Im Kino: Prince of Persia:Die Zeit der gefallenen Engel

Es ist ein großes Missverständnis, dass Games und Movies irgendwie verwandt seien: "Prince of Persia" zeigt, dass aus Videospielen nicht zwangsläufig gute Kinofilme werden.

Fritz Göttler

Es ist natürlich alles andere als zufällig, ist wie ein vertracktes System kommunizierender Röhren - während das große neue Westernspiel "Red Dead Redemption", das neue Meisterstück der "Grand Theft Auto"-Schöpfer, in den vergangenen Wochen euphorisch gefeiert wird, stößt der neueste Videospielfilm "Prince of Persia - Der Sand der Zeit" auf energische Kritik: flach und kindisch und dumm sei der Film, mit hohlen Figuren und fader Dramaturgie.

Prince of Persia

"Prince of Persia - Sand der Zeit" spielt mit einem großen Thema: der Reversibilität des Zeitstroms. Leider scheinen die Filmemacher nicht daran interessiert zu sein, die Figuren tatsächlich an einen existentiellen Nullpunkt zu führen.

(Foto: Verleih)

Auch an der Kinokasse erwies das Schaustück sich als ziemlich schwach - 72 Millionen Dollar hat es nach dem dritten Wochenende eingespielt, soviel oder mehr haben richtige Renner schon nach dem ersten reingeholt. Den Prinzen erwischt es auch nicht als missratenes Einzelstück, als vermurkste Fehlkalkulation seines Produzenten Jerry Bruckheimer, sondern stellvertretend für all die Versuche, aus beliebten Videospielen erfolgsträchtige Kinospektakel zu machen - eine Blockbusterformel, die schon sehr oft versagt hatte: "Lara Croft", "Mortal Kombat", "Max Payne".

Und doch ist das große Missverständnis nicht zu beseitigen, Games und Movies seien irgendwie verwandt, oder wenigstens Teamplayer, was Ästhetik und Handlungsführung der visuellen Medien angeht und das physiologische Erleben der Spieler/Zuschauer. Selbst Steven Spielberg war mal davon überzeugt, es könnte etwas werden aus der engen Zusammenarbeit von Film- und Spieleindustrie.

Gern haben die Hollywoodianer sich für ihr Massenkino die Stoffe - seltener: die Inspiration - aus anderen Massenindustrien zusammengeklaubt. Vom Spielzeug ("Transformers"), von Themenparks ("Fluch der Karibik") und von den Videospielen. Die wiederum haben sich massiv beim Hollywood-B-Movie-Pool bedient: Horror, film noir, Tausendundeinenacht, Piraten, Mantel und Degen, nun auch Western.

Action is character

Action is character, mit der berühmten Formel hat sich das Actionkino in Hollywood Jahrzehnte lang definiert, auch die filmhistorische und -theoretische Reflexion darüber funktionierte über sie. Die Formel stammt von F. Scott Fitzgerald, mit ihr markierte er den Bruch mit einer langen Tradition des Erzählens, die von der Figur, ihrem Charakter, ihrer Psyche ausgeht - zur Perfektion gebracht im Roman des 19.Jahrhunderts. Das Kino hat eine entscheidende Rolle gespielt in der Machtenthebung dieses Erzählens und seiner individualistischen Perspektive, beim Rekurs auf ein ursprünglicheres Erzählen in der neuen Massenkultur, in den neuen Medien.

Action is character, und Action bedeutet grundsätzlich Erfahrung von Raum - den Raum begreifen, gestalten, erobern in seinem Handeln, dadurch zu einer Handlungsfreiheit zu finden, die Intellekt und Physis zusammenbringt. Das Kino als elementare Form der Initiation. Der Niedergang des Actionkinos in den letzten zwanzig Jahren hängt mit dem Verlust des Raumes zusammen, mit der Schwierigkeit, im Kino Raum zu erfahren - die Alleskönner der Computertechnik und die smarten Clipfabrikanten in ihrer Flash-Hektik zerstören ihn erbarmungslos.

Es fehlt der Horizont

Im Videospiel hat sich zum Teil die Errettung des Raumes vollzogen, mit erstaunlicher Konsequenz wird hier der Parcours des Helden gestaltet, der Raum für seinen Auftritt präpariert. Aber die Richtung ist eine andere, die Spielfigur ist definiert durch ein festes Set von Handlungsweisen, von Reaktionsmustern - die Kontrolle muss gewahrt bleiben um jeden Preis. So schafft das Spiel ungemein dichte und differenzierte Figuren, ihr Weg gleicht einem langen Travelling, einer Kamerafahrt vorwärts. Mit dieser Spielfigur ist auf merkwürdige Weise das klassische Erzählen in die Massenkultur zurückgekehrt, der Spieler ist, anders als der Kinozuschauer, in der Situation einer gewaltigen Einsamkeit. "Wer einer Geschichte zuhört, der ist in der Gesellschaft des Erzählers", schrieb Walter Benjamin, "der Leser eines Romans ist aber einsam. Er ist es mehr als jeder andere Leser."

Im freien Fall

Der "Prince of Persia" spielt mit einem großen Thema, das Games wie Movies unbedingt interessieren müsste - Ein großes Thema wurde mit dem "Sand der Zeit" angepackt, das Wesen der Zeit, die Reversibilität des Zeitstroms, und wie das Schicksal der Menschen damit zusammenhängt und die Möglichkeit, es zu revidieren und zu gestalten. Nichts davon interessiert die Filmemacher, nirgendwo ist hier ein Verlangen zu spüren, die Figuren an einen existentiellen Nullpunkt zu führen.

Das Genre des Videospiels begann, der frühen Technik gemäß, mit der Abstraktion, mit grafisch reduzierten Monstern, Marke Pacman, mit der geometrisch strukturierten und rhythmisierten Bewegung. Von Psychologie war nie die Rede, das haben Games und Movies gemeinsam. Das Westernspiel "Red Dead Redemption" testet nun die Möglichkeiten des Genres, und kommt dabei nahe ans moderne Kino heran. Einem Kino nicht der Action, sondern der Kontemplation.

Man kann nun gemächlich Logis nehmen in einem Hotel, Kräuter sammeln, jagen, Karten spielen, Cowboypflichten übernehmen. Man wäre damit ungefähr da, wo einst das frühe Kino begann und wohin viele Filmemacher - von Bresson bis Wenders - am liebsten zurückgegangen wären: zu Filmen, die fasziniert sind vom Spiel der Blätter im Wind. Das Actionkino dagegen hat bald endgültig seinen Horizont verloren.

"Ohne fernen Horizont", schreibt Paul Virilio, "besteht keine Möglichkeit mehr, die Realität zu erkennen, und wir stürzen in die Zeit eines Falls, der demjenigen der gefallenen Engel gleicht ..." Der Kino-Prinz von Persien scheint in diesem Fall begriffen.

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