte ans Licht. An Gemeinschaftsdruckern in Copyshops oder Büros liegen immer Dokumente, die von ihren Ausdruckern dort vergessen wurden. Sichtet man diese Stapel, erkennt man, dass es völlig egal ist, was man ausdruckt; dass das, was gedruckt wird, nicht unbedingt gelesen werden muss. Da liegen verlassene E-Mails, die an vergangene Termine erinnern, Excel-Tabellen, Bahnverbindungen, Rezepte für Ingwer-Cashew-Kekse und hoffnungsvolle Geschäftskonzepte. Auch die gutgemeinten Hinweise unter manchen Mails, die Nachricht bitte nur im Ausnahmefall auszudrucken, sind nutzlos. Die Spannung im digitalen Dampfdrucktopf ist einfach zu groß: Wenn der Deckel wackelt, muss gedruckt werden!

Private Druckerbenutzer, die ohne permanenten Wartungsservice leben müssen, haben ein zusätzliches Problem, weil das Gelingen des Vorgangs vor allem beim Drucken mit eintrocknungsfreudigen Tintenstrahlgeräten keine Selbstverständlichkeit ist. Der Drucker ist der ungeliebte Problemmitarbeiter in der Hardwarezunft. Weil er ständig Ärger macht, Widerworte gibt und quängelt, will man irgendwann nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Zu Recht wird er im Clip "Your Printer is a Brat" als derjenige unter den Büromaschinenkollegen präsentiert, der seine Arbeit hasst und im Zweifelsfall die Ausrede bemüht, gerade "keine Tinte" mehr zu haben. Am besten löst man solche Druckerprobleme wie die Katze im Clip "Pussy vs Printer".

Wegen der von seinem kapriziösen Innenleben verursachten Kollateralschäden steht der Drucker irgendwann nur noch in der Ecke, ausgestöpselt, trotzig und ein wenig traurig, dass man ihn nicht mehr benutzt. Und jedes Mal, wenn man überlegt, ihn doch wieder einzuschalten, erinnert man sich an die Historie der Toner-Disaster, die Papierstau-Katastrophen oder die vergeblichen Versuche, einen "Druckauftrag" vom Computer an den Drucker zu senden, der sich mal wieder unsichtbar macht. Dann lärmte es zwar unter seiner Abdeckung, und man saß beschwörend und voller Erwartungsfreude vor der Kiste, und es passierte doch nichts.

Auch im Clip "Printer Jam" ruckelt und heult sich der Drucker warm. Dann druckt er sich wie ein 3-D-Drucker die Dinge, die er braucht, selbst aus. All die nervenden Geräusche und das Klappern der Abdeckung werden hier zum Soundtrack eines kreativen Akts. So würden wir uns jedes Ausdrucken wünschen, als Vollendung von etwas Selbstgeschaffenem, der Text, den man herausholt wie die Tonskulptur aus dem Brennofen - ein Printermärchen.

Endlich steht der Drucker im Zentrum und nicht am Rand. Er wirft seine Kabel aus wie ein gefräßiges Monster die Tentakel und verwandelt sich in ein skorpionartiges Wesen. Wir haben es immer schon geahnt, bis auf den Strom braucht er das Drumherum nicht. Der Drucker ist glücklich, wenn er alleine vor sich hin lärmen, den Toner austrocknen und das Papier stauen kann.

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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