Internetvideo der Woche:Der mieseste Job der Welt

Wer will schon als Schaufensterpuppe oder Elefanten-Erreger arbeiten? Doch es gibt nichts Schlimmeres, als Models zu massieren.

C. Kortmann

Wenn wir in der letzten Reihe der elften Klasse mal wieder ganz besonders schlechte Laune hatten und diese durch eine sportlich tiefergelegte Sitzhaltung oder nuschelnde Unruhe mitteilten, erzählte unser Deutschlehrer gerne die Geschichte seiner täglichen Anreise: "Als ich heute Morgen zur Schule gefahren bin, habe ich aus dem Autofenster mindestens wieder zehn Menschen gesehen, die einen schlechteren Job haben als ich. Die haben auch einen schlechteren Job als ihr. Also reißt euch bitte zusammen!"

Auch wenn wir diese Anekdote schon kannten, so wirkte sie immer noch. Nicht, weil darin eine absolute moralische Wahrheit zum Ausdruck gekommen wäre, auch nicht, weil wir so etwas wie gesellschaftliche Verantwortung verspürten. Vielmehr zeigte sie, dass - obwohl es generell unklug ist, sich mit anderen zu vergleichen - ein Nachdenken über Relationen hilfreich sein kann, die eigene Unzufriedenheit nicht zu wichtig zu nehmen und als mentale Unpässlichkeit einzuordnen.

Ich war jung und brauchte den Kopfsalat

Nach dem Schulabschluss lernt man dann Jobs kennen, die tatsächlich noch mehr nerven als eine Doppelstunde bei einem schlechten Englischlehrer am Samstagmorgen. Um so hartnäckiger hält sich das Gerücht vom sagenumwobenen Traumjob. Kürzlich konnten sich junge Menschen bei einem Castingwettbewerb um den "besten Job der Welt" bewerben. Dieser beinhaltete diverse Hausmeistertätigkeiten in einem Südsee-Urlaubsresort.

So unmittelbar man die Nachteile dieses Klischee-Traumjobs erahnt (Kakerlaken, Chlor, Sonnenbrand), so sehr ist man überrascht, womit Menschen tatsächlich glücklich werden. Durch eine Fernsehdokumentation bekannt wurde etwa der Münchner Straßenfeger-Philosoph Franky. Von außen kann niemand beurteilen, ob ein Job gut oder schlecht ist, das ist reine Kopfsache. Bei der Erwerbsarbeit kämpft jeder einen Kampf gegen sich selbst, ringt, je nach Tagesform mal siegend oder unterliegend, mit den eigenen Ansprüchen und denen der Umwelt.

Im Clip "The worst job ever" hadert ein brasilianischer Masseur mit seinem Schicksal: Von morgens bis abends muss er die Körper europäischer Models durchkneten. Doch ihn belastet die Unregelmäßigkeit seines Jobs wie die Monotonie am Arbeitsplatz: Immer nur reden die Mädchen von "Geld, Ruhm und Kopfsalat". Und ständig beschweren sich die Klientinnen, er habe sie nicht gut genug massiert. Ein einziger Albtraum. Der Masseur sehnt sich nach einem Chef, der ihm sagt, wo es langgeht. Ach, wie gerne würde er mal von früh bis spät an einem Schreibtisch sitzen, mit einem Telefon, das die ganze Zeit klingelt!

Anders als diese satirische Jobbeschreibung ist der Arbeitsplatz des Mannes, der Elefanten für die Samenspende durch rektale Prostatamassage stimulieren muss, ein realer Anwärter auf den Titel "Miesester Job der Welt". Immerhin kann er seiner Tätigkeit meist unbeobachtet nachgehen. Unter den bedauernswerten Verdienstmöglichkeiten rangieren bei YouTube solche ganz oben, die eine einfältige Tätigkeit mit öffentlicher Zurschaustellung verbinden. All jenen, die als Maskottchen verkleidet Werbeflyer verteilen oder am Straßenrand Plakate schwenken müssen, wird hier ein Denkmal gesetzt.

In den Nutzerkommentaren herrschen Respekt und Mitgefühl vor, weil jeder weiß, dass man, um Geld zu verdienen, manchmal sehr seltsame Dinge tun muss. "Wenn ich den Typen sähe, würde ich ihn umarmen!", schreibt ein User angesichts eines Mannes, der sich als Stoffmaus in einem Einkaufszentrum verdingt.

Der Mann, der im Clip "Worst job in the world" Sportswear anpreist, indem er mitten in der City in einem Terrarium zu Bontempi-Orgel-Discomusik hin- und hertänzelt, wäre auch für meinen Deutschlehrer ein gutes Beispiel gewesen - hätte es damals schon Internetvideos gegeben.

Eine ganz andere Tonlage bekommt das Thema, wenn erfolgreiche Menschen rückblickend von den schlechtesten Jobs ihrer Karriere berichten. Vor allem im Showbusiness, in dem es darum geht, "es zu schaffen", wird häufig über die Zeit vor dem künstlerischen Durchbruch gesprochen. So soll die Kluft zwischen einst und jetzt, Tellerwäschertagen und Millionärsmilieu, verdeutlicht werden.

Im Clip "A Funny Thing Happened" erinnert sich der Schauspieler und Komiker Bob Saget an einen Stand-up-Auftritt in einer Strip-Bar in Alaska. Die Stripperin, die ihn ankündigte, hatte ihre minimalistischen Tortenbecher-Dessous in Brand gesetzt. Auf der Bühne roch es nach "Schwefel, Schweiß und Katzenfutter".

Schön für Saget, dass er es jetzt besser hat. Nur scheint jede Sicherheit, die Alaska-Strip-Bar-Tage seien für immer vorbei, verfehlt. Tätigkeiten, die sich zumindest anfühlen wie Klärschlammtauchen oder Elefantenstimulation, werden womöglich auch Saget nicht erspart bleiben. Und wenn einen das Schicksal ganz hart trifft, wird man doch noch Model-Masseur.

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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