Im Kino: Hochzeitspolka:Im Klischeekarussell

Frieder will in Polen heiraten, seine Freunde, die Schweinerocker, hat er mit Absicht nicht eingeladen. Sie kommen aber trotzdem. Lars Jessens "Hochzeitspolka" hätte leicht politisch korrekter Klamauk werden können.

Susan Vahabzadeh

Wer seine Vorurteile ordentlich pflegt, muss sie auch auf Reisen - erprobt am lebenden Objekt - nicht revidieren. Die Truppe, die Frieder (Christian Ulmen) am Vorabend seiner Hochzeit in Polen heimsucht, scheint nach diesem Motto zu verfahren; jeder auf seine Art. Frieders alte Band-Kumpels haben ihn nicht gesehen, seit er drei Jahre zuvor nach Polen gezogen ist, und dass er sie nicht zu seiner Hochzeit eingeladen hat mit Gosia aus dem Ort, in dem er jetzt wohnt - das hat gleich mehrere Gründe.

Themendienst Kino: Hochzeitspolka

Frieder (Christian Ulmen) will heiraten. Seine Freunde besuchen ihn am Vorabend seiner Hochzeit in Polen, was in einen hübschen Kampf der Kulturen ausartet.

(Foto: dapd)

Erstens ist einer der Sohn seines Chefs und könnte verraten, dass die deutsche Firma, die er dort vertritt, bald in die noch billigere Ukraine umzieht; zweitens dämmert ihm schon, dass ein Aufeinanderprallen seiner Schweinerocker und der polnischen Dorfbewohner in einen hübschen Kampf der Kulturen ausarten wird.

Der Kieler Regisseur Lars Jessen hat zuvor die Filme Dorfpunks und Am Tag, als Bobby Ewing starb gemacht, er hat ein Talent, ganz liebevoll das Groteske zu inszenieren - in Hochzeitspolka eine missratene Eheschließung. Beim Polterabend stehen die alten Kumpels vor der Tür, und bald ist allen klar, dass Frieder sie mit Absicht nicht eingeladen hat. Irgendwann hat dann auch keiner mehr Lust, Gastfreundschaft zu heucheln. Die alten Kumpels würden gerne abhauen. Können sie aber nicht. Die deutsche Limousine, mit der sie eingefahren sind, steht zwar noch auf dem Dorfplatz, allerdings eine Etage höher, auf dem Sockel eines Denkmals, und bei dem Versuch, sie wieder herunterzubugsieren, geht sie zu Bruch.

Nun gehen doch alle zusammen ins Feuerwehrhaus, und die Hochzeitsfeier wird zu einer wilden Fahrt auf dem Klischeekarussell. Einer der deutschen Jungs kotzt während der Rede von Frieders Schwiegervater, einer bestellt Scheißbier, weil ihm Frieder das falsche Wort für vier beigebracht hat, einer führt sich auf wie Graf Koks, und die Gegenseite schlägt mit Heil-Hitler-Rufen zurück. Manche der herausgehauenen Beleidigungen sind gängig ("Seit wann sind denn Polen zuverlässig?"), andere hat Jessen zweimal um sich selbst gedreht, bis sie so richtig schön absurd in die Nacht hinausklingen: Wir, brüllt einer von Frieders Kumpanen, können doch nicht den Polen ein Auto klauen.

Aus einer solchen Geschichte kann leicht politisch korrekter Klamauk mit Versöhnungssauce werden, aber die Gefahr hat Jessen sehr schön umschifft. Er pfeift auf Rücksichtnahme; und von Versöhnung kann am Ende keine Rede sein, fast wie im richtigen Leben. Der indianische Dorfpolizist allein kennt das Geheimnis, wie man sich einlebt an diesem Ort: Es muss vollkommen klar sein, dass man wieder geht. Ein Indianer mit Federschmuck als Sheriff in Polen - das wirkt irgendwie surreal; aber vielleicht steht der Wahrnehmung da nur ein Klischee im Weg.

HOCHZEITSPOLKA, D 2010 - Regie: Lars Jessen. Buch: Ingo Haeb. Kamera: Marcus Kanter, Michael Tötter. Mit: Christian Ulmen, Katarzyna Maciag. X Verleih, 95 Minuten.

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