Im Kino: "Der Teufel trägt Prada":Guck' mal wer da mobbt!

Natürliche Auslese ist das Gesetz der Haute-Couture. Von Intrigen der elegantesten Art und einer unerbittlichen Macht der Frauen erzählt der neue Film mit Meryl Streep und Anne Hathaway. Es ist die längst fällige Abrechnung mit der Hochglanzwelt.

Fritz Göttler

"That's all", sagt Meryl Streep zu ihren Mädchen im Büro, wohl artikuliert und sehr freundlich, aber ohne jede Herzlichkeit, und diese Sekunden allein sind das Eintrittsgeld wert für diesen Film. That's all, das ist die Formel, die ein Gespräch an ihrem Schreibtisch definitiv beendet, sodass es dem Gegenüber erst mal die Sprache verschlägt, dass er für eine Zeitlang unfähig ist, einen Gedanken zu fassen - er ist nicht mehr existent, ist vom einen zum anderen Moment ein Nichts geworden.

Im Kino: "Der Teufel trägt Prada": Wie das Kaninchen vor der Schlange - Anne Hathaway als Mädchen für alles und Meryl Streep in der Rolle der Miranda. Donnerstag kommt der Film in die Kinos.

Wie das Kaninchen vor der Schlange - Anne Hathaway als Mädchen für alles und Meryl Streep in der Rolle der Miranda. Donnerstag kommt der Film in die Kinos.

(Foto: Foto: AP)

So muss die Maus sich fühlen, wenn die Katze nach ein paar Minuten ihres tödlich-lässigen Spiels sie noch mal davonkommen lässt. Und doch weiß sie, dass sie nicht wirklich gerettet ist, die nächste Runde steht bald bevor. In diesen Momenten kommt einem "Der Teufel trägt Prada" vor wie Kafka in der Haute Couture.

Das böse Spiel von Glamour und Mode

Das "That's all" ist das Siegel, mit dem alles abgezeichnet wird, was Streep in diesem Film artikuliert. Eine lauernde Herablassung, lustvoll und sehr bewusst gespielt - sodass auch ihre Opfer die Performance bewundern können. Streep ist Miranda Priestly, die Chefin des New Yorker Modemagazins Runway.

Mit einem Schreckensregime hält sie den Betrieb am Laufen, der vom Image der absoluten Sicherheit lebt und von der Perfektion; sie darf keine Sekunde Zögern oder Unentschlossenheit zeigen; es gehört zu Mirandas Job, an allem etwas auszusetzen zu haben, extrem sparsam mit Lob zu sein, ihre Mitarbeiter mit Aufträgen zu überschütten - und ihnen zu guter Letzt die Handtasche in die Hände zu knallen, damit sie sie wegräumen.

Hinter Miranda und Runway stecken Anna Wintour und die amerikanische Vogue - der Film ist die Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans von Lauren Weisberger, der eine kalte Abrechnung ist. Ein Jahr hat Weisberger, Inbegriff der studentisch-naiven, intellektuellen Jugend, als Wintours Assistentin bei der Vogue gearbeitet. Aber natürlich war sie nicht wirklich bereit, dem Teufel den kleinen Finger hinzustrecken, sich auf das böse Spiel von Glamour und Mode einzulassen.

The Devil is a woman, das lehrte Hollywood einst die Welt, so hieß der letzte Film, den Josef von Sternberg mit Marlene Dietrich machte. Gemeinsam haben sie in den Dreißigern vorgeführt, wie Mode im Kino funktioniert. In Hollywood hat sich die Mode, von Garbo bis Dietrich, auf magische Weise mit der Schauspielkunst verbunden: Die Stars leben von Bewegungen, die aus dem Schnitt der Gewänder fließen, von Blicken, die durch Hüte oder Schleier dirigiert sind.

Guck' mal wer da mobbt!

Miranda präsentiert sich als die Queen des Mobbing - Mobbing-Filme bilden ein kleines Subgenre im amerikanischen Kino, von Billy Wilders "Das Apartment" bis Mike Nichols' "Die Waffen der Frauen". Das Opfer hier heißt Andy Sachs und wird gespielt von Anne Hathaway, die zuletzt in "Brokeback Mountain" zu sehen war, in jener Rolle, die man, ihres grotesken Zuschnitts wegen, am leichtesten vergisst, sie ist die Frau von Jake Gyllenhaal, das Texasmädchen, das sich mit wuchtigen Perücken und grellen Kostümen zur Vogelscheuche entwickelt.

Das Mobbing hat hier viel mit Masochismus zu tun. Die Zeit bei Runway ist ein Überlebenstraining, wie man es aus den Militär-Schleiferfilmen kennt. Andy lernt und passt sich an, trägt teure Klamotten und vergisst alte Tugenden, die Nächte in den Kneipen, den Jungen, der sie liebt, die Welt der unförmigen Sweater und der Bartstoppeln. Stanley Tucci, als Mirandas Hofmarschall, lehrt sie, was sie wissen muss, und einmal schafft sie es, mit einem superben Harry-Potter-Coup, selbst Miranda zu verblüffen.

In der Mode ist die Frage des Product Placements obsolet, hier ist der Name alles. Meryl Streep trägt Dutzende Modelle mit fast besinnungsloser Begeisterung. Durch seine hektischen, bisweilen auch hysterischen Montagen, zum Rhythmus von Madonna und Moby, macht Regisseur David Frankel die Austauschbarkeit der Menschen und Modelle spürbar, die Wesenlosigkeit der Mode.

Der einzige Fixpunkt ist Mirandas Blick, der prüft und abschätzt, und die Strähne in der Stirn, die von den prüfenden Augen ablenkt. Die wirkliche Anna Wintour stilisiert sich, mit blondem Pagenschnitt und breiter Sonnenbrille, zum Neutrum. Meryl Streep macht Miranda zur Queen mit Silberhaar. Gegen den rigorosen Hofstaat bei Runway ist der von Marie Antoinette, im Film von Sofia Coppola, der in einigen Wochen ins Kino kommt, ein pubertärer Sauhaufen.

Erstaunlicherweise findet gerade in der Figur von Emily, der Assistentin (großartig: Emily Blunt), das Natürliche Eingang in die sterile Perfektionsmaschine, über einen Schnupfen. Ist Emily der Hofnarr, ohne den kein Royal auskommt?

Es sind klassische amerikanische Tugenden, die hier verkörpert sind, eine Variante der protestantischen Ethik - in der kein Platz ist für Kommunikation. "Sie haben bis zum heutigen Tag nicht von Runway gehört", erklärt Miranda Andy beim Vorstellungsgespräch, "und Sie haben kein Gespür für Fashion."

"Naja", versucht Andy zu kontern - und Miranda, sanft aber entschieden: "Nein, nein, das war keine Frage ..." Der Film gestattet ihr, anders als das Buch, Momente der Müdigkeit, der Blöße. In denen das Lächeln weg ist. Die Einsamkeit, als sie in Florida durch einen Sturm am Heimflug gehindert wird. Das Fiasko der Ehe.

Aber ohne diese Menschen und ihr Wirken kommt auch die egalitäre Gesellschaft nicht aus. Dass Oscar de la Renta 2002 sich für ein Modell in Coelinblau entschieden hat - der Flügelschlag des Schmetterlings -, hat nach Jahren einen Effekt auf unser Leben. Das Elitäre und der Masseneffekt - dabei hat auch das Kino seinen Part.

THE DEVIL WEARS PRADA, USA 2006 - Regie: David Frankel. Buch: Aline Brosh McKenna. Nach dem Roman von Lauren Weisberger, Kamera: Florian Ballhaus. Schnitt: Mark Livolsi. Mit: Meryl Streep, Anne Hathaway, Stanley Tucci, Adrian Grenier, Tracie Thoms, Simon Baker, Emily Blunt, Gisèle Bündchen. Twentieth Century Fox, 110 Minuten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: