Im Kino: The Expendables:Sollbruchstelle

Eine Story um nicht mehr ganz taufrische Söldner, die wahlweise somalische Piraten durchlöchern oder Folter-Zwergstaaten aufräumen, regiert die US-Charts. Was hat das nun wieder zu bedeuten?

Tobias Kniebe

Eine Ahnung des Scheiterns, des letzten Aufbäumens, der vergeblichen Anstrengung liefert der Titel gleich mit. Sylvester Stallone und seine Action-Kumpane wollten damit offenbar den Zeitgeist bannen, eine mögliche Bruchlandung trotzig-ironisch vorwegnehmen. "The Expendables" also: die Entbehrlichen, die Aussortierten, zur Entsorgung Freigegebenen.

Im Kino: The Expendables: Die nun etwas faltige Haut spannt, die Körper sind aufgepumpt wie anno 1984, die Adern noch immer fingerdick - nur sind es beim 64-jährigen Sylvester Stallone inzwischen eher Krampfadern. Sein Action-Film hat trotzdem Erfolg.

Die nun etwas faltige Haut spannt, die Körper sind aufgepumpt wie anno 1984, die Adern noch immer fingerdick - nur sind es beim 64-jährigen Sylvester Stallone inzwischen eher Krampfadern. Sein Action-Film hat trotzdem Erfolg.

(Foto: AP)

Nun ist dieser Haufen nicht mehr ganz so toller Hunde in Amerikas Kinos angekommen. Mit einem kruden, sparsam budgetierten Prügel- und Ballerfest für abgehalfterte Muskelstars, bei dem sogar das Label "Old School" noch zu viel Coolness suggerieren würde. Dazu gab es jede Menge Stallone-Interviews mit ein paar martialischen, nicht ganz ernst gemeinten Macho-Sprüchen, und siehe da - der vorauseilende Defätismus erweist sich als ziemlich unbegründet.

Publikumsandrang und Kasseneinnahmen - 35 Millionen Dollar am ersten Wochenende - übertrafen die kühnsten Erwartungen, ließen den letzten Tom- Cruise-Thriller reichlich blass aussehen und verwiesen die frauenbewegt weltreisende Julia Roberts mit "Eat Pray Love" auf den zweiten Platz. Für die Buchhalter des Massengeschmacks in den großen Studios sind diese Entbehrlichen (ab nächster Woche auch bei uns im Kino) damit, nun ja, wieder ganz unentbehrlich.

Zugleich geht die Frage an die Soziologie der popkulturellen Wunscherfüllung, was das nun wieder zu bedeuten hat. Denn diese Story um eine nicht mehr ganz taufrische Söldnertruppe mit Lowtech-Ausrüstung, die wahlweise somalische Piraten durchlöchert oder in lateinamerikanischen Folter-Zwergstaaten aufräumt - sie steht irgendwie quer zu allen Entwicklungen und Diskursen, die man sonst gerade beobachten kann.

Da ist schon das physische Erscheinungsbild dieser Kerle: Die nun doch etwas faltige Haut spannt, die Körper sind aufgepumpt wie anno 1984, die Adern noch immer fingerdick - nur sind es, wie man besonders beim 64-jährigen Stallone feststellen muss, jetzt eher Krampfadern. Ähnlich sieht es bei Dolph Lundgren aus, dem schwedischen Quadratkinn, und bei Mickey Rourke, dem tätowierten Narbengesicht.

Dazu kommen Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger, die ironische Kurzauftritte haben, in weiser Zurückhaltung aber das Sakko nicht ablegen. Jet Li (47) vertritt das asiatische Kampfsportkino, das ebenfalls gerade nach Orientierung sucht, die Ex-Wrestler Randy Couture und Steve Austin zelebrieren ihr Frührentnerdasein. Der einzige Mitspieler, der seine beste Zeit noch nicht hinter sich hat, ist der Brite Jason Statham. Er ist 37, er kann seine Fangemeinde gut noch allein unterhalten - und seine Teilnahme ist eher als Hommage an ein aussterbendes Actionkino zu verstehen, in dessen Tradition er sich selber sieht.

Eine ganz eigene Körperpolitik

Klar ist jedenfalls, dass die "Expendables" nicht nur schwere Waffen mit sich führen, sondern auch ihre ganz eigene Körperpolitik. "Ich trainiere dreimal die Woche und esse alles, was ein Gesicht hat", sagt Stallone, zugleich wirbt er für die Einnahme künstlicher Kraftpräparate. "Je älter man wird, desto wichtiger wird Testosteron für das tägliche Wohlbefinden."

Fleischabscheu in allen Schichten

Aber Moment mal, war da nicht was? Hat nicht eine angeblich neue, umweltschonende Fleischabscheu gerade breiteste Schichten ergriffen, angeführt von Jonathan Safran Foer und seinem Bestseller "Tiere essen"? Braucht die Welt zu ihrer Rettung nicht eher schmalbrüstige, pflanzenfressende Checker? Und kann es sein, dass zur Zeit einfach beide Phänome gleichzeitig Erfolg haben?

Es kann - aber es gibt doch eine klare demographische Trennlinie. Diesseits von Jason Statham fällt einem kein aktueller Filmstar mehr ein, der überhaupt noch den Versuch macht, einen Bodybuilder-Körper mit einem Machismo-Image alter Schule zu verknüpfen. Zwar gibt es Nachwuchsmuskelprotze wie Taylor Lautner, der den Werwolf Jacob in der "Twilight"-Serie spielt - aber der ist so tief in Mädchenphantasien und in ein weiblich geprägtes Erzähluniversum eingebunden, dass er für klassische Testosteronrollen ausfällt. Selbst wenn Autor und Regisseur Stallone also versucht hätte, eine Truppe von jungen Kraftlackln mit Starpotential um sich zu scharen - er hätte wohl keine mehr gefunden.

So zeigt sich nun auch im Action-Kino erstmals eine demographische Sollbruchstelle, die man in der Popmusik schon lange beobachten kann. Wer heute auf ein Stones-Konzert geht, will die alte Schule feiern, echte verschwitzte Bühnenarbeiter sehen, das "Ehrliche" und "Handgemachte" hochhalten. Zugleich versichert er sich damit seiner eigenen Biographie, die mutmaßlich große, erinnerungsschwere Momente mit Stones-Soundtrack enthält. Oft geht damit die Meinung einher, dass die aktuelle Musik - das, was die Jungen so treiben - ohnehin nichts mehr taugt.

Genau diese Klientel bedient nun auch Stallone, wenn er in jedem Interview von seiner Ermüdung angesichts moderner Computereffekte spricht, von den realen Schädelbrüchen und Schulterverrenkungen berichtet, die seine handgemachten Stunts am Set erforderten, sich als ehrliche, leicht schrumpelige Haut präsentiert. Und ja, es gibt genügend Biographien, die auch große Stallone-Momente enthalten, mit "Rocky"-Soundtrack, mit dem "Rambo"-Schauer des heimlichen bis unheimlichen Macho-Glücks.

In einem Punkt aber hat Sylvester Stallone sogar besser verstanden, was er da macht, als Mick Jagger und seine Bande. Was das angestrebte Stones-Gefühl ja immer stört, ist der absurde Perfektionismus ihrer Auftritte, die ganze Firmenimperiums-Kälte, die sie heute umgibt. Die "Expendables" dagegen sind, ob absichtlich oder nicht, geradezu programmatisch unperfekt. Sie planen irgendeine Gruppenaktion, so ungefähr im Stil der "Ocean's Eleven"-Filme, aber dann sind alle zu undiszipliniert, zu dumm oder einfach zu unfähig, irgendetwas geht sofort schief, und nur schwerste Rundumballereien können die Situation überhaupt noch retten. Oder Stallone startet den knochenzermalmenden Endkampf mit dem Oberkiller, aber mittendrin geht ihm (oder dem Film) die Puste oder das Geld aus - jedenfalls das nächste Mal, wenn man ihn sieht, verkündet er nur noch lapidar: "I got beaten up."

So was wäre undenkbar in den hochkomplexen Effektplots des aktuellen Cool Hollywood, die maschinengleich von Anfang bis Ende durchschnurren müssen. Vielleicht genießen die Zuschauer, die derzeit mit einem Grinsen aus den Vorführungen der US-Kinos kommen, auch diese naiven, womöglich gar nicht beabsichtigten Brüche. "Die Leute nennen es eine ironische Hommage an alte Zeiten", sagt Stallone, "aber ich weiß es einfach nicht besser."

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