Internationales Filmfestival Karlovy Vary:"Die Jahre der Stagnation sind vorüber"

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Eva Zaoralová, Programmdirektorin des Internationalen Filmfestivals in Karlovy Vary: "Während der Zeit des Sozialismus hatte unser Festival etliche Jahre der Stagnation zu verkraften." (Foto: Paul Katzenberger)

Es liegt praktisch um die Ecke und gehört zu den wichtigsten Filmfestspielen der Welt. Dennoch ist das Filmfestival im tschechischen Karlsbad hierzulande kaum bekannt. Programm-Direktorin Eva Zaoralova wundert sich über diese Ignoranz allerdings überhaupt nicht.

Von Paul Katzenberger

Ohne sie geht beim Internationalen Filmfestival in Karlovy Vary gar nichts: Programmdirektorin Eva Zaoralová verantwortet seit 1995 die Auswahl der gezeigten Filme. Unter ihrer künstlerischen Leitung gewann das Festival deutlich an Renommee. Offensichtlich profitierte es vom guten Auge für kommende Trends, das der 69-jährigen Pragerin nachgesagt wird.

sueddeutsche.de: Das Filmfestival in Karlsbad ist, wie die größten Festivals der Welt in Cannes, Berlin oder Venedig, in der Kategorie A eingestuft. Doch der Bekanntheitsgrad Ihrer Filmschau lässt zu wünschen ubrig. Die anderen Festivals sind um einiges bekannter. Woran liegt das?

Eva Zaoralová: Karlsbad hatte nie die Absicht, die großen weltbekannten Filmfestivals mit ihrer kommerziellen Ausrichtung zu kopieren. Ich gebe zu, dass unser Festival von den deutschen Medien weniger beachtet wird als Cannes, Venedig oder Berlin. Das selbe gilt allerdings auch fur andere A-Festivals wie in Locarno, San Sebastian, Montreal, Tokio, Mar del Plata und Kairo. Während der Zeit des Sozialismus hatte unser Festival zudem etliche Jahre der Stagnation zu verkraften. So mussten sich die neuen Veranstalter einer gewaltigen Aufgabe stellen, um dem Festival eine neue Reputation und ein neues Image zu verschaffen. Wenn wir uns heute die Zahlen ansehen, wieviele Zuschauer kommen, wieviele Filmmacher, wieviele internationale Gäste und Medien, dann konnen wir schon zufrieden sein. Ich denke wir habe es in den vergangenen neun Jahren geschafft, dem Festival ein neues Gesicht zu geben.

sueddeutsche.de: In den Jahren 1995 und 1996 haben Sie die A-Kategorie sogar an das Filmfestival Prag verloren. Warum? Und wie haben Sie es geschafft, dieses Qualitätssiegel des Internationalen Filmproduzentenverbandes FIAPF 1997 wieder zurück zu erobern.

Zaoralová: Wir verloren die A-Kategorie in den zwei Jahren nicht etwa, weil wir die Kriterien nicht erfüllen konnten, sondern weil der Repräsentant der internationalen Produzentenvereinigung FIAPF zu dieser Zeit eine Vereinbarung mit dem Organisationsteam des mit uns konkurrierenden Filmfestivals Prag hatte. In den zwei Jahren ging das Filmfestival Prag allerdings pleite und die FIAPF musste anerkennen, dass Karlsbad die A-Kategorie zuruck bekommen sollte.

sueddeutsche.de: Karlsbad gilt als Festival mit einer starken Gewichtung auf Osteuropa. Allerdings hat es zuletzt manchmal geheißen, diese Gewichtung habe sich etwas verschoben. Sehen Sie das auch so?

Zaoralová: Ich weiß nicht, wer das sagt. In diesem Jahr hatten wir 20 bis 25 Filme aus den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion in unserer Reihe: East of the West. Etliche dieser Filme bewerben sich um den mit 5.000 Dollar dotieren Freedom Award der Firma Philip Morris. Viele andere Filme aus Osteuropa wurden zudem in unseren übrigen Reihen sowie in unserem Spielfilm- und Dokumentationsfilm-Wettbewerb gezeigt. In diesem Jahr waren über 30 Filme aus Russland, Polen, Ungarn, Bulgarien, Lettland, Rumanien, Moldawien und der Ukraine bei uns vertreten. Ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass diese Zahlen eine geringere Gewichtung Osteuropas belegen.

sueddeutsche.de: Mit "Die fabelhafte Welt der Amelie" hatte Ihr Filmfestival im Vorjahr von Anfang an einen klaren Favoriten, der schließlich auch mit dem ersten Preis, dem Kristallglobus, ausgezeichnet wurde. In diesem Jahr suchte man vergeblich nach einem Favoriten. Gab es keinen herausragenden Film, oder gab es vielleicht sogar zu viele?

Zaoralová: Amelie war ein besonderer Film, und zwar im Kontext des gesamten europäischen Kinos. Das wurde auch durch die Auszeichnungen der European Film Academy deutlich. Der diesjährige Wettbewerb spiegelt mehr oder weniger die derzeitige Situation der Filmwirtschaft in jenen Ländern wieder, die in den einzelnen Wettbewerben und Reihen vertreten waren.

sueddeutsche.de: In diesem Jahr ist der tschechische Musikfilm "Das Jahr des Teufels" mit dem Kristallglobus ausgezeichnet worden. Was macht denn ausgerechnet diesen Film so einzigartig?

Zaoralová: Ich denke, sie sollten diese Frage an die Jury richten, die den Film ausgezeichnet hat. Ich bin mir aber sicher, dass die Qualitat dieses Beitrags von den Filmkritikern anerkannt werden wird.

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