In der Philharmonie:Gewaltig

Enoch zu Guttenberg dirigiert Verdis Requiem

Von Klaus Kalchschmid

Giuseppe Verdi hat aus Kritik am Klerus in seinen Opern nie einen Hehl gemacht. Vielleicht ist deshalb seine späte, ebenso grandiose wie gewaltige Messa da Requiem in vielerlei Hinsicht keine Kirchenmusik. Dafür ist sie ein ergreifend in Töne gefasstes Plädoyer für den Menschen mit seinen Zweifeln, Hoffnungen, Ängsten, aber auch seiner glaubenden Zuversicht im Gebet um Befreiung von Tod ("Libera me") und Auferstehung.

Das Kollektiv ist von essentieller Bedeutung. Neben dem exzellenten Orchester der Klangverwaltung lässt die Chor-Gemeinschaft Neubeuern unter dem ungemein packend und differenziert dirigierenden Enoch zu Guttenberg in der Philharmonie keine Wünsche offen: wunderbar die Klarheit der einzelnen Stimmgruppen in Tongebung und Artikulation, bewundernswert das Spektrum der Dynamik von erfülltem Pianissimo bis zum dreifachen Forte im mehrfach wiederkehrenden "Dies Irae"; blitzsauber gesungen war auch die seltene, aber umso anspruchsvollere Polyfonie. Doch neben dem Kollektiv steht das Individuum: Solisten in allen vier Stimmlagen, die immer wieder allein oder wechselnd gemeinsam und oft a cappella singen. Das ist für Verdi vielleicht noch wichtiger. Ohne ein homogenes Solisten-Quartett aus schönen, großen Stimmen, die Ausdrucks- und Leuchtkraft besitzen, bliebe eine Aufführung Stückwerk.

Doch Susanne Bernhard harmonierte mit ihrem klang- und gehaltvollen, exquisit timbrierten Sopran, der noch in den Spitzentönen gut focussiert war, mit der feinen Mezzosopranistin Daniela Sindram in Klangfarbe und Gestaltung wunderbar. Der russische Tenor Sergey Skorokhodov, derzeit als Mann der Katerina in "Lady Macbeth von Mzensk" am Nationaltheater zu erleben, besitzt einen Tenor voller Strahlkraft und mit Kern. Auch der elegante Bassist Andreas Bauer, Ensemblemitglied der Frankfurter Oper, wanderte geschickt auf dem schmalen Grat zwischen natürlicher Diktion und allzu pointierter Artikulation.

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