Im Kino: "Religulous":Religioten unter sich

Im Holy-Land-Vergnügungspark: Der Komiker Bill Maher verspottet in "Religulous" die Religion und lässt religiöse Fanatiker sich selbst entblößen.

Martina Knoben

Ein klarer Fall von Gotteslästerung ist dieser Film, der den Machern ein paar Jahrhunderte Fegefeuer garantieren sollte. Mindestens! Und wenn die göttliche Strafe solcherart noch vergleichsweise milde ausfiele, dann läge das nur daran, dass die Anstiftung zum Glaubensabfall, die der amerikanische Fernsehkomiker und Late-Night-Talker Bill Maher und der Borat-Regisseur und Seinfeld-Autor Larry Charles hier inszeniert haben, auf einem argumentativ bemerkenswert niedrigem Niveau stattfindet.

Im Kino: "Religulous": Rabbi Yisroel Dovid Weiss wird von Bill Maher interviewt.

Rabbi Yisroel Dovid Weiss wird von Bill Maher interviewt.

(Foto: Foto: dpa)

"Religulous" - der Titel ist eine Wortschöpfung aus dem englischen "religious" (religiös) und "ridiculous" (lächerlich) - ist dennoch ein sehr lustiger und sehenswerter Dokumentarfilm geworden, weil Maher ein wortgewandter Mann ist, der seinen Kreuzzug gegen den religiösen Wahn mit den Waffen eines Entertainers und der Eleganz eines Tänzers führt. Er nutzt die Sprache als ein flink und skrupellos geführtes Florett, mit dem er gegen das Flammenschwert der Glaubenslehrer antritt. Maher reist durch Amerika, nach Mitteleuropa und Israel und trifft dort christliche Fernsehprediger und Devotionalienhändler, Rabbiner, Imame, einen Jesusdarsteller oder muslimischen Rapper - ein breites Spektrum religiöser Eiferer, die zumeist ziemliche Spinner sind.

Ob sie denn wirklich glaubten, was die Bibel erzählt, das Märchen von Jona im Walfisch zum Beispiel oder die Jungfräulichkeit Mariens - das seien doch Hollywood-Geschichten, höhnt Maher. Der Ausgang der verbalen Shootouts, die sich der Fernsehkomiker mit seinen Interviewpartnern liefert, ist vorhersehbar, weil Maher, ein Harald-Schmidt-Typ mit unverschämtem Grinsen und ebensolchen Fragen, vorwiegend Gesprächspartner gewählt hat, denen er intellektuell haushoch überlegen ist. Weil er auch die Bibel sehr gut kennt, kann er zweifelhafte Typen wie Jose Luis de Jesus Miranda, der sein Geld als angebliche Reinkarnation Jesu verdient, ebenso ins Messer laufen lassen wie den evangelikalen US-Senator, der sich etwas hilflos zum Kreationismus bekennt und schließlich in den Satz flüchtet: "Man muss keinen Intelligenztest bestehen, um Senator werden zu können."

Wenn Trucker glauben

Solche dokumentarisch gewonnenen Pointen haben natürlich einen besonderen Wert. Im besten Fall entlarven sie mächtige religiöse Scharlatane oder dumme politische Führer. Wenn sich Maher jedoch über den Holy-Land-Vergnügungspark in Florida lustig macht oder über die Gadgets, mit denen gläubige Juden die strengen Sabbat-Regeln umgehen (und damit telefonieren oder Aufzug fahren dürfen), dann hat er doch zu leichtgewichtige Gegner gewählt.

Da wird "Religulous" langweilig - das Schlimmste, was einem Entertainer passieren kann, der für eine gute Pointe seine Seligkeit hergeben würde. An seine Grenzen stößt Maher schließlich, wenn er Trucker in einer Autobahnkapelle vom rechten agnostischen Weg überzeugen will. Ihrem schlichten Glauben kommt er mit seinen intellektuellen Witzchen nicht bei, sie wirken arrogant und unpassend. Weil Maher zwar Zweifel predigt, selbst aber keine hat (oder sie zumindest nicht äußert), wirkt er dogmatischer als diese Männer und kann ihren in einigen Fällen wohl lebensrettenden Glaubenserfahrungen nichts Gleichwertiges entgegensetzen.

Nach dem oscarprämierten "Man on Wire" von James Marsh ist "Religulous" dennoch ein weiterer Markstein des dokumentarischen Unterhaltungskinos, das sich endgültig von jeglicher Authentizitätsverpflichtung emanzipiert hat. Es ist Showtime im Dokumentarfilm - Michael Moore war der Vorreiter dieser Bewegung. Glaubwürdig und relevant ist "Religulous" durch seine Subjektivität, wie die Blogs im Internet, ohne Pflicht zur Ausgewogenheit. Schlicht, aber schlagkräftig kann diese Methode sein.

"Religulous" war 2008 der kommerziell erfolgreichste Dokumentarfilm in den USA - Konsenskino am Ende der Bush-Ära. Nur als Reaktion auf die Politik der Bush-Regierung lassen sich der Furor, die verzweifelte Komik des Films begreifen. Dass es den Entertainern ganz ernst ist mit ihrer Angst vor religiösem Eifer, zeigt das Szenario am Ende, wenn die Erde in die Luft fliegt, zur Musik der Talking Heads: "We're on a road to nowhere" singen sie - Weltuntergang wie in alten Zeiten.

RELIGULOUS, USA 2008 - Regie: Larry Charles. Buch: Bill Maher. Kamera: Anthony Hardwick. Schnitt: Jeff Groth, Christian Kinnard Jeffrey M. Werner. Mit: Bill Maher. Central, 101Minuten.

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