Im Kino: "Ruby & Quentin":Klappe jetzt!

Gérard Depardieu und Jean Reno verirren sich in eine aberwitzige Filmkomödie, die französische Charaktere mit amerikanischem Timing präsentiert und insgesamt breiter ist als hoch.

FRITZ GÖTTLER

Ein Rorschachtest, das ist weitgehend bekannt, gehört zu den riskantesten Sachen, denen man sich aussetzen kann in der modernen Zivilisation - diese undurchsichtige Geschichte mit den wirren schwarzen Klecksen, in denen man möglichst sinnvolle Dinge oder Personen erkennen sollte, um nicht in einer gepolsterten Zelle zu landen ... Noch gefährlicher aber, das lehrt uns nun dieser Film, kann ein Rorschachtest sein für den Fragesteller, den Psychiater in seinem strahlend weißen Kittel und mit einer Tasse tiefschwarzen Kaffee vor sich.

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Der Emmerdeur ist zurück in diesem Film, die Nervensäge, die Penetranz in Person: jener Mitmensch, dessen einzige Funktion darin zu bestehen scheint, anderen auf die Nerven zu gehen und sie daran zu hindern, das zu tun, was sie sich vorgenommen haben. "L'emmerdeur" war der Film, mit dem Francis Veber - er hatte das Drehbuch geschrieben - bekannt wurde, "Die Filzlaus", mit Jacques Brel, der als larmoyanter Selbstmordkandidat den Profikiller Lino Ventura in Ausübung seines ehrenwerten Handwerks störte. Es gab ein amerikanisches Remake des Films von Billy Wilder, "Buddy, Buddy", mit Lemmon & Matthau in den Hauptrollen.

In den letzten zehn Jahren hat Francis Veber die Emmerdeur-Konstellation immer wieder durchgespielt in seinen Drehbüchern und Filmen, er ist darüber zum Buddy-Spezialisten des französischen Kinos geworden, und er hat die homosexuellen Aspekte des Themas stark und unverkrampft anklingen lassen. "Ruby & Quentin" - "Tais-toi", Halt die Klappe, heißt der Film im Original - erzählt von einer Liebe zwischen Gérard Depardieu und Jean Reno, die ziemlich lang braucht, um sich herauszukristallisieren, aber schließlich von großer Unerschütterlichkeit ist: "Du hast richtige Pferdeaugen ... Da fühle ich mich gleich wie in einem Stall."

Reno ist Ruby, ein Gangster, der den Verlust der Geliebten abarbeiten muss, sie war die Frau seines Bosses, der hat sie aus Rache und verletztem Stolz ins Grab gebracht. Wenn Francis Veber zu erzählen anfängt, kommt er schnell zu den elementaren Gefühlen, seine Filme sind profund in jeder Hinsicht. Depardieu ist der emmerdeur in diesem Film, ein tumber Klotz mit hochgebürstetem Kasperlkopf, der sich als Quentin von Montargis vorstellt und dann, in veritabler Jerry-Lewis-Manier, losplappert, bis der andere die Nerven verliert oder bis die Polizei kommt und ihn mal wieder einbuchtet. Reno übt sich indessen in Stoizismus, gibt den grimmigen Schweiger.

Das Ganze ist eine aberwitzige Komödie, die französische Charaktere mit amerikanischem Timing präsentiert und sich dabei Sachen erlauben kann, die sonst niemand mehr riskieren mag - zwei maskuline Stars in Drag-Aufmachung auf den Straßen von Paris! Und es gibt Momente, da zieht eine große Kälte in diesen Film, da werden die Menschen ganz still und eine Einsamkeit ist zu spüren, die einem ganz existenziell vorkommt. De profundis clamavi ... Es sind diese Momente, auf die die besten Komödien hinsteuern - um sie dann mit einer neuen komischen Szene wegzuscheuchen. Und manchmal wird dabei die Vergangenheit wieder zum leben erweckt. In Montargis will Quentin ein Café mit seinem Freund eröffnen - vielleicht wird der Name Montargis demnächst in unserer Erinnerung klingen wie ein zweites Shangri-la: das ferne Land der Hoffnung, ein neuer lost horizon.

TAIS-TOI, F/I 2003 - Regie, Buch: Francis Veber. Kamera: Luciano Tovoli. Mit: Gérard Depardieu, Jean Reno, André Dussollier. Splendid, 87 Min.

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