Im Kino: "Elizabeth - Das goldene Königreich":Jeanne d'Arc in Bollywood

Kalkweißer Kabuki-Star der Weltpolitik: Als Königin Elizabeth startete Cate Blanchett ihre erstaunliche Weltkarriere. Nun spielt sie sie zum zweiten Mal in "Elizabeth - Das goldene Königreich".

Fritz Göttler

Ich hasse Geschichte, erklärt der Regisseur dieses Films, der Inder Shekhar Kapur, und klingt durchaus konsequent. Sein "Elizabeth - Das goldene Königreich" schert sich bemerkenswert wenig um historische Fakten, der Film ist verwegene Weltreich-Fantasy, made in Britain, und in dieser Hinsicht sehr viel phantastischer als der "Goldene Kompass", der vor zwei Wochen bei uns gestartet ist. Halsbrecherisch kurvt er in den Thronsälen und Gemächern des englischen und des spanischen Königspalastes herum, auf der Suche nach außergewöhnlichen Blickwinkeln, so dass manche Kritiker boshafterweise wähnten, sie wären in einem Bollywood-Film.

Im Kino: "Elizabeth - Das goldene Königreich": Eine Königin, die gerne wäre wie Lady Di, und entdeckt, dass sie eher  Helen Mirren als Queen ähnelt.

Eine Königin, die gerne wäre wie Lady Di, und entdeckt, dass sie eher Helen Mirren als Queen ähnelt.

(Foto: Foto: ap)

Eine Extravaganza müsste man dieses imposante Ausstattungsstück mit dem entsprechenden Fachterminus nennen, ein Monstrum an Kostüm und Dekor und Design. Die Fauna und Flora, die Cate Blanchett als Queen Elizabeth in ihren Kopfputz-Kreationen bisweilen zur Schau stellt, schaffen eine Aura des Grotesken, manchmal apart, manchmal erschreckend. Wenn der Film einsetzt, im Jahr 1585, hat sie schon über zwanzig Regierungsjahre auf dem Buckel und ist Anfang der Fünfziger.

Ihr Reich steht vor der größten Krise seit ihrer Thronbesteigung - dort hatte der erste Elizabeth-Film geendet, ebenfalls gedreht von Shekhar Kapur, in dem die junge Australierin Cate Blanchett ihre erstaunliche Weltkarriere startete. Die Konstellation des westlichen Welt ist äußerst komplex, die Großmachtdiplomatie nicht immer so raffiniert, wie man es erwarten würde, manchmal sogar ausgesprochen derb, und die Ursachen für die Krise nicht immer offensichtlich - man könnte sie im wesentlichen darauf reduzieren, dass die Welt in diesen Jahren in eine protestantische und eine katholische Großmacht geteilt ist. Was, wenn es um den wahren Glauben geht, immer eine zu viel ist.

Vorbürgerliche Grundrechtsdiskussion

Der politische Diskurs, den die Drehbuchschreiber in jeder dritten Szene des Films anklingen lassen, klebt an den Figuren wie ein dramaturgischer Beipackzettel. Das macht besonders die Männer ein wenig blass, die die Queen um sich versammelt. Clive Owen spielt, historisch nicht unbedingt korrekt, Sir Walter Raleigh, den Piraten der Königin, er bringt ihr unbekannte Früchte aus der Neuen Welt und präsentiert ganz ungeniert die Goldkisten, die er von gekaperten spanischen Schiffen hat. Der spanische König Philipp II. wiederum (Jordi Mollà), der die Wälder seines Landes abholzen lässt, um die Armada zu bauen, outet sich als veritabler Dschihadist.

Die Vorschläge für Gegenmaßnahmen, mit denen die Berater ihrer Queen kommen - was man mit den suspekten Katholiken im eigenen Land anfangen soll -, klingen merkwürdig vertraut, sie werden von den USA seit einigen Kriegen praktiziert. ... Elizabeth versucht sich darauf unwirsch in einer Art vorbürgerlicher Grundrechtsdiskussion: "Soll ich all die Katholiken vorsorglich einsperren? In meinem Land werden die Leute nicht für ihren Glauben bestraft, sondern für ihre Taten."

Von anderem Kaliber ist Geoffrey Rush, der als Berater Sir Francis Walsingham aus dem ersten Film übernommen wurde. Ein kalter Realpolitiker, der einiges Nützliche von den Spaniern abgeschaut hat - die Befragungstechniken der Inquisition zum Beispiel, ihre körperlichen und seelischen Folterprozeduren. Er managt auch die bekannte Geschichte mit der katholischen Thronkonkurrentin Mary Stuart, die mit der Hinrichtung endet.

Wenn er am Ende dann doch sein Versagen eingestehen muss, ist das einer der wenigen bewegenden Momente dieses Films. Ich habe jeden der Briefe Maria Stuarts abgefangen, die sie an den spanischen König schrieb, erklärt er - aber ich habe dabei nicht gemerkt, dass die Spanier das wussten . . . Die Actio-reactio-Spirale ist ins Kreisen gekommen, die Phase reflexiver moderner Politik.

Keine Emotionen

Der ganze Schlamassel zwischen Spanien und England hängt auch zusammen mit der Kinderlosigkeit der Königin - weshalb Philip II. gern demonstrativ seine Infantin Isabella um sich hat. Der Film erlaubt sich manchen bösen Spaß mit dem Phänomen der Potenz, der politischen und der sexuellen und der Vermischung der beiden. Die jungfräuliche Königin hat man Elizabeth genannt, und Sir Walter kündigt ihr nach seiner Heimkehr süffisant an, er habe eine amerikanische Kolonie nach ihr Virginia genannt.

Ich bin so müde, immer die Kontrolle auszuüben, sagt die Königin mal zu Raleigh. Die Zwischentöne sind selten, nur für Sekunden lässt Cate Blanchett hin und wieder die Konzentration ihrer Maske sich lösen - ein trauriges Phantom, ein Kabuki-Star der weltpolitischen Bühne, mit kalkweißem Gesicht, aus dem die Backenknochen dominant vorragen. Sie ist gefangen in einer unlösbaren Dissonanz, eine Queen, die gern etwas wäre wie Lady Di, und entdeckt, sie hat mehr von Helen Mirren als Queen. Wenn sie aufrichtig zu sein versucht, wird sie ungelenk und ordinär: Auch ich kann dem Wind befehlen, herrscht sie den spanischen Gesandten an, ich habe einen Hurrikan in mir... Es darf keine Emotionen geben in dieser Welt, keine Zwischenmenschlichkeit, keine Sophistication.

Cate Blanchett wird in diesem Film nicht mit ihrem neuen Superstarstatus fertig, auch Steven Soderbergh und Todd Haynes hatten ihre Mühe damit, als sie mit ihr "The Good German" und "I'm Not There" drehten, wo sie eine klassische femme fatale gab oder sich an Bob Dylan versuchte. Am Ende steht Blanchett als königliche Jeanne d'Arc da, eine Rolle, von der zahlreiche Stars fasziniert waren - Ingrid Bergman zum Beispiel, die sie 1948 spielte. Danach war sie für Hollywood verloren.

Nackte Hoffnung

Eine Ahnung von der modernen Gesellschaft durchzieht den Film. Entdecken wir die neue Welt, fragt Elizabeth, oder entdeckt die neue Welt uns? Die neuen Menschen suchen neue Bewegungen, Weite und Freiheit, aber die alten Formen zwängen sie immer noch ein - in diesem Film-England herrscht noch finsterstes Mittelalter. Sir Walter allein hat Momente des neuen Menschen, weniger als Erforscher und Eroberer, eher als ein Seefahrer, ein Mann in der Einsamkeit des Meeres, der erste Existentialist gewissermaßen. Er spricht Elizabeth von der Angst, die es hinunterzuwürgen gilt. Von der Unermesslichkeit. "Man muss seine Karten studieren. Auf den Kompass achten. Und da ist die Hoffnung. Reine, zerbrechliche, nackte Hoffnung."

Einen dritten Film könnte er sich durchaus vorstellen, hat im Interview Shekhar Kapur erklärt, aber nicht als Ende einer richtigen, in sich geschlossenen Trilogie. Aber es gäbe da eine Geschichte, die ihn fasziniere - die Queen als last standing woman. Dass Elizabeth einmal zwölf Stunden gestanden sei, aus Furcht, sie würde, wenn sie sich setzte oder hinlegte, sterben.

ELIZABETH: THE GOLDEN AGE, GB 2007 - Regie: Shekhar Kapur. Buch: William Nicholson, Michael Hirst. Kamera: Remi Adefarasin. Musik: Craig Armstrong, A. R. Rahman. Schnitt: Jill Bilcock. Produktionsdesign: Guy Fyas. Mit: Cate Blanchett, Geoffrey Rush, Clive Owen, Abbie Cornish, Samantha Morton, Rhys Ifans, Jordi Mollà, Stuart McLoughlin. Universal, 114 Minuten.

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