Im TV: "12 Winter" mit Jürgen Vogel:Liebe Tante

Bonnie und Clyde sind heute schwer vorstellbar, aber es gab Zeiten, als das Geld noch kein Märchen war: "12 Winter" ist ein nostalgischer Bankräuberfilm über die späte BRD.

Willi Winkler

Zumindest im Kino ist der Bankräuber ein Held. Wie ein moderner Ritter konnte Warren Beatty einst Faye Dunaway verführen, weil er sich ihr als Gesetzloser vorstellte und sie - es waren die noch längst nicht befreiten sechziger Jahre - zuletzt sogar seine Waffe streicheln ließ. Als Bonnie und Clyde rasten sie durchs Depressionsamerika der frühen Dreißiger und düpierten Bankvorsteher, Polizei und FBI. Als sie im Kugelhagel starben, konnte das nur ein bildschöner Tod sein.

Im TV: "12 Winter" mit Jürgen Vogel: Mike (Jürgen Vogel) und seine Geliebte Sabine (Doreen Jacobi) bringen viel Geld durch.

Mike (Jürgen Vogel) und seine Geliebte Sabine (Doreen Jacobi) bringen viel Geld durch.

(Foto: Foto: WDR/Tom Trambow)

Das Geld, so die märchenhafte Botschaft, liegt auf der Bank und gehört dem Wagemutigen. Das Geld selber gehört längst in den Bereich des Märchens, denn es ist in den letzten Jahren auf kaum erklärliche Weise verschwunden. Noch ehe es von den Lehman-Brüdern und deren Konsorten in Luft aufgelöst wurde, versteckte es sich in unzerstörbaren Kästen, ließ sich abwerten, umwerten, auswerten und dabei so lang vermehren, bis es allgegenwärtig, aber trotzdem nicht mehr zu sehen war.

So gut wie verheiratet

Der fast nostalgische Film "12 Winter" von Thomas Stiller rekonstruiert liebevoll die späten achtziger und die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als das Geld noch wie Geld aussah.

Wie eine liebe Tante taucht Clara Schumann wieder auf, die einst so vornehm den Hunderter zierte. Die Autos waren kastenförmiger damals und trugen die alten eckigen Nummernschilder, und auf der Bank gab es statt Derivaten, Fonds, Beteiligungen tatsächlich richtiges Geld.

Auch die beiden Berufsverbrecher Mike Roth (Jürgen Vogel) und Klaus Starck (Axel Prahl) glauben an die gute deutsche Mark und verhalten sich dabei nicht anders als die anderen Teilnehmer am Wirtschaftskreislauf.

Als einer ihrer Kumpel krankheitsbedingt aussteigt, entschließen sie sich zur lean production und modernisieren gleichzeitig ihr Konzept: Um jeden Verdacht von sich abzulenken und für jünger gehalten zu werden, trainieren sie das ganze Jahr über, damit sie in der Wintersaison fit sind. Da sie nur in der dunklen Jahreszeit zuschlagen (daher der Titel), sich auf den weniger wegsamen Bereich außerhalb der Großstädte konzentrieren und überdies keine Rücksicht auf föderale Zuständigkeiten nehmen, bleiben sie tatsächlich über Jahre unentdeckt.

Bonnie und Clyde sind sie nicht, aber, wie es an einer Stelle heißt, so gut wie verheiratet. Starck besitzt allerdings eine übermenschlich treue und anspruchslose Ehefrau, die nach einem gelungenen Überfall mit anstößt und sich ansonsten nur für den Hund interessiert. Roth ist der Gegen-Typ, er wurde, als er beim letzten Mal im Gefängnis saß, von seiner Freundin verlassen und bringt sein geraubtes Geld deshalb mit möglichst vielen Frauen durch. Wie es halt so ist, wenn eine Räuberpistole ein bisschen menschliche Kontur erhält.

Kaum gebändigter Zorn

Die brächte den Film um seinen leicht gesetzlosen Unterhaltungswert, wenn er sich nicht auf seine beiden Hauptdarsteller verlassen könnte. Jürgen Vogel strahlt wie immer seinen kaum gebändigten Zorn auf die Welt aus, der hier mit seiner tiefen Verletzung durch die Frauen begründet wird. Axel Prahl spielt mit wahrer Freude die Wonnen der Gewöhnlichkeit, in denen sein Starck untergetaucht ist. Er verkleidet sich mit Rentnerbrille und Schnurrbart und spart wie andere auch für ein ruhiges Alter im Süden, indem er sein hart erarbeitetes Geld - aber wohin denn sonst? - auf die Postbank trägt. Und wenn er mit Henkelmann und Wurstbrot zur Arbeit kommt, bietet er einen Anblick, den das oberschicht-orientierte Fernsehen sonst nicht mehr kennt.

Gegen diese beinah perfekt operierenden Verbrecher wirken die ermittelnden Polizisten unweigerlich lahm. Selbst wenn sie zuviel rauchen und noch mehr Kaffee trinken, fallen sie gegen ihre amerikanischen Vorbilder ab, die im Zweifel viel rustikaler zugreifen.

Der für den Film zuständige WDR-Redakteur hofft im gegenwärtigen kapitalismuskritischen Klima auf eine geneigte Aufnahme und zitiert im Presseheft den bekannten Satz aus der Dreigroschenoper, wonach der Banküberfall verglichen mit der Gründung einer Bank doch als das kleinere Verbrechen anzusehen sei. Das mag sogar sein, aber die eherne Moral, wonach Geld nicht glücklich mache, wird auch durch "12 Winter" bestätigt.

Der Film benutzt Motive einer wahren Geschichte. Die beiden Männer, die zwischen 1988 und 2001 bei 36 Banküberfällen immerhin sechs Millionen Euro erbeuteten, wurden schließlich doch gefangen und verbüßen ihre 15-jährige Haft ganz unglamourös in Sicherheitsverwahrung.

"12 Winter", Arte, 1. Mai, 21 Uhr. - Außerdem am 6. Mai in der ARD, 20.15 Uhr.

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