Im Kino: "Vom Suchen und Finden der Liebe":No Biss like Showbiz

Lesezeit: 4 min

Helmut Dietl findet diesmal ganz offiziell seinen Weg in die Unterwelt: Ein wenig Schlager, ein wenig Romantik, ein wenig Schmalz - und schon steht Orpheus Kopf. Auch wenn er hier wie Moritz Bleibtreu aussieht.

SUSAN VAHABZADEH

Wenn man sich die Geschichten ansieht, die Helmut Dietl über die Jahrzehnte ersonnen hat, kann einen der Eindruck einer schleichenden Eiszeit überkommen.

(Foto: N/A)

Erst wurde München immer kälter und dann die ganze Welt. Dietl verarbeitet seine Emotionen in Filmen wie andere beim Träumen, und die Gestalten in "Kir Royal" waren schon lang nicht mehr so liebenswert und warmherzig wie der Monaco Franze und sein Spatzl, "Rossini" war ein eingeschneites Limbo-Lokal, in dem die Menschen einander lieber quälten als liebten, und in seinem neuen Film ist der Hades, gemessen an der Berliner Oberwelt, geradezu gemütlich. "Vom Suchen und Finden der Liebe" -- seine Figuren suchen immer verzweifelter danach und finden immer weniger . . .

Es ist Nacht in Berlin, und es ist kalt und nass, als Mimi Nachtigal -- Moritz Bleibtreu, sozusagen im Dietl-Gewand -- seiner Heldin begegnet, einer Gesangsstudentin, die mit großen, traurigen Augen in die Welt blickt -- Gretel, eine schlichte Naive, in die sich Mimi sofort verliebt, und aus der er, wie uns die Stimme aus dem Off erklärt, mit großer Mühe versucht, die berühmte Venus Morgenstern zu machen.

Der Einstieg ist zusammengerafft, denn die Geschichte, die Dietl erzählen will, handelt gar nicht von dieser Beziehung, sondern von dem, was danach kommt -- "Wohin geht die Liebe, wenn sie geht" heißt es in dem Schlager, der aus dem Mädel endlich eine große Nummer macht, aber Produzent Mimi und Venus entzweien sich auf offener Bühne; der Erfolg ist endlich da, aber die Liebe ist futsch.

Was dann kommt, ist rechtschaffen irre -- was beim Geschichtenerzählen ein guter Ansatz ist.

Mimi trauert seiner Liebe nach, bringt sich auf der griechischen Insel, auf der er einmal glücklich war, um und wird von einem bis über beide Ohren in ihn verknallten göttlichen Zwitterwesen -- Heino Ferch, mit beachtlichem Dekolleté -- in den Hades entführt.

Und Gretel-Venus, die Alexandra Maria Lara angemessen mit niedlicher Schäfchen-Attitüde spielt, steigt ihm nach.

"Vom Suchen und Finden der Liebe" kann man irgendwo zwischen Romanze, Komödie und griechischer Tragödie ansiedeln; auch Pygmalion lässt grüßen, streckenweise ist so eine Art Schlager- My-Fair-Lady draus geworden. Schlager haben immer schon gut gepasst zu Dietls Filmen, die etwas hemmungslos Romantisches hatten, gelegentlich absichtsvoll und vergnügt im Kitsch baden.

Vor allem aber haben Dietl und sein Co-Autor Patrick Süskind Orpheus und Eurydike auf den Kopf gestellt; was bei aller Traurigkeit auch sehr witzig und einfallsreich ist: Der singende Orpheus ist Alexandra Maria Laras Venus, die ihren Mann zurückholt -- wobei ihr Gesang Sisyphos wahrscheinlich doch nicht vom Steineschleppen abhalten würde.

Auch sie macht den Fehler, sich nach Mimi-Eurydike umzudrehen, aber nicht, um einen sehnsuchtsvollen Blick auf ihn zu werfen -- dazu ist "Vom Suchen und Finden" doch zu sehr Komödie --, sondern weil ein Streit im Gange ist über die Größe und Beschaffenheit ihres Hinterteils, der irgendwann unbedingt von Angesicht zu Angesicht ausgetragen werden muss.

Daran, unter anderem, mag es liegen, dass Mimi wesentlich schwerer zufrieden zu stellen ist als die klassische Eurydike, die ihren zweiten Tod klaglos stirbt, weil sie sich sonst ja darüber beschweren müsste, so sehr geliebt worden zu sein. So gesehen ist die Dietl-Version ein Kommentar zu den Beziehungen moderner Großstadtneurotiker, die sich in ihren Beziehungen vor allem selbst im Weg stehen.

Die Story mag manchmal etwas schwierig sein, aber man kann hier sehen, dass Dietl ein paar Dinge drauf hat, die im deutschen Kino alles andere als selbstverständlich sind. Das trifft schon auf den vielgerühmten Dialogwitz zu, der den meisten deutschen Komödien überlegen ist; ein paar Zoten sind dabei die des restlichen Films nicht so recht würdig sind, aber auch ein paar wunderbare Einzeiler -- einmal jammert beispielsweise der verlassene Mimi, Venus sei sehr intelligent, halt nur nicht im Kopf.

"Vom Suchen und Finden der Liebe" ist aber auch ein Ausstattungsspektakel: der Hades, ein riesiges finsteres Reich, bedrohlich und schön, und das kalte Berlin, und das perfekte Haus in Griechenland, dessen prachtvolle Terrasse wie eine Bühne wirkt aufs offene Meer -- die Räume scheinen zu erzählen von ihren Bewohnern, so wie München früher in Dietls Geschichten erzählt von den Menschen in der Stadt . . .

In "Vom Suchen und Finden" gibt es ein zweites Paar am Rande, Mimis engste Freunde, verkörpert von Uwe Ochsenknecht und Anke Engelke. Sie versuchen auf ihre Art, voneinander zu retten, was noch zu retten ist -- und diesen beiden hat Dietl ein paar Bilder, ein paar Augenblicke abgerungen, die kraftvoller sind als die düstere Verspieltheit in der Unterwelt, als die Posen der beruflichen Selbstdarsteller Mimi und Venus. Ein frostiges Glashaus hat er ihnen gebaut, durch dessen Scheiben man im Dunkeln die einsame Anke Engelke sieht, einen traurigen Clown, so von Selbstbeherrschung besessen und von dem Wunsch, in jeder Situation die Kontrolle zu haben, dass sie nicht mehr zugeben kann, dass sie einsam ist.

Anke Engelke spielt diese Frau aber auf jeden Fall ganz großartig, was zeigt, ohne ihr zu nahe treten zu wollen, wieviel Dietl von Schauspielführung und von Gestaltung versteht.

Und wenn man das sieht, dann muss man sich eigentlich wünschen, dass Dietl sich endlich wieder von seinem Showbiz-Universum löst, dem er sich eh immer mehr zu entfremden scheint, das er nur noch als kalte Schickimicki-Hölle zeigt -- und einfach, mit den selben Mitteln, von ganz normalen Menschen erzählt, die ihren Zwist nicht auf offener Bühne austragen. Sentimental dürfen seine Figuren ruhig sein -- das ist im Kino ein Kompliment.

VOM SUCHEN UND FINDEN DER LIEBE, D 2005 -- Regie: Helmut Dietl. Buch: H. Dietl, Patrick Süskind. Kamera: Jürgen Jürges. Mit: Alexandra Maria Lara, Moritz Bleibtreu, Uwe Ochsenknecht, Anke Engelke, Heino Ferch, Harald Schmidt. Constantin, 107 Minuten.

© SZ vom 26.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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