Im Kino: "Die Herzogin":Perücken der Verzweiflung

Demütigende Ménage-à-trois: Keira Knightley durchlebt als ungestüme Herzogin die emotionale Hölle einer arrangierten Ehe und wird zur Lady Di des 18. Jahrhunderts.

R. Gansera

Märchen happyenden mit prachtvollen Hochzeiten. Und was kommt danach? Wie sieht der eheliche Alltag aus? Saul Dibbs opulent ausgestattetes, brillant gespieltes Historiendrama "Die Herzogin" erzählt von einer märchenhaften Hochzeit im britischen Hochadelambiente des 18. Jahrhunderts, die einer jungen Aristokratin zu einer glänzenden gesellschaftlichen Position verhilft, sie aber unvermutet in die Keira Knightley spielt die Herzogin Georgiana, die Lady Diana des 18. Jahrhunderts wirft. Grandiose Soap-Opera und das bezwingende Porträt einer jungen Frau, die, gefangen in einem goldenen Käfig, verzweifelt um ihr Glück ringt. Gewisse Ähnlichkeiten mit der Märchenhochzeit und dem Schicksal Lady Dianas sind kein Zufall.

Im Kino: "Die Herzogin": Gefangen in einer lieblosen Ehe: Keira Knightley in "Die Herzogin".

Gefangen in einer lieblosen Ehe: Keira Knightley in "Die Herzogin".

(Foto: Foto: Filmverleih)

Die Herzogin gab es wirklich, sie hieß Georgiana, lebte von 1757 bis 1806, entstammte - wie Lady Di - der Spencer-Dynastie, war bildschön und klug und so etwas wie der Promi-Star ihrer Zeit: Mode-Ikone, Party-Queen, aber auch politisch aktiv für die liberale Whig-Partei. "Wenn sie erschien, waren alle Augen auf sie gerichtet", berichtete ein französischer Diplomat, "war sie abwesend, bildete sie den Gegenstand jeder Konversation!" Eine außergewöhnliche Frau, und Keira Knightley verleiht dem ungestümen Temperament dieser Herzogin von Devonshire magische Präsenz.

Der mit epischem Atem erzählende Film "Die Herzogin", der sich locker an Amanda Formans Biographie "Georgiana, Duchess of Devonshire" orientiert, setzt 1774 mit einer idyllischen Szene ein. Auf dem grünen Rasen des Spencer-Anwesens laufen eifrige Jünglinge um die Wette, um adrett herausgeputzten jungen Ladies zu imponieren. Charles Grey (Dominic Cooper), später ein Politiker der Whig-Partei und Georgianas Geliebter, siegt und blickt die bezaubernde Siebzehnjährige mit verliebten Augen an. Die Kamera schwelgt in der sonnendurchstrahlten Szenerie und konzentriert dann auf die Heldin, die fortan das Zentrum der Bilder sein wird.

Erstes Bild: die Überglückliche. Die Mutter (Charlotte Rampling) eröffnet ihr, dass sie den fünften Herzog von Devonshire (Ralph Fiennes), den nach dem König zweitmächtigsten Mann im Lande, heiraten wird. Georgiana malt sich ihr Glück im Riesenpalast des Herzogs aus. Was sie nicht weiß und bald schmerzlich zu spüren bekommt: der um vieles ältere Herzog will von ihr nur einen männlichen Erben.

Kein gemeinsames Glück, kein Liebesgeflüster, Sex nur zu Fortpflanzungszwecken. In der Hochzeitsnacht nestelt er an ihrem Korsett, nimmt die Schere zu Hilfe und murmelt: "Ich werde niemals verstehen, warum Frauenkleider so verdammt kompliziert sein müssen." Darauf antwortet sie: "Vielleicht sind sie nur unsere Art, uns auszudrücken. Männer haben viele Möglichkeiten, sich zu verwirklichen. Wir haben nur Hüte und Kleider!"

Strafende Verachtung

Der Herzog ist nur zu seinen Jagdhunden freundlich, ansonsten zeigt er sich kalt, abweisend, desinteressiert. Er holt sich diverse Zofen ins Bett, straft Georgiana mit Verachtung, als sie ihm nur Töchter gebiert, nimmt sich Lady Bess Foster (Hayley Atwell) zur Mätresse, zwingt seine Ehefrau zu einer demütigenden Ménage-à-trois. Parallelen zu Lady Dianas Leben sind an dieser Stelle unübersehbar: Wenn das Gesicht der Heldin zu einer nur mühsam die Fassung wahrenden Maske gefriert, wenn Georgiana auf die Bühne des gesellschaftlichen Lebens flüchtet, dort ihren Witz und Charme zum Einsatz bringt, ihre Kostüme und Perücken immer bizarrere Formen annehmen, als Ausdruck ihrer sich steigernden Verzweiflung und kompensatorischen Rache.

Regisseur Saul Dibb überstrapaziert die Diana-Analogien nicht, er spielt damit, bleibt aber bei der Eigendynamik seiner Figuren in ihrer Zeit. Dibb versagt es sich auch, das wilde Partyleben Georgianas wie Sophia Coppola bei ihrer "Marie Antoinette" zum Pop-Spektakel zu machen. Die "Aktualität" dieser Herzogin-Figur entsteht aus der psychologisch wahrhaftigen Schilderung ihrer Seelenlagen. Das ist auch heute mühelos nachvollziehbar: Wie eine vom Ehegatten missachtete Frau ihr Glücksverlangen nicht preisgeben will.

Das elementare Vergnügen, das "Die Herzogin" bereitet, entspringt der prägnanten Zeichnung der Charakter-Kontraste. Hier die jugendlich naive, weltoffene Georgiana mit ihrem romantischen Glauben daran, dass Ehe, Liebe und Sex doch einen schönen Dreiklang bilden sollten; dort der in sich verschlossene Herzog, der seine patriarchalen Privilegien unnachsichtig durchsetzt. Beide Figuren tragen in sich genügend Widersprüche und Spannungen, sodass das Drama immer lebendig in seine nächste Phase springen kann. Georgiana hält trotzig an ihrer Lebenslust fest und kapituliert erst dort, wo die Liebe zu ihren Kindern zum Hebel ihrer Unterwerfung gemacht wird.

Keira Knightley verfügt über ein unwiderstehlich strahlendes Lächeln, bei dem sich ihre Nasenflügel kokett kräuseln. Dieses Lächeln schenkt sie der Georgiana-Figur als Signum der Unzerstörbarkeit ihres Glückswillens. Der Herzog ist nicht einfach Bösewicht oder Tyrann. Ralph Fiennes verleiht ihm einen aus Arroganz und Traurigkeit, Frustration und Sadismus rätselhaft gemischten Charakter, der durchaus Sympathien auf sich zieht. Es ist, als suche dieser Mann allezeit nach dem Kind in sich, das durch eine traditionsstarre Erziehung erstickt wurde. Einmal tritt er ans Fenster, beobachtet spielende Kinder im Park und seufzt: "Muss es nicht wunderbar sein, so frei zu sein?" Georgiana blickt verblüfft auf, als hätte sie für einen Augenblick das Gefühl, von ihm zutiefst verstanden zu werden. Als spielende Kinder hätten sie zusammenfinden können, wie im Märchen.

THE DUCHESS, GB/USA, 2008 - Regie: Saul Dibb. Buch: Jeffrey Hatcher, Anders Thomas Jensen, Saul Dibb, nach der Biographie "Georgiana, Duchess of Devonshire" von Amanda Foreman. Kamera: Gyula Pados. Mit: Keira Knightley, Ralph Fiennes, Charlotte Rampling, Dominic Cooper, Hayley Atwell. Kinowelt, 110 Minuten.

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