Im Kino: Fair Game:Leichte Beute

Im Agententhriller "Fair Game" spielen Naomi Watts und Sean Penn ganz normale Menschen, die sich mit dem mächtigsten Mann der Welt angelegt und in seinem Lügengeflecht um den Irakkrieg verstrickt haben. Eine wahre Geschichte.

Susan Vahabzadeh

Es gibt heute wohl mehr Information und mehr Desinformation als je zuvor. Ein Nebeneinander von Enthüllung und Verschwörungstheorie, das es einem schwermacht, genau zu erkennen, wo Phantasterei und Panikmache anfangen. Man sieht das gerade an der Diskussion um terroristische Bedrohung in Deutschland. Das Kino treibt sein Spiel mit solchen Ängsten, und wir spielen gerne mit - durchaus auch mit wohligem Schauder.

Kinostarts - 'Fair Game'

Kurz nachdem US-Soldaten in den Irak eingedrungen waren, verkündete der ehemalige Botschafter Joe Wilson (Oscar-Preisträger Sean Penn) der Welt, dass es gar keine Atomwaffen im Irak geben kann. Seine Frau Valerie (Naomi Watts), die als Agentin bei der CIA arbeitet, verliert deswegen ihre Tarnung und muss plötzlich um ihr Leben und das ihrer Familie bangen.

(Foto: dpa/Tobis)

So wie Doug Limans Agentenfilm "Die Bourne-Identität" von 2002. Ein Mann kommt dahinter, dass er ein gehirngewaschener CIA-Killer ist. Die Legende vom Geheimdienst als autonome, für jeden Missbrauch offene Macht im Staat hat Liman natürlich nicht erfunden, aber er hat einen Klassiker dieses Genres gedreht. Wenn die Realität das Kino aber einholt oder gar überholt, ist Schluss mit den wohligen Schauder. Doug Limans neuer Film "Fair Game" ist auch ein Agentenfilm, Sean Penn und Naomi Watts spielen ein Paar, das in eine politische Intrige hineingerät - nur hat Liman diese Geschichte nicht erfunden.

Es geht um den großen CIA-Skandal von 2003. Die CIA-Agentin Valerie Plame hatte ihren Ehemann, den ehemaligen Botschafter und Afrika-Experten Joseph Wilson, engagiert, um einen Bericht zu schreiben im Vorfeld des Irak-Kriegs. Er soll etwas herausfinden über angebliche Uran-Geschäfte in Niger - aus diesem Land, behauptete das Weiße Haus später, beziehe der Irak radioaktives Material zum Bau von Massenvernichtungswaffen. Das entsprach aber gar nicht dem Bericht, den Wilson abgeliefert hatte - seine Recherchen, so Wilson, hätten sogar ergeben, dass das rundheraus unmöglich sei.

Er fühlte sich missbraucht und hat das, nachdem der Angriff auf den Irak nicht mehr zu stoppen war, in der New York Times auch in einem Gastkommentar aufgeschrieben. Acht Tage später wurde in einer Kolumne in der Washington Post Valerie Plame erwähnt, als Wilsons Frau - und als CIA-Agentin. Sie war damit enttarnt, ihre Karriere beendet. "Fair Game" ist da ein böses Wortspiel. Fair war hier nichts, aber wer sich mit den mächtigsten Männern der Welt anlegt, ist leichte Beute.

Im Film sieht man auch das private Drama, das dabei entsteht - für Valerie Plame alias Naomi Watts und Joseph Wilson, gespielt von Sean Penn. Die Ereignisse lösen eine Ehekrise aus. Er fühlt sich beschmutzt, versucht sich zu wehren, sie bemüht sich, professionell zu reagieren. Gegenseitige Vorwürfe beginnen, und vor allem haben die Wilsons, die eben noch ein unauffälliges Paar in Washington waren, nun Angst - sie fühlen sich ausgeliefert und bedroht.

Liman bleibt sehr nah dran an seinen Hauptfiguren, denn "Fair Game" gibt sich zwar sehr nüchtern, ist aber eigentlich ein naturgemäß parteiischer Film - das Drehbuch zu dieser Geschichte haben Jez und John-Henry Butterworth geschrieben, basierend auf zwei Büchern, in denen die realen Vorbilder für diese Figuren ihre Version der Geschichte darlegen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie der Film als Thriller funktioniert.

Plötzlich haben sie Angst

Und Liman bleibt bei seiner Verfilmung immer bei seinen beiden Helden, er inszeniert sie nicht als unfehlbar, sondern als ganz normale Menschen, die ausrasten, als sie merken, dass sie einer höheren Instanz schutzlos ausgeliefert sind. Dass das alles tatsächlich passiert ist, verleiht dem Agentengrusel in "Fair Game" eine andere Qualität, als sie eine erfundene Story wie beispielsweise der Angelina-Jolie-Thriller"Salt" je haben könnte - vielleicht hat Liman, der hier die Kamera selbst übernommen hat, sich deswegen entschlossen, in unruhigen, beklemmenden Bildern zu erzählen.

Ob wirklich so viel Schaden angerichtet wurde, wie es Doug Liman darstellt - bei ihm gefährdet die Enttarnung Menschenleben, unschuldige Opfer geraten in Not - ist umstritten. Darüber, dass es sich um einen Racheakt der Bush-Administration an einem Kritiker der Irak-Invasion handelte, kann man eigentlich nicht streiten. Von ganz hoch oben wurde eine Geheimagentin preisgegeben. Das Weiße Haus findet immer einen Weg zurückzuschlagen - es begann eine Schlammschlacht, Valerie Plame wurde wegen Vetternwirtschaft an den Pranger gestellt, weil sie ihren eigenen Mann nach Niger geschickt hatte. Recht bekam sie später, nach mehreren Prozessen und Anhörungen im Kongress, nur so halbwegs.

Scooter Libby, Berater von Vizepräsident Cheney, ist jedenfalls später wegen seiner Rolle in der Affäre verurteilt worden; die Haftstrafe, die er absitzen sollte, hat ihm Bush erlassen. Joseph Wilson hat die Geschichte recht gegeben - es ist ja nun inzwischen geklärt, dass der Irak nirgends Uran für seine Massenvernichtungswaffen gekauft hat, weil er gar keine hatte.

Die Ehekrise, dass Valerie zu ihrem Vater flieht und ihren Mann auf der Höhe des Skandals allein zurücklässt, macht "Fair Game" interessant - diese Szenen geben Watts und vor allem Penn etwas zu spielen. Denn ansonsten hat man den ganzen Film über den Eindruck, dass Liman um einen möglichst nüchternen Tonfall ringt.

Dieser Film ist ein sehr ungewöhnlicher Fall - bei verfilmten Skandalen schafft sich das Kino normalerweise einen weiten Rahmen, in dem es Platz hat zum Dramatisieren der Tatsachen: erfundene Namen, zusammengelegte Figuren, Überspitzungen, die anschaulich machen sollen. Doug Liman hat sich hier entschieden, auf all das zu verzichten - manchmal lotet er das Thrillerpotential der Geschichte aus, aber nur sehr vorsichtig, wenn beispielsweise Valeries Informanten in Bagdad auf eine Rettung warten, die niemals kommen wird, weil all ihre Aktivitäten eingefroren worden sind im CIA-Hauptquartier.

Als Thriller funktioniert "Fair Game" dann auch tatsächlich nur mittelprächtig. Jason Bournes Suche nach sich selbst ist schöner anzusehen, und vielleicht empfinden wir computergenerierte Actionsequenzen aufregender als Schreibtischarbeit in Washington. Aber man kann einem Lügengeflecht nicht mit dem Mittel der Fiktionalisierung beikommen.

FAIR GAME, USA 2010 - Regie und Kamera: Doug Liman. Drehbuch: Jez & John-Henry Butterworth, nach "The Politics of Truth" von Joseph Wilson und "Fair Game" von Valerie Plame Wilson. Mit: Naomi Watts, Sean Penn, Sam Shepard, Burce McGill. Tobis, 106 Minuten

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