·:In Öko-Gewittern

Contra: Michael Crichton bekämpft die "Klimalüge" mit heißer Luft und unlauteren Mitteln.

PATRICK ILLINGER

Zu den Dingen, die nach der Lektüre des neuen Romans von Michael Crichton nicht hundertprozentig klar werden, gehört das Verhältnis des Autors zu Kaffeebohnenschnaps.

·: Klimawandel oder überdrehte Wissenschaftler? In Indien (siehe Foto)kennt man die Antwort schon.

Klimawandel oder überdrehte Wissenschaftler? In Indien (siehe Foto)kennt man die Antwort schon.

(Foto: Foto: AP)

Doch darf man über einen Autor, der den übelsten Unhold in seinem Roman Sambuca nennt, getrost spekulieren, dass ihn ein nicht gänzlich entspanntes Verhältnis mit der gleich lautenden Spirituose verbindet.

In der Showdownphase von "Welt der Angst" jedenfalls schnippelt Sambuca, ein Pidgin sprechender Dorfhäuptling von den Salomon-Inseln, einem Serienhelden aus Hollywood die Backe ab, während sich seine Dorfuntertanen über den zur Schlachtung freigegebenen Rest des Schauspielers hermachen. Was für ein Name für einen Menschenfresser.

Was nach Lektüre des Buchs "Welt in Angst" indes ganz ohne Zweifel bleibt, sind Crichtons Auffassungen über den Umweltschutz im allgemeinen und die Klimaforschung im besonderen.

Noch nie hat der erfolgsgewohnte, 60-jährige Bestsellergarant Crichton eine Romanhandlung mit derart viel Sendungsbewusstsein konstruiert, dass die Handlung zu einem Pausenfüller zwischen ebenso halbwissenschaftlichen wie rechthaberischen Dialogen verkommt.

Leben ohne falsche Sorgen

Anders als in den meisten seiner bisherigen Bücher extrapoliert Crichton diesmal nicht wissenschaftliche Fakten, um auf möglicherweise bedrohliche Entwicklungen hinzuweisen und unbekannte, überraschende Winkel der modernen Forschung auszuleuchten. In "Welt der Angst", wird der aktuelle Stand des Wissens schlicht negiert, verkehrt und zur Unkenntlichkeit verstümmelt.

Möglicherweise ließe sich auch daraus eine spannende Handlung konstruieren. Doch darum geht es Crichton diesmal offensichtlich nicht. Sein neuer Roman ist eine reine Provokation, bei der sowohl die Fakten als auch die Handlung unter der erdrückenden Sendeleistung des Autors leiden.

Zum Teil nachvollziehbar sind Crichtons grundsätzliche Intentionen, die darauf hinauslaufen, dass man nie an einmal getätigten Annahmen festhalten sollte, dass Wissenschaft und Umweltschutz unabhängig von Interessen Dritter bleiben müssen, und vor allem: dass unnötige Sorgen das Leben schwer machen. Wie viel Crichton daran liegt, seine Ansichten in die Welt zu blasen, zeigt auch ein persönliches Credo, das er am Ende des Buches anfügt.

Einige dieser Thesen hätten durchaus in ein spannendes Buch münden können. Doch Crichton hat ausgerechnet das Thema Klimawandel gewählt, um gegen die Panikmache ideologisierter Wissenschaft zu kämpfen. Dieser Griff musste daneben gehen. Trotz seiner Recherchen, die nach eigenen Angaben drei Jahre dauerten, ist Crichton einer Vielzahl von Missverständnissen und Fehlinformationen aufgesessen.

Monster und Zeitreisen

In seinen früheren Bücher gelang es Crichton stets, seine Leser auf populäre, aber nicht unintelligente Weise mit einem Thema zu alarmieren, das zuvor nicht auf dem Radarschirm der öffentlichen Erregung aufgetaucht war.

Dazu gehörten die gentechnischen Monstervisionen in "Jurassic Park", die Gefahren der modernen Luftfahrt in "Airframe" und besonders seine erstaunliche Vorausschau auf die anstehende Debatte über die Gefahren der Nanotechnik in "Beute". Crichton hat stets mit Verstand die wissenschaftlichen Fakten zugespitzt, zum Teil auch übertrieben, so etwa die Möglichkeit von Zeitreisen in dem Roman "Timeline".

"Welt in Angst" jedoch kehrt das Prinzip um: Statt die Faktenbasis zu überhöhen, konstruiert Crichton eine gewaltige Verschwörungspistole, bei der der Klimawandel zu einem psychologischen Konstrukt verkümmert, das von geldgierigen, mafiösen Umweltschutzorganisationen zum Zwecke der Selbsterhaltung ausgenutzt wird.

Überhaupt kommen Umweltschützer in diesem Roman nur in zwei Kategorien vor: zum einen als bornierte, halbinformierte Möchtegerngutmenschen, die in 1100-Quadratmeter-Villen hausieren und mit Privatjets zwischen Wohltätigkeitsveranstaltungen pendeln.

Skrupellose Öko-Terroristen

Und zum anderen als skrupellose Öko-Terroristen in spritsparenden Hybridautos, denen Menschenleben herzlich egal sind, wenn es darum geht, die Zerbrechlichkeit der Planeten zu demonstrieren. Da werden riesige Eisberge in der Antarktis mit Hightech-Bomben abgesprengt, Nationalparks mit provozierten Unwettern überschwemmt und Tsunamis mit merkwürdigen "Kavitationsmaschinen" ausgelöst.

An dieser Stelle kommen übrigens die Menschenfresser den bösen Öko-Aktivisten zu Hilfe. Die handelnden Charaktere des Buches wirken so durchschaubar, als hätten sie eine Leuchtschrift auf der Brust: George Morton, engagierter Millionenerbe und Umweltschützer, der sich jedoch bekehren lässt. Peter Evans, schlauer aber naiver Anwalt, der seine Katharsis erlebt.

John Kenner, allwissender Superheld. Nicholas Drake, besessener und skrupelloser Chef einer Umweltstiftung. Die für einen Thrillerautor prinzipiell lobenswerte Menge an faktenreichen Dialogen führt allerdings dazu, dass die Handlungsstränge Mühe haben, die langen Strecken der Besserwisserei zu überwinden. In dieser Topologie platzen die Actionszenen wie hektische Traumsequenzen dazwischen.

Gletscherspalten und künstliche Blitze - ach so

Kaum haben sich der junge Anwalt und seine Begleiterin aus einer Gletscherspalte im antarktischen Eis befreit, muss das Paar auch schon vor den künstlich erzeugten Blitzen flüchten, mit denen Öko-Aktivisten sie in einem amerikanischen Nationalpark traktieren.

Als praktisch erweist sich, dass die Guten (über die Klimalügen aufgeklärten) die Bösen (Ökoterroristen) ständig in einem Privatflugzeug quer über die Kontinente verfolgen müssen. Das schafft Raum für all die mühsame, sich wissenschaftlich gebende Aufklärung, in die Crichton Diagramme und Fachveröffentlichungen einwebt.

Doch leider wird an diesen Stellen regelmäßig die tatsächliche Faktenlage verzerrt und missachtet. So sind die Umweltaktivisten in Crichtons Buch unglücklich darüber, dass der Meeresspiegel gar nicht ansteigt. Richtig ist, dass er steigt, wenn auch im Millimeterbereich. Seit 1970 seien die Isländischen Gletscher gewachsen, wird an einer Stelle behauptet, was der globalen Erwärmung zuwiderliefe.

Der Fehler mit dem Gletscher

Richtig ist, dass die Gletscher Islands alle schrumpfen, bis auf einen. Ein Fehler, den Crichton leicht hätte vermeiden können, denn in Norwegen wachsen die Gletscher tatsächlich. Der Grund dort sind allerdings gestiegene Niederschläge, die mit der globalen Erwärmung in Einklang stehen.

Zu einem persönlichen Angriff weitet sich aus, was Crichtons Superheld Kenner, eine Mischung aus Forschergenie und Supercop, in extenso über den real existierenden Klimaforscher James Hansen doziert. Dieser habe 1988 eine Klimaerwärmung prognostiziert, die sich zehn Jahre später als um 300 Prozent zu hoch gegriffen erwies.

Tatsache ist jedoch, dass Hansen seinerzeit drei Szenarien präsentiert hatte, zwei Extremfälle und dazwischen eine moderate, realistische Extrapolation. Bis heute muss sich Hansen dagegen wehren, dass Lobbyisten nur eine der beiden Extremannahmen zitieren, um die Prognosekraft der Klimaforschung zu torpedieren. Ein Trick, den Crichton womöglich übersehen hat.

Auf bedrückende Weise spannend ist auch die Art und Weise, wie Crichton Sachverhalte uminterpretiert. So kritisiert einer der Protagonisten der Handlung das Klimagremium der Vereinten Nationen, das "Intergovernmental Panel on Climate Chance" (IPCC), als von Bürokraten und politischen Interessen beherrschtes Organ, was nicht völlig neben der Wahrheit liegt.

Merkwürdige Frontalangriffe

Das Problem des IPCC ist jedoch nicht, wie Crichton suggeriert, dass die Sorge um das Weltklima entgegen den Aussagen der Wissenschaftler überspitzt wird. Unabhängige Klimaforscher haben in Wahrheit Mühe, mit ihren Erkenntnisse ungeschönt in die Publikationen des IPCC vorzudringen.

Dass Forschung unabhängig sein kann, zieht Crichton an mehreren Stellen in Zweifel. In seinem Roman sieht es so aus, als seien Forscher grundsätzlich geneigt, mitunter unbewusst, ihren Geldgebern die gewünschten Ergebnisse zu liefern. Das ist ein merkwürdiger Frontalangriff auch gegen die öffentlich finanzierte und international anerkannte Klimaforschung in Deutschland, deren Unabhängigkeit - oft zum Leidwesen der Politik - völlig außer Zweifel steht.

Vollends abstrus wird es, wenn Crichton Publikationen der Zeitschrift Science zitiert, in denen ausdrücklich die globale Erwärmung bestätigt wird, und sich der Roman-Held bis zur Perversion verrenken muss, um die Aussagen der Forscher ins Gegenteil umzudeuten. Die dahinter steckende Philosophie ist im Anhang zu finden. Den Menschen werde es in 100 Jahren besser gehen als heute, prognostiziert Crichton. Ein Vorsorgeprinzip sei diesem Ziel eher abträglich.

Die Haltung des Autors gleicht der eines Autofahrers, der seine Bremsen nicht reparieren lässt mit dem Argument, von jetzt an gehe nur noch vorwärts. Das Grundproblem seines Romans ist, dass zum einen unter Belehrungs- und Enthüllungswut die Spannung leidet und zum anderen die Enthüllung an der Verzerrung und selektiven Verwertung von Fakten krankt.

Das Interessanteste an Crichtons neuem Roman ist weniger, was darin steht, als das, was der Autor alles weggelassen hat. MICHAEL CRICHTON: Welt in Angst. Roman. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel, Klaus Timmermann. Blessing Verlag, München 2005. 608 Seiten, 24,90 Euro.

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