Im Kino: "Here & There":Trauerkloß in Wodka

Der New Yorker Musiker Robert steckt so tief in der Krise, dass er für 5000 Dollar eine Scheinehe in Belgrad eingeht - erst dort entdeckt er die Schönheit der Welt.

Susan Vahabzadeh

Das amerikanische Indie-Kino ist sanft entschlummert, aber es kann keiner behaupten, nur Amerikaner könnten die Lücke schließen, die es hinterlässt. Here & There stammt von dem serbischen Filmemacher Darko Lungulov, aber der Film hat alle Tugenden, die in den Achtzigern und Neunzigern Bewegung ins amerikanische Kino gebracht haben.

Here and There

Das Ziel aller Träume ist ein Gemütszustand - Robert (David Thornton) jedoch kommt mit der Gegenwart nicht klar.

(Foto: Foto: Verleih)

Am Ende, wenn der Saxophonist Robert wieder zuhause in New York ist und auf die Skyline zufährt, jubeln seine beiden serbischen Freunde. Sie sind am Ziel ihrer Träume. Robert träumt da längst von einer anderen Stadt: New York ist toll - aber es ist nicht Belgrad ...

Es gehörte zu den Tugenden dieses verblichenen Indie-Kinos, nach der Schönheit der Welt an den unwahrscheinlichsten Orten zu suchen - und sie dann tatsächlich zu entdecken. Auch Robert (David Thornton) ist so eine Gestalt, die übriggeblieben sein könnte aus jener Zeit - oder aus einem Film jener Zeit! -, die nicht klarkommt mit der Gegenwart.

Robert tritt nicht mehr auf, er lässt die Tage verstreichen und hängt seinen Depressionen nach. Er ist aus seiner heruntergekommenen Wohnung herausgeflogen und muss bei einer Bekannten unterkriechen - gespielt von Cyndi Lauper, noch so eine wilde Heldin der Achtziger (und in Wirklichkeit Thorntons Frau). Aber auch die schmeißt ihn schließlich raus, diesen Trauerkloß, der ihren ganzen Wodka weggetrunken hat.

Bleibt nur noch ein Ausweg, das Angebot des serbischen Möbelpackers Branko, der Roberts Habseligkeiten transportiert hat: Für fünftausend Dollar soll Robert nach Belgrad reisen und dort Brankos Verlobte heiraten, damit sie in die USA einreisen kann.

Nun muss sich Robert also in Belgrad herumschlagen, ohne Gepäck, mit flammenden Nationalisten und ein paar heiratswilligen Frauen zu viel - während Branko in New York versucht, das Geld für den Deal aufzubringen. Dabei lernt er, dass es in Amerika zwar jedem erlaubt ist, seine Träume zu verwirklichen - dass einem aber keiner dabei hilft.

Darko Lungulov ist selbst 1991 nach New York gegangen und hat während des Studiums an der Filmhochschule dort als Möbelpacker gearbeitet; das und die Erfahrungen mit dem amerikanischen Kino dieser Zeit prägen Here & There.

Die traurigen Clowns und komischen Lebenskünstler, die Robert in Belgrad findet, wären in einem Film von Jim Jarmusch auch ganz gut aufgehoben gewesen. Robert wehrt sich dagegen, die Leute zu mögen, besonders Brankos Mutter Olga, bei der er wohnt (Mirjana Karanovic, die Esma aus dem Berlinale-Sieger Esmas Geheimnis). Er möchte gar nichts mehr fühlen - aber die Schönheit dessen, was er sieht, überwältigt ihn: die Wärme von Olgas Gesten, die liebevoll gepflegten Blumen auf ihrem Balkon vor einer Kulisse sozialistischer Plattenbauten.

Es geht um den Kontrast zwischen dem kalten Amerika, in dem man sich selbst überlassen bleibt, wenn man arm ist - und dem europäischen Miteinander, dass da entsteht, wo alle arm sind.

Die Idee ist natürlich ein klein wenig abgegriffen und ungelenk. Aber wer sich der Geschichte hingibt, die Darko Lungulov erzählt, kann verstehen, was Robert fühlt, als er wieder in New York ist: Man kann Orte wegen eines Menschen zurücklassen - aber andersherum ergibt es einfach keinen Sinn. Das Ziel aller Träume ist kein Ort, sondern ein Gemütszustand.

HERE & THERE, Serbien/USA/Deutschland 2009 - Regie und Buch: Darko Lungulov. Kamera: Mathias Schöningh. Mit: David Thornton, Mirjana Karanovic, Branislav Trifunovic, Jelena Mrdja. Verleih: Camino, 82 Minuten.

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