Im Kino: "Robert Zimmermann...":Reif für die Prüfung

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So wie einst Dustin Hoffman: In Leander Haußmanns Film "Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe" himmelt Tom Schilling die ältere Maruschka Detmers an.

Fritz Göttler

Wie ein Wachsfigurenkabinett wirkt dieser Film, seltsame Figuren tauchen in ihm auf, Adenauer und Ludwig Erhard, der junge James Garfunkel - Arts Sohn - und Vladimir Vissotzki, den man gern den russischen Dylan nennt, Jennifer Juniper und natürlich, ganz prominent, Bob Dylan selbst und Dustin Hoffman, der ganz junge, in der "Reifeprüfung".

Der Trost der Tenöre: Tom Schilling wundert sich als Robert Zimmermann über die Liebe. (Foto: Screenshot: www.filmstarts.de)

Von der Liebe eines Egoshooters erzählt Leander Haußmann in seinem neuen, charmant verspielten Kinostück, des genialen jungen Computerspiel-Designers Robert Zimmermann, der seinen Namen der Begeisterung der Eltern für Bob Dylan verdankt (der in Wirklichkeit Zimmerman heißt).

Woher er seine spielerische Souveränität hat, bleibt rätselhaft, wenn man mal einen der Familiensonntage miterlebt hat, die er brav besucht, und das bornierte Chaos dort, diese ewiggestrige Anarchie - die mal entzücken kann und meistens enerviert.

Vater und Mutter trennen sich verachtungsvoll, irgendwie spielt heimlich genaschtes Apfelmus dabei eine Rolle, sie schleppen flugs neue Partner heran und blamieren sich gehörig mit ihnen, auch Roberts Schwester Pia schafft es nicht, mit ihrer wuchtigen Freundin klarzukommen und verspürt plötzlich den Wunsch, ein Kind zu bekommen. Parallel zu den Differenzen am Familientisch wird das Geschick der Nation nachgestellt - der Vater hat das Haus dem großen TV-Historienregisseur Fritteur zur Verfügung gestellt, für ein Projekt zur deutschen Aufbauzeit.

Die Liebe taucht in dieser Umgebung als Botschaft auf - der Dalai-Lama-Stil - oder als Travestie, als Puppenspiel. "Ohne dich will ich nicht, mit dir kann ich nicht sein", singen (Text von Sven Regener) Element of Crime, die ein wenig wie Haußmanns Hausband wirkt. Zitiert wird auch das innig-volkstümliche "Dat du mien Leewsten büst, dat du wol weeßt! Kumm bi de Nacht, kumm bi de Nacht, segg, wo du heeßt . . ." Und aus dem Fritteur-Umkreis gibt es ein resolutes "Die Fähigkeit zu lieben, das ist es doch, was uns von den Bolschewisten unterscheidet."

Dustin Hoffmann wählte die falsche Frau

Der junge Robert Zimmermann verguckt sich, dreist und ungestraft, in eine reife Frau, Monika aus der kleinen Reinigung an der Ecke, die ihm schnellstmöglich sein ketchupdurchtränktes Jackett reinigen soll. Sofort beginnt er um sie zu werben, ordentlich, mit Orchidee, und es ist ihm völlig egal, wie lächerlich er sich dabei womöglich macht. Das Egoshooter-, das Stehaufmännchen-Prinzip.

Tom Schilling gibt Robert mit klassischem Buster-Keaton-Stoizismus, sein Begehren zeigt sich in wunderlichen Kostümen, in denen er einem traumverlorenen Harlekin gleicht, karierte graue Hosen und weiße Trainingsanzüge. Er findet im Grund, dass am Schluss der "Reifeprüfung" Dustin Hoffman die falsche Frau gewählt hatte.

Maruschka Detmers liefert mit diesem Sommer mit Monika ein großartiges Comeback, sie wurde Mitte der Achtziger von Godard entdeckt und dann weltweit bekannt durch die Fellatio in "Teufel im Leib", nach Radiguet. In "Prénom Carmen" war sie die Nichte von Onkel Jean-Luc, sie besucht ihn im Hospital, wo er seine Depression pflegt, und zieht mit Freunden einen wilden Banküberfall durch. Mit einem der Polizisten flieht sie, Hand an Hand gefesselt, und als sie in einer Raststätte Pipi machen muss, schleift er sie ins Männerklo, wo sie sich das Höschen runterzieht und auf ein Urinal hockt und er sich neben sie hinkniet, als wär er in der Kirche. Als Dritter guckt Jacques Villeret zu, der einen Joghurt gemopst hat und ihn nun erregt im Klo schlabbert.

Amour Fou im Paillettenkleid

Aus der wilden Carmen bei Godard, einem prachtvollen Renaissance-Girl, ist nun eine eher spillerige Mutter geworden, Mitte vierzig, die erst mal mit Zögerlichkeit reagiert - aber ohne die geringste Spur von Koketterie. Am Ende zeigt sie ihre Liebe dann in einer irren blauen Paillettenrobe, einem Traumkleid, das sie sich für Roberts Game-Gala "geborgt" hat. Pailletten lösen die festen Formen auf, sie verwandeln Körper in schillernde Gebilde, aber ihre diffuse, allesversprechende Pracht kann leicht zerstieben.

So wie der dazugehörige Traum vom Amour fou, von der Liebe, die alle Konventionen und Regeln missachtet. Leander Haußmann träumt weiter vom ganz großen Kino hierzulande, und der Wechsel vom egozentrischen Berlin nach Hamburg war vielleicht ein guter Schritt. Im Planten-un-Blomen-Garten hier kann die Liebe zwischen Robert und Monika jedenfalls in einer Musical-Fontäne explodieren. Die so überwältigend ist und so vergänglich wie ein Paillettenkleid.

ROBERT ZIMMERMANN WUNDERT SICH ÜBER DIE LIEBE, D 2008 - Regie: Leander Haußmann. Buch: Gernot Griksch, nach seinem Roman. Kamera: Jana Marsik. Schnitt: Mona Bräuer. Musik: Element of Crime. Mit: Tom Schilling, Maruschka Detmers, Christian Sengewald, Adam Oest, Marlen Diekhoff, Annika Kuhl, Bettina Stucky, Steffi Kühnert, Sammy Steward. Delphi, 102 Min.

© SZ vom 28.8.2008/sst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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