Im Kino: "Das geheime Fenster":Ich ist ein Wanderer

Eigentlich ist der Film ein Thriller nach dem Buch von Stephen King. Tatsächlich ist er eine One-Man-Show des unbedingt göttlichen Johnny Depp.

SUSAN VAHABZADEH

Vielleicht gibt es in der Schauspielerei so etwas wie das Freispielen, den Punkt, an dem sich jemand nur noch auf sich selbst verlässt - und man sich genau deswegen auf ihn verlassen kann. Johnny Depp trägt im Moment jeden Film, in dem er mitspielt, und manchmal mag man zwar das Gefühl haben, dass er seine Regisseure dabei links liegen lässt, aber sie scheinen wohl zu wissen, weshalb sie sich das gefallen lassen. So hat Johnny Depp aus dem müden Disney-Karussell-Movie ¸¸Fluch der Karibik" eine sehr unterhaltsame Hommage an Keith Richards gemacht, und so macht er aus der nicht hundertprozentig gelungenen Stephen-King-Verfilmung ¸¸Das geheime Fenster" eine One-Man-Show für Johnny Depp.

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Im Zentrum steht sein Porträt des Schriftstellers Mort Rainey: Alles dreht sich um seine Einsamkeit, darum, wie er auf verschiedene Arten beginnt, nur noch mit sich selbst zu kommunizieren, Selbstgespräche führt, seinen Schatten zu fürchten beginnt und sich in seinen Gedanken verliert. Johnny Depp gibt dieser Figur genau den Suspense, den sie braucht - sympathisch verschlampt, ein sarkastischer Kettenraucher, ein bisschen irre, aber mit genug Skepsis, um jederzeit zurechnungsfähig zu wirken.

Rainey hat sich nach der Trennung von seiner Frau Amy (Maria Bello) in das einsame Wochenendhaus zurückgezogen, während sie unten in der Stadtvilla mit ihrem neuen Liebhaber Ted (Timothy Hutton) das Leben weiterführt, das seins hätte sein sollen. Mort vegetiert dort oben mehr vor sich hin, als dass er sich einrichtet in der Zukunft, er durchlebt die Vergangenheit - den Tag zum Beispiel, als Amy im Schlafzimmer des Landhauses ein Schränkchen zur Seite rückte und ein verstecktes Fenster fand, beschloss, dort unten einen Garten anzulegen. . . Mort isst, lässt die Putzfrau an sich vorbeiwischen, versucht sich zur Arbeit zu zwingen und schafft es nicht, gibt sich dem Schlaf und seinen Tagträumen hin - ein Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs. Dem plötzlich einer einen gehörigen Schreck einjagt, eine finstere Gestalt, die aus einer seiner Schauergeschichten stammen könnte und deren Auftauchen dann auch wirklich gleich mit einer verwoben ist: John Shooter, ein Fremder mit schwarzem Hut aus einem Südstaatenkaff taucht auf im Landhaus und bedroht ihn, behauptet, Mort habe eine seiner Geschichten gestohlen - jene, in der der Erzähler seine Frau umbringt, die von einem geheimen Fenster handelt und dem Garten, den sie davor anlegen wollte. Nun wird"s gespenstisch, denn Mort weiß eigentlich, dass er die Geschichte nicht abgeschrieben hat, und mehr noch, dass er sie vor dem Datum geschrieben hat, das Shooter als Entstehung angibt - und doch fängt er an zu zweifeln, ob er dessen Geschichte nicht doch kannte. Und Shooter kommt immer wieder. Mort Rainey findet sich inmitten einer Intrige wieder, in der er immer der Täter ist und nie das Gegenteil beweisen kann, und wer ihm zu helfen versucht, kommt ums Leben.

Für die Spannung sorgt Johnny Depp, und manchmal ergeben die Kamerafahrten - durch die Räume des alten Hauses, in die Spiegelbilder und Fenster hinein - einen schönen Thrill; gerade, weil sie nicht immer ganz logisch sind in ihrer Perspektive, der Blick immer wieder aus Winkeln kommt, aus denen niemand schauen kann. Ansonsten hat David

Koepp - vor allem als Drehbuchautor von ¸¸Panic Room" bekannt geworden - diese Geschichte sehr realistisch inszeniert, von den mit viel Liebe zum Detail gemachten Dekors, die etwas ganz selten Bewohntes haben, bis zu den Figuren - Maria Bello als Ex-Frau, die nie ungnädig oder hart ist, sondern hin- und hergerissen zwischen alter Vertrautheit und dem Wissen, dass ihre Ehe gescheitert ist. Und Timothy Hutton lässt als neuer Liebhaber immer in der Schwebe, ob er nun die bessere Wahl ist oder nicht. Die Schwäche dieser Story aber ist der schwarze Mann, Turturro als John Shooter - und auch wenn man irgendwann kapiert, dass er seine finstere Nummer mit Absicht so hölzern und albern spielt: er ist ein wichtiger Teil der Story und bringt den Film dennoch mit jedem Auftritt wieder aus dem Rhythmus.

Vielleicht ist Stephen Kings Geschichte einfach nicht groß genug für einen wirklich großen Film, vor allem aber ist sie als One-Man-Show schwer zu erzählen - John Shooter ist die Art von Figur, die man beim Lesen besser der Phantasie überlässt. Man kann ja nicht alle Rollen von Johnny Depp spielen lassen - das wäre dann auch nicht mehr spannend.

SECRET WINDOW, USA 2004 - Regie, Buch: David Koepp. Nach dem Kurzroman von Stephen King. Kamera: Fred Murphy. Schnitt: Jill Savitt. Musik: Philip Glass. Mit: Johnny Depp, John Turturro, Maria Bello, Timothy Hutton, Charles S. Dutton, Len Cariou. Columbia, 97 Minuten.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.99, Donnerstag, den 29. April 2004 , Seite 14

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