Im Kino: Lara Croft II:Busen - plastisch. Aber Teflon beschichtet.

"Die Wiege des Lebens" - in ihrem zweiten Filmabenteuer sucht Lady Lara die Liebe, findet aber nur einen Neopren-Taucheranzug, an dem leider alles abperlt.

FRITZ GÖTTLER

(SZ v. 14.08.2003)

Im Kino: Lara Croft II: Das höchste der Gefühle ist doch die Liebe im Sturzflug, ein paar Sekunden Schweben, bevor die Fallschirme sich öffnen.

Das höchste der Gefühle ist doch die Liebe im Sturzflug, ein paar Sekunden Schweben, bevor die Fallschirme sich öffnen.

Alles was verloren wurde, ist dazu bestimmt wieder gefunden zu werden ... Ist Lara Croft eine Enkelin von Sigmund Freud? Sieht die Lady vom Lande, aus dem britischen Gutsherrenhaus, sich in der Tradition der großen Gurus der Psychoanalyse? Ist die Kino-Action ein Operationsfeld der modernen Seelenkunde?

Hollywood ist weit offen, seit langem, für Lektionen in Lacanismus, für Erkenntnisse zu den Fragen von Erinnerung und Vergessen, Verdrängung und Gedächtnis, für diesen bizarren Mix aus Schamanentum und Erkenntnisblitzen, jene stramme Ich-Theorie, die so haarscharf an der totalen Tautologie entlangschrammt.

Der zweite "Lara Croft" ist ein Familienfilm. Mit einer Hochzeit fängt es an, auf der griechischen Insel Santorini, mit Gesang und Wien und Tanz. Aber bevor die Braut und der Bräutigam zusammen sind, beginnt die Erde zu beben ... und was lange verloren war, scheint wieder zugänglich zu sein: ein unterirdischer Tempel, errichtet von Alexander dem Großen - dem Inbegriff männlicher Eroberungslust, mit seiner grandiosen antiken Mischung aus Einsamkeit, Sehnsucht und Todestrieb. Zwei amerikanische Regisseure bereiten eben Filme über sein Schicksal vor, Baz Luhrmann und Oliver Stone, und letzterer hat für sein Opus auch Angelina Jolie verpflichtet.

Lara Croft macht sich auf, in den Tempel unter dem Meer einzudringen, der dazu bestimmt ist, innerhalb kurzer Zeit wieder verschütt zu gehen. Die jungen Griechen sind fasziniert, sie folgen ihr - der Vater der Jungen blickt ihnen hinterher, und er ahnt, was ihr Schicksal sein wird, unter der Meeresoberfläche und den Felsmassen, an der Seite der jungen Frau.

Es ist ein altbekanntes Geheimnis, das der Tempel in seinem Schoß birgt. Die Büchse der Pandora, die ultimative ABC-Waffe, die weniger als 45 Minuten braucht, um alle Plagen über die Welt zu bringen, und mit der Dr. Jonathan Reiss, ein Nobelpreisträger, den manche einen modernen Mengele nennen, die Herrschaft über die Welt bekommen will - wie auch immer die dann aussehen mag. Ciarán Hinds spielt ihn, der durchtriebene Meister der Intrige - am schönsten hat er das praktiziert als russischer Präsident in "The Sum of All Fears", im Gegen-/Zusammenspiel mit Morgan Freeman. Hier scheint er zu ahnen, dass die Zeit der Weltbeherrscher vorbei ist, schon deshalb weil man in seinem Gefolge nun Leute wie Til Schweiger hat, die ein wenig deplaciert wirken im Actionkino und mit dem Mundwerk so ungeschickt hantieren wie mit der Waffe.

Aber mit den Gegenspielern sterben auch die Helden aus, die Superagenten, die zum Glück immer wieder einen neuen Weltrettungs-Auftrag ergatterten, mit dem sie die wachsende Einsamkeit kompensieren konnten - was das weibliche Exemplar der Gattung nun deutlicher sichtbar macht als die großen und kleinen Bonds der Welt. Die Amazone Lara Croft versucht für die Jagd nach Pandoras Büchse eine alte Beziehung zu reaktivieren, den Ex-MI5-Agenten Terry Sheridan (Gerard Butler), der sie einst verraten hat und King & Country dazu, und der deshalb nun in einem Kerker in Kasachstan hockt. Eine alte Liebe, von der nicht sehr viel mehr bleibt als eine Motorradradfahrt die Chinesische Mauer entlang - im Geiste der Wild Angels - und ein gemeinsamer Sprung in die Tiefe, vom Financial Center Tower in Hongkong - das höchste der Gefühle, Liebe im Sturzflug, ein paar Sekunden Schweben, bevor die Fallschirme sich öffnen. Demnächst wird Butler das Phantom der Oper spielen, in der x-ten Neuverfilmung der großen Liebesgeschichte.

Lara Croft, die als Videogame-Kampfmaschine so leblos wirkte im ersten Film, und die doch so viel gemeinsam hat mit der großen Schwester Pandora, zeigt nun eine Traurigkeit, die an Angelina Jolies Rollen in "Girl, Interrupted" und "Original Sin" erinnert. Ihr plastisch herausgebildeter Körper verwandelt sich ikonenhaft - eine Frau nur zum Anschauen bestimmt, so wie es einst das Geschick der Hollywoodgöttinnen suggerierte, Ava Gardner zum Beispiel, die in einem ihrer schönsten Filme ein rätselvolles Wesen mit dem Namen Pandora spielt. Und die Gefühle perlen ab an Laras silbrigglattem Tauchanzug wie Wassertropfen.

Everything lost is meant to be found ... Jan de Bont setzt alle Mittel seiner Kunst ein, der neuen Computer- und Animationstechniken, aber die Action bleibt angenehm luftig, was selbst dem Gemetzel unter einer von Chinas berühmter Tonkrieger-Armeen die hässlichen Assoziationen nimmt an US-Bagdad-Barbarismus. Viel Zeit hat der Film für die Gesichter alter Massai-Krieger oder für eine alte Frau mitten in China, die Lara so herzlich aufnimmt, als wäre sie nach sehr sehr langer Zeit heimgekehrt. Ein Familienfilm, das Gleichnis von der verlorenen Tochter.

LARA CROFT TOMB RAIDER - THE CRADLE OF LIFE, USA 2003 - Regie: Jan de Bont. Buch: Dean Georgaris. Kamera: David Tattersall. Schnitt: Michael Kahn. Musik: Alan Silvestri. Mit: Angelina Jolie, Gerard Butler, Noah Taylor, Ciaran Hinds, Djimon Hounsou, Til Schweiger, Christopher Barrie, Simon Yam. Concorde, 116 Minuten.

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