Im Kino: Küss den Frosch:Royalistischer Schnickschnack

In Disneys famoser Neuverfilmung des "Froschkönigs" ist Tiana die erste farbige Prinzessin - und ihr Märchenprinz ein Latino-Lover.

Fritz Göttler

Tiana arbeitet am amerikanischen Traum, von Kindheit an, einem sehr speziellen Traummix mit Gumbo und Straßen-Jazz und ein paar Art-Déco-Extravaganzen. Mit Doppelschichten als Serviererin will sie diesen Traum verwirklichen: ein eigenes Restaurant. Das ist ein ziemlich realistischer Ausgangspunkt für eine amerikanische Neufassung des alten Märchens vom Froschkönig. Nur in ihren Teenagerträumen gebärdet sich Tiana märchenhaft, auf dem Maskenball ihrer Freundin erscheint sie als Prinzessin, in weißem Kleid und mit Diadem

Im Kino: Küss den Frosch: So ganz sicher ist Tiana nicht auf ihrem Weg, wie alle Märchenheldinnen lockt auch sie die Abkürzung - der Kuss des Froschs.

So ganz sicher ist Tiana nicht auf ihrem Weg, wie alle Märchenheldinnen lockt auch sie die Abkürzung - der Kuss des Froschs.

(Foto: Foto: Filmverleih)

Aber Tiana in "Küss den Frosch" ist anders als ihre Kolleginnen in den Disneyfilmen - das Prinzessinnen-Genre gehört zu den erfolgreichsten der Firma, von Schneewittchen und Sleeping Beauty/Dornröschen bis zur Schönen mit ihrem Biest und zur kleinen Meerjungfrau. Tiana aber hat nicht die gewohnte weiße Prinzessinnenhaut, sie ist ein afroamerikanisches Arbeiterkind aus dem French Quarter von New Orleans, die erste schwarze Heldin eines Disneyfilms.

Gleich als vor einigen Jahren das Projekt mit der Prinzessin und dem Frosch angekündigt wurde, gab es Skepsis und Bedenken in der Öffentlichkeit; zu jenen, die die Disney Factory schon immer ihres Imaginationsmonopols wegen verdammt hatten, kamen nun noch alle Hüter der politischen Korrektheit. Bei Disney war man kompromissbereit - Tiana bekam eine aparte Milchkaffeefarbe, die Nase nur eine Spur breiter als gewohnt.

Erst sollte sie ein Dienstmädchen sein und Mandy heißen - was zu sehr an die alte Sklaventradition erinnerte, also wurde sie Serviererin und erhielt den Namen Tiana. Ihr Märchenprinz ist ein Musterexemplar eines Latino-Lovers, sein Heimatland heißt Maldonia, und auch er bestätigt erst mal alle Vorurteile seiner Spezies.

Bedenklich auch die Wahl des Schauplatzes, der von Chicago ins New Orleans der Zwanziger und frühen Dreißiger verlegt wurde. Ist das O.K., dies gute alte New Orleans, das in der Katastrophe des Hurrikans Katrina untergegangen war, betörend schön und stimmungsvoll noch einmal zu beschwören, in seiner unschuldigen Verträumtheit zwischen feudaler Restkultur und früher Moderne, mit Flussdampfer und Straßenbahn und den sinistren Voodoo-Schattenspielen in den Bayous, den Sumpflandschaften vor der Stadt? Und überall der verlockende Swing, der Rhythmus, der die Menschen zu ein paar Tanzschritten verleiten will. "I don't have time for dancing", singt Tiana, "this old town can slow me down, people taking the easy way. But I know exactly where I'm going ..."

Lesen Sie auf Seite 2, warum John Lasseter, der mächtige Pixar-Chef, auf die alte Technik schwört.

Royalistischer Schnickschnack

So ganz sicher ist natürlich auch Tiana nicht auf ihrem Weg, wie alle Märchenheldinnen lockt auch sie die Abkürzung, der Kuss des Froschs - mit fatalem Effekt, auch sie zum Frosch. Es ist der Traum des Vaters, den sie weiterträumt, der Prolog stellt ihn vor als uramerikanischen Arbeiter, mit derber Kleidung und Hosenträgern, die Ärmel hochgekrempelt und die Hosenbeine umgeschlagen, aber die Gesichtszüge sehr fein - Terrence Howard leiht ihm im Original die Stimme, Oprah Winfrey steht ihm als Gattin zur Seite, sie verdient an der Nähmaschine dazu. Zwei Garanten für die Akzeptanz des Films bei den Betroffenen, ein weiterer war - als feister Kapitalist - John Goodman, der in New Orleans lebt.

Der klassische Disney-Stil, das ist die Aura romantischer Malerei

Die Kritiker der großen amerikanischen Zeitungen, an der Spitze die in New York, waren dennoch not amused. Sie wollten nicht sehen, wie genau die Filmemacher Ron Clements und John Musker ihr Spannungsfeld anlegten, das märchenhafte wie das soziale. New Orleans im Jazz Age, das ist eine Travestie der neuen Bürgerlichkeit, aber es ist auch das Einfallstor, durch das, übers Meer aus der alten Welt, diffuse Vorstellungen kommen von anderen Lebensformen, royalistischer Schnickschnack, im Stadium der Degeneration.

Die umschwärmten Balkan-Royals sind auf der Suche nach einer reichen Partie, um zuhause den maroden Haushalt zu sanieren, sie lassen sich, selbst in Froschform, gern bedienen, liegen auf der faulen Haut, klampfen, ihr Banjo auf den Knien, derweil die Frau am Ruder schuftet. Man spürt den unseligen Geist der Bankerwelt von heute, mit Glamour versetzt.

Karikaturen gehören von Anfang an zum Disney-Stil, ein Mix aus Stereotypen und eigenwilligem Profil. "Küss den Frosch" ist seit der "Meerjungfrau" - auch von Clements und Musker - seit der Pixar-Übernahme der erste Zeichenfilm des Disney-Studios im alten Stil, handgemalt, mit Folientechnik, keine im Computer generierten Bilder. In einer Zeit, da manche Actionrealfilme immer mehr aus dem Computer herausholen und die Unterschiede kaschieren - "Avatar" von James Cameron - setzt Disney auf Stilisierung.

John Lasseter, der mächtige Pixar-Chef, schwört auf die alte Technik, gewisse Sachen, erklärt er, gehen mit Computer gar nicht. Er meint die Flüssigkeit der Bilder, den Jazz in den Bewegungen. Und er richtet den Blick ganz weit zurück: "Die Zwerge im Schneewittchenfilm, aus den Dreißigern, das ist etwas, was man im Computer wohl nicht hinkriegt." Der klassische Disney-Stil, das ist die Aura romantischer Malerei, der Drive im Innern aber ist reiner Impressionismus. In den Voodoo-Momenten mit dem finsteren "Shadowman" und seinem Schattengefolge kommt der "Frosch"-Film ganz nah an die unbewussten Lüste und Triebe - ein Triumph der alten Technik.

THE PRINCESS AND THE FROG, USA 2009 - Regie: Ron Clements, John Musker. Musik: Randy Newman. Stimmen: Anika Noni Rose, Bruno Campos, Keith David, Oprah Winfrey, Terrence Howard. Deutsche Stimmen: Cassandra Steen, Roger Cicero, Marianne Rosenberg, Bill Ramsey. Disney, 97 Minuten.

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