Im TV: "Haus und Kind":Stolz und Nachteil

Kann man es auf Dauer mit der etwas zu klugen Ehefrau aushalten? Die ARD zeigt mit "Haus und Kind" einen selten präzisen Film über Frauen, Männer und die freundliche Feigheit der Liebe.

Christopher Keil

Aus der Konstellation, dass eine Frau zwischen zwei Männern zu entscheiden hat, zog der deutsche Fernsehfilm eine Weile seine ganze Kraft und Bedeutung. Das ungleiche Verhältnis drückt die emotionale Stärke des Stoffes aus - so wie es seine ganze Schwäche beschreibt. Die Frau ist unschlüssig, die Männer sind Duellanten, und am Ende ist wahlweise einer der Verlierer, oder alle sind es.

Auf der Umkehrung dieser Ausgangslage basiert der Film "Haus und Kind", für den Wolfgang Kohlhaase das Drehbuch geschrieben und Andreas Kleinert Regie geführt hat. Kohlhaase lieferte auch die Vorlage für die Kinokomödie "Sommer vorm Balkon", im Wesentlichen ging es um die Freundschaft zweier Frauen, ihre Suche nach Bindung. Der Mann spielte da eine eher fabelhaft lächerliche Nebenrolle, was ihm bei "Haus und Kind" erspart bleibt. Hier kommt er ganz groß heraus.

Die Welt des noch immer jugendlichen Professors Neubauer ist für einen Moment in bester Ordnung. Es ist ein Moment, den er mit der Ewigkeit verwechselt, von dem an die kleinen Lügen immer größer werden und die Unfähigkeit, sich für eine Haltung zu entscheiden, das Leben schließlich so bestimmt, dass es ein fremdbestimmtes, ein kleines Leben im bürgerlichen Luxus wird.

Kohlhaase hat schon sehr genau hingesehen und die Verlogenheit in Beziehungen als bipolares Kräftefeld beschrieben mit dem einen, der betrügt, und der anderen, die sich betrügen lässt. Denn so einfach, dass einer die Schuld trägt, ist es ja doch fast nie.

Die Ausgangsfrage für den in Bern geborenen Schauspieler Stefan Kurt, der wunderbar biegsam zwischen den Frauen pendelt, war in seiner Rolle: Kann man es auf Dauer mit der immer etwas zu ernsten, zu verständnisvollen, zu klugen Ehefrau aushalten? Er hat es praktischerweise nie versucht, weil sie, dargestellt von Marie Bäumer, zunächst in einer anderen Stadt lebte und nun, da sie zu ihm zog, Zeitzonen errichtet werden. Sie wartet nachts auf ihn, im Bett lesend, und wenn er zu ihr steigt, dient ihre Nähe nur seinem Schlaf. Sex? Na, sagt er, beinahe fröhlich, "du bist eben Nachtmensch, ich ein Morgenmensch."

Schmutzig genug

Morgens radelt er zur Geliebten (Stephanie Schönfeld), öffnet die Wohnung mit einem eigenen Schlüssel, bereitet das Frühstück und bekommt von der drallen Blonden, was ihm zu Haus fehlt: Bewunderung und die Art Zuwendung, die ihm, dem Saubermann von der Uni, schmutzig genug ist, um zu betrügen.

So könnte es immer weitergehen. Mit Lena, seiner Frau, kann er sich über alles auseinandersetzen. Nie wird gebrüllt, nie wird gedroht. Mit ihr entdeckt er ein abgelegenes Landhaus, das von einer vereinsamten Witwe bewohnt wird. Und so wie Kleinert die freundliche Rücksichtslosigkeit der so schönen Eheleute inszeniert, verwandelt sich "Haus und Kind" in einen französischen Sommerfilm, in dem geredet und geredet wird und die großen Fragen banale oder keine Antworten bekommen.

Mit dauerhaftem Lächeln wird die Alte entmietet, fatalistisch pendelt der Mann zwischen seinen Sehnsüchten, die aber nie greifbar werden, was die Frauen auf unterschiedliche Weise erst irritiert und dann abschreckt. Als der Kinderwunsch beide befällt, hat der Mann seine Wirkung verloren. In vollem Bewusstsein seiner Situation treibt sich sein Charakter des feigen Bildungsbürgers ins Unglück, und das Unglück ist keine Trennung, keine Reinigung der Gefühle, sondern eine Implosion. Lüge und Selbstbetrug bilden die Mauern, innerhalb derer das Paar sein Leben verbringen muss.

Die Geschichte zwischen Mann und Frau ist selten so unaufgeregt präzise erzählt worden. Stefan Kurt im Zentrum drückt die Beiläufigkeit aus, die dem Film seinen besonderen Ton schenkt. Mit Tönen kennt sich der 50-jährige Schweizer, der seit zehn Jahren in Berlin residiert, gut aus. Er hat mit Klängen experimentiert, man kann sich das auf CDs anhören, und inzwischen macht er mit Fotografien, was er mit Tönen machte: Er legt sie übereinander. Ende Oktober wird er erstmals ausstellen, im Hamburger Haus für Kunst und Handwerk. Seine Bilder zeigen makroskopische pflanzliche Motive, Blumen, Wurzeln, Steine, Moose.

Warum macht einer das? "Vielleicht, weil ich ein Produkt herstellen kann. Je älter ich werde, desto mehr faszinieren mich die unterschiedlichen Formen der Natur. Es gibt Blumen, die wachsen im Dunkeln, die sind so klein und versuchen alles, um ans Licht zu kommen. Ihre ungeheuren Verrenkungen finde ich faszinierend." Verrenkungen sind allerdings genau das, worauf er beim Schauspiel verzichtet.

Haus und Kind, ARD, 20.15 Uhr.

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