Im Porträt: Thomas Quasthoff:Das Eis hat er längst gebrochen

Der Hildesheimer Bass-Bariton genießt auch in den USA einen schillernden Ruf: Zum zweiten Mal bekam er jetzt den Grammy überreicht. Als einziger Deutscher.

Reinhard Brembeck

Wenn die Rede auf den Sänger Thomas Quasthoff kommt, gilt der erste Gedanke vieler Menschen nicht der voluminösen, extrem wandlungsfähigen Stimme, die im Kern klar und hell ist, was eine frappante und heute selten gewordene Textverständlichkeit garantiert, eine Stimme, die durch ihr dunkles Timbre verführt und in einem beeindruckenden Legato in größte Tiefen abtaucht, aber auch höchste Regionen erreicht - daher Bass-Bariton.

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(Foto: Foto: dpa)

Nein, bei Quasthoff denken viele Menschen zu allererst daran, dass es sich bei dem Sänger um ein Contergan-Opfer handelt. Die Hände sind fast an den Schultern festgewachsen, die Beine recht kurz. Als Quasthoff 1988 den 1.Preis im Münchner ARD-Wettbewerb gewonnen hatte und kurz danach ein Konzert gab, hielt das Publikum anfangs merklich den Atem an, verunsichert vom Erscheinungsbild des Künstlers. Doch dann erklang diese Stimme, die von samtig weich bis metallisch drohend über jede Nuance menschlichen Ausdrucks verfügt - und das Eis war gebrochen.

Mittlerweile ist der 1959 in Hildesheim geborene Quasthoff der profilierteste und berühmteste unter den deutschen Lieder- und Oratorien-Sängern. Doch neuerdings versucht er sich auch als Opernsänger. Bei den letzten Osterfestspielen in Salzburg trat er, den einst keine deutsche Musikhochschule aufnehmen wollte, in dem von Simon Rattle dirigierten "Fidelio" als Minister auf.

Es war der größte Moment in dieser geradezu konzertanten und eher mäßigen Aufführung, als der Chor plötzlich auseinander trat und in seiner Mitte, wie vom Himmel gefallen, Quasthoff als Minister dastand und ohne alle Peinlichkeit, ohne jede Allüre, aber mit eindringlichem Schmerzenston Beethovens Idealismus übersetzte: "Nein, nicht länger knieet sklavisch nieder, Tyrannenstrenge sei mir fern." Solche grandiosen Augenblicke bleiben im Gedächtnis haften.

Auch in den USA ist Quasthoff längst einer der Großen. Das beweist nun auch der Grammy, den er gerade zum zweiten Mal verliehen bekam. Diese bedeutendste Schallplatten-Auszeichnung der Staaten wird seit 1957 jährlich verliehen, und mittlerweile wählen 18000 Mitglieder die besten Platten in 105 Kategorien. Dominierend dabei ist der Pop, während die klassische Musik strikt auf die hinteren Ränge verbannt ist, aber immerhin noch 13 Grammys beanspruchen darf. Das Wahlverfahren garantiert, dass die prämierten Platten von höchster Qualität und für den großen Musikmarkt tauglich sind.

Neben Michael Tilson Thomas, Pierre Boulez, Bernard Haitink, Paavo Järvi, Maxim Vengerov, Emanuel Ax, dem Kronos Quartet, Yo-Yo Ma, Jeff von der Schmidt und Dominick Argento wurde nun Quasthoff mit Mezzo-Kollegin Anne Sofie von Otter und Claudio Abbado für ihre gemeinsame Einspielung von Schubert-Liedern ausgezeichnet - ein Repertoire, bei dem Quasthoff so richtig zu Hause ist.

Man höre nur, wie er im "Erlkönig" den vier Rollen eine jeweils eigene Klangfarbe verleiht. Der Ruhm wurde just diesem Trio zuteil, das bereits 1999 einen ersten Grammy einheimste, damals für Gustav Mahlers "Wunderhorn"-Lieder.

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