Internetvideo der Woche:Du hast die Haare schön

Die Fußballspielerin Elizabeth Lambert foulte ihre Gegnerinnen so hart, dass sie aus der Mannschaft flog. Die Szenen wurden zum Hit, jetzt wird diskutiert: Agierte Lambert unfair oder tough wie Zidane?

C. Kortmann

Fast alle Männer haben Erinnerungen an Frauen, die ihnen beim Sport Schmerzen zufügten. Zwar waren es überwiegend andere Männer, die beim Fußball mit gestrecktem Bein und Stollenschuh zutraten oder beim Tennis-Doppel den Überkopfball absichtlich zwischen die Beine des Gegners schmetterten, doch von ihnen hatte man ja nichts anderes erwartet. Deshalb blieben wohl die schockierenden Wölfin-im-Schafspelz-Schulsport-Erlebnisse im Gedächtnis, wenn einem beim Hallenhockey die kleine Stille mit der Eins in Physik den Schläger vors Schienbein zimmerte oder vorm Fußballtor die beiden Braven, die sonst den Fantasy-Pferdeposter-Katalog durch die Klasse kreisen ließen, einem abwechselnd wie zwei Hufschmiede ihre Pieken in die Achillessehne hackten.

Eine ähnliche Überraschung erlebt gerade der Frauenfußball in den USA: Als kürzlich das Team der University of New Mexico, das sich auch "Lobos" - die Wölfe - nennt, gegen die Brigham Young University antrat, ging eine Spielerin besonders aggressiv zur Sache. Die 20-jährige Elizabeth Lambert entlud ihre Aggressionen nicht nur im Kampf um den Ball, sondern auch im Körperkontakt mit ihren bedauernswerten Gegnerinnen. Den Grad des im Männerfußball üblichen Foulspiels überschritt sie dabei nicht wesentlich. Ihr Fehler war, dass sie alle Aktionen in ein Spiel packte und sich bei jedem Vergehen filmen ließ.

Es ist keineswegs der chauvinistische Reflex, "Guck mal, kicher, kicher, Frauen können nicht Fußball spielen, sondern sich nur an den Haaren ziehen!", der Lamberts Video über Nacht populär machte. Vielmehr beeindruckt die professionelle Art und Weise, in der sie ihre Gegenspielerinnen umlegt, so, als handelte es sich um erprobte Kampftechniken. Im 90-sekündigen Zusammenschnitt der Partie sieht es so aus, als habe sie reihenweise Frauen zu Boden gestreckt. Es erinnert an Rugby ohne Regeln. Wenn Lambert die Dunkelhaarige, die an ihrer Hose zieht, mit beherztem Griff in die Haare zu Boden streckt, als sei der Zopf ein dafür vorgesehener Aus-Schalter, wirkt sie wie eine wütende Heldin aus einem Film von Quentin Tarantino: Dirty Lizzy gereichte jeder "Kill Bill"-Fortsetzung neben den gefährlichen Figuren von Daryl Hannah und Uma Thurman zur Zierde.

In einer anderen Situation wehrt sie sich gegen einen Ellbogencheck. Nun, "wehren" ist wohl das falsche Wort, Elizabeth Lambert zahlt es den Gegnerinnen doppelt und dreifach heim. Sie lässt keine Foulvariante aus und schießt sogar einer am Boden liegenden Spielerin den Ball ins Gesicht. Erstaunlich, dass sie mit nur einer gelben Karte durchs Spiel kam. Den Schiedsrichter konnte sie täuschen, nicht aber die Kameras. Es ist ein Auftritt, auf den YouTube nur gewartet hatte, denn solche Bilder hatten wir noch nicht.

Prompt ist eine fiktive Fortsetzung des Videos erschienen, in der Lambert auf Partnersuche ist: Weil ihr Freund im Koma liege, suche sie jemanden, der einstecken könne, was sie austeilt. Der Mann hinter der Kamera hat dann das Pech, die völlig falsche Frage zu stellen.

Lamberts Fouls, die im Netz als jüngste Kuriosität gefeiert werden, sowie Szenen eines Frauenfußballspiels, das in einer Schlägerei von Spielerinnen und Fans endete, haben im US-Sport eine Debatte ausgelöst: Sind diese Ausraster ein Menetekel dafür, dass der Fairplay-Gedanke schwindet? Oder liegt das Problem vielmehr im Auge des Betrachters, der noch nicht realisiert hat, dass Frauen im Sport physisch genauso hart kämpfen wie Männer?

Es geht bei diesen Fragen auch um die Ehre von Elizabeth Lambert, einer Nachwuchssportlerin, die nun als Aggro-Freak im Internet ausgestellt wird und von ihrer Mannschaft unbefristet suspendiert worden ist, obwohl sie im Grunde nur gewinnen und sich nichts gefallen lassen wollte. Am Ende verlor ihr Team 0:1, und der verdammt schlechte Tag, den sie erwischte, droht, ihr Image zu prägen. Lambert hat sich für ihre Unbeherrschtheit umgehend entschuldigt. In den US-Medien wird vor allem auf das Versagen des Schiedsrichters verwiesen sowie auf die Mitspielerinnen und den Trainer von Lambert. Denn man hätte sie spätestens nach dem Pferdeschwanzschwinger zur Räson rufen müssen.

Fouls gegen Vorurteile

Natürlich ist Lambert nicht "böse", wie zu lesen war. Sie schießt über das Ziel hinaus, auch weil der Schiedsrichter sie nicht von Anfang an verwarnt. Doch die Aggressivität, die sie zeigt, wird männlichen Fußballspielern gemeinhin als Tugend ausgelegt. Das heißt dann "Respekt verschaffen", "physische Überlegenheit" oder "Zidanes Kopfstoß". So kommentieren vor allem Fußballexpertinnen Lamberts Aktionen differenziert. Es sei nun mal ein harter Wettbewerb, ist zu lesen, und an die Spielerin mit Zopf geht der Tipp, dass kurze Haare weniger Angriffsfläche böten.

Vielleicht dient Lamberts Fehltritt also sogar dazu, mit einem Vorurteil aufzuräumen. Dass es beim Frauenfußball "nicht richtig zur Sache" gehe, kann nun niemand mehr behaupten.

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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