Im Portrait:Martin Scorsese

Ausnahme-Regisseur mit explosivem Temperament

Tobias Kniebe

In Umfragen nach den größten Regisseuren der Kinogeschichte wird er längst unter den ersten zehn genannt, und oft ist er der einzige Kandidat in der Runde, der nicht tot oder pensioniert ist. Die Arbeit an neuen Filmen wird durch diesen legendären Ruf allerdings nicht leichter - das musste Martin Scorsese, 64, in den vergangenen Jahren immer wieder erfahren.

Im Portrait: Zwei, die irgendwie nicht miteinander können: Trotz sieben Nominierungen hat Martin Scorsese noch keinen Oscar gewonnen.

Zwei, die irgendwie nicht miteinander können: Trotz sieben Nominierungen hat Martin Scorsese noch keinen Oscar gewonnen.

(Foto: Foto: dpa)

Künstlerische Integrität gilt in Hollywood als Risikofaktor, und sein explosives Temperament hat ihn oft in erbitterte Auseinandersetzungen mit Produzenten getrieben. Insofern ist es bemerkenswert, dass sein aktueller Mafiafilm "Departed - Unter Feinden" (mit Jack Nicholson, Leonardo DiCaprio und Matt Damon) nicht nur von den Filmkritikern zu seinen besten gezählt wird.

Der Film könnte Scorsese nach fünf Regie-Nominierungen endlich den Oscar bringen, und gemessen an den Einspielergebnissen in den USA feiert er schon jetzt den bisher größten Erfolg seiner Karriere. Prompt hat das Studio Paramount einen Vertrag mit ihm abgeschlossen, der ihm für die nächsten vier Jahre fast vollständig freie Hand zusichert.

Kein noch so lukratives Angebot wird jedoch Einfluss auf Scorseses Vision als Filmemacher haben. Seit seinem internationalen Durchbruch mit "Mean Streets - Hexenkessel" im Jahr 1973 verfolgt er eine Reihe von spezifischen Themen und Obsessionen, die seinem Werk eine einzigartige Durchschlagskraft und Geschlossenheit geben.

Da geht es um die Geburt Amerikas aus dem Geist einer ethnischen Stammeskultur, speziell um die italoamerikanischen Wurzeln des Filmemachers; um sehr katholische Vorstellungen von Schuld und Erlösung; um männliche Selbstfindung zwischen Machismo und Verunsicherung - und nicht zuletzt darum, wie Eruptionen der Gewalt immer wieder unter einem dünnen Firnis gesellschaftlicher Regeln hervorbrechen.

Neuer Autorenfilm

Meisterwerke wie "Taxi Driver" (1976), "Raging Bull - Wie ein wilder Stier" (1980) und "Goodfellas" (1990) haben diese Themenmischung in höchster Konzentration verdichtet. Dass ein solches Werk nur selten die eskapistischen Bedürfnisse des Massenpublikums bedienen kann, liegt auf der Hand. Und obwohl der leidenschaftliche Sammler Scorsese die großen Pioniere Hollywoods wie kein Zweiter verehrt und analysiert, blieb für ihn selbst fast immer nur der andere Weg: Außerhalb der etablierten Strukturen, mit wenig Geld und viel Improvisationstalent zu arbeiten.

Filme waren schon für den asthmageplagten Ministranten, der 1942 in Flushing, Queens, geboren wurde, das Fenster zu einer unerreichbaren Welt. Das Kino der italienischen Neorealisten prägte sein Bild von der Herkunft seiner Familie. Später gelang es ihm, amerikanische und europäische Einflüsse zu einer neuen Form von Autorenfilm zu verbinden.

Seit den drogenreichen Zeiten des New Hollywood in den siebziger Jahren, zu dessen Protagonisten Scorsese gehört, ist eine persönliche Getriebenheit zu seinem Markenzeichen geworden. Sie zeigt sich auch in einer unverwechselbar rauen, maschinengewehrschnellen Sprechweise, die er als Stimme eines Hais in dem Animationsfilm "Große Haie, kleine Fische" vor zwei Jahren selbstironisch persiflierte.

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