Im Kino: "Swimming Pool":Und es hat Platsch gemacht

François Ozon hat mit seinem Film "Swimming Pool" ein Thrillerding vorgelegt, das einem den Atem verschlägt. Und das liegt nicht nur am Bikini von Ludivine Sagnier.

SUSAN VAHABZADEH

Das Kino kann einem einen gehörigen Schrecken einjagen. Merkwürdigerweise sind die Bilder, die man nicht sieht, schrecklicher als jede überdeutliche Brutalität - was unsere Phantasie produziert, wenn man ihr freien Lauf lässt, würde die Filmbewertungsstelle keinem Regisseur durchgehen lassen. Der Franzose François Ozon ist im vergangenen Jahr mit seinen "8 Frauen" so richtig bekannt geworden. Aber er hat vorher schon einige sehr bemerkenswerte Filme gemacht, unter anderem "Unter dem Sand" mit Charlotte Rampling, ein Krimi, der erst dann so richtig fies wird, wenn die harmlosen Bilder im Hirn weiterarbeiten. Sein neuer Film "Swimming Pool", im Wettbewerb in Cannes uraufgeführt, ist von ähnlichem Kaliber - ein verstörendes Ding, an dessen Ende man seinen eigenen Augen nicht mehr traut.

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(Foto: SZ v. 13.08.2003)

Ozon hat erstmals in Englisch gedreht, weil der Ursprung seiner Idee ein Klischee war, zu dem das britische Flair einfach gehört - seine Heldin ist eine Kriminalschriftstellerin, Sarah Morton. Er lässt genau genommen zwei Klischees aufeinanderprallen: Die unsinnliche Krimi-Autorin trifft auf ein loses Mädel aus Frankreich. Beide Rollen hat er aus seinem üblichen Ensemble besetzt und beide dabei ein wenig gegen den Strich gebürstet: Charlotte Rampling, inzwischen 58 und sonst immer noch sehr sexy, gibt eine sehr spröde Sarah. Und Ludivine Sagnier, die für Ozon in "Tropfen auf heiße Steine" und "8 Frauen" eher unspektakuläre junge Mädchen gespielt hat, erkundet ihr Potenzial als Sex-Symbol.

Sarah hat eine Schreibblockade - sie hat als Krimiautorin alles erreicht. Ihrem Verleger John (Charles Dance) wäre es am liebsten, wenn sie sich nicht weiterentwickelt. Aber das Schreiben hat den Reiz für sie verloren, irgendwas muss anders werden. Als John ihr sein Haus in Südfrankreich anbietet, fährt sie also los, in der Hoffnung, dass die neue Umgebung sie anstachelt zum Erfinden neuer Geschichten - was auch funktioniert, aber sehr bedrückend und einsam wirkt, denn Sarah bleibt für sich, ist mit sich selbst allein im Haus und im Dorf. Der Frieden hält nicht lang, denn nach ein paar Tagen liegt Sarah nachts im Bett, und die Kamera fährt durch das geöffnete Fenster auf das schwarze Nichts zu, und dahinter entsteht eine neue Welt: Ein Wagen fährt vor, Johns lärmende französische Tochter Julie taucht auf.

Die beiden Frauen passen nicht zusammen, und die Gegensätze baut Ozon schon mit ein paar Szenen übers Essen auf: Sarah bereitet sich in ihren sackartigen Klamotten ein Mahl aus Hüttenkäse und Gemüse, und Julie stopft den Kühlschrank erstmal voll mit Käse und Wein und Gänseleberpastete. Wer so isst, das ist französische Logik, der hat auch Sex, also schleppt Julie jeden Abend einen anderen Kerl an. Und dann taut Sarah langsam auf, sie will die Gänseleberpastete, und sie will einen von diesen Männern, einen Kellner aus dem Ort, bei dem sie schon mal zu Mittag gegessen hat, Franck. Sie entdeckt sozusagen nach und nach die Julie in sich selbst. Die Frauen kommen sich immer näher, Julie wird die Heldin von Sarahs Roman, dann verschwindet Franck. Und dann wird die Sache immer dubioser. Immer wieder spukt der Pool im Garten von Johns Villa durch diesen Film, mal unter einer Schicht von Blättern, mal unter einer Abdeckung, dann türkisfarben klar - aber Wasser, Ozon dreht sehr gern am Wasser, bleibt auch unergründlich, wenn man den Eindruck hat, man könne bis auf den Grund sehen.

Das Undurchschaubare fasziniert Ozon, daher die Liebe zum Wasser, und genauso geht er auch an sein Thema Nummer zwo heran - Frauen. Die sind bei Ozon so vertrauenserweckend wie Moorseen, was aber nicht bedeutet, dass er seine Charaktere nicht mag. Ganz im Gegenteil: Je mehr Abgründe Sarah Morton/Charlotte Rampling zu bieten hat, desto sexier und attraktiver wird sie - bis sie fast so sinnlich wirkt, wie man es von Charlotte Rampling gewohnt ist. Ozon ist ein richtiger Frauenregisseur, der aus seinen Darstellerinnen das Beste herauslockt, die irren Nummern beispielsweise, die er den großen französischen Diven in "8 Frauen" abgerungen hat: die kühle Deneuve als Schlägerin und Isabelle Huppert als bekloppter Gouvernanten-Typ. In "Swimming Pool" besteht ein Teil der Faszination darin, zwei Schauspielerinnen zuzusehen, wie sie ihren Körper neu entdecken. Ludivine Sagnier, die sich auf ihre Bikini-Auftritte mit hartem Training vorbereitet hat, spielt mit großer Lust das Mädchen, das die Wirkung ihrer Bewegungen austestet, Rampling entwickelt die erblühende Sarah mit sparsamen Gesten.

Eine Geschichte über die Entstehung der Fiktion wollte Ozon drehen, und zwar im Rahmen eines Thrillers; beides ist ihm gelungen. "Swimming Pool" ist eine schöne Schauergeschichte, die einen verunsichert zurücklässt, so wie Chabrols "Untreue Frau", wenn am Ende der verhaftete Michel Bouquet sich umdreht zu Stephane Audran, und in der Entfernung ein ganz merkwürdiger Effekt entsteht - man weiß nicht mehr, wo das Gebüsch anfängt und Stephane Audran aufhört: Traue nichts und niemandem, auch nicht deinen Augen. In diesem Geist hat Ozon "Unter dem Sand" und "Swimming Pool" gedreht: Er begibt sich hinab zum Ursprung des Thrillers, zum erschütterten Vertrauen in die eigene Wahrnehmung. Der Suspense entsteht nicht aus dem Kriminalfall, sondern aus den Spielchen, die Ozon mit unserem Glauben an die Existenz einer Wirklichkeit treibt. Am Ende steht der Kontrollverlust: Er hat uns genüsslich an der Nase herumgeführt. Aber wie? Oder hat er es gar nicht getan? Die fiesesten Thriller sind die, die einen mit einem Geheimnis zurücklassen und der Furcht einflößenden Sucht, die Lücken mit Phantastereien zu füllen. Man schaut sie sich immer wieder an, aber man kommt nicht dahinter.

SWIMMING POOL, F/GB 2003 - Regie: François Ozon. Buch: François Ozon, Emmanuèle Bernheim. Kamera: Yorick Le Saux. Schnitt: Monica Coleman. Mit: Charlotte Rampling, Ludivine Sagnier, Charles Dance, Jean-Marie Lamour. Constantin, 102 Minuten.

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