"Cinema Jenin" im Kino:Im Dunkeln leuchtet Hoffnung

Ins Kino gehen zu können, ist ein Traum, den es im israelisch besetzten Westjordanland seit 25 Jahren nicht mehr gibt. "Cinema Jenin" erzählt von der Anstrengung, ein völlig marodes Kino zu renovieren, zu eröffnen und zu bespielen - gegen den Widerstand derer, die an diesem Ort alles wollen, nur keine Normalisierung.

Anke Sterneborg

Ein großes Kino im Dornröschenschlaf: In der Luft hängen flirrende Staubwolken und Spinnennetze, die roten Polstersitze sind zerschlissen, die Fenster zersplittert, die Wandpaneele geborsten, in den Ecken liegt Schutt, Tauben flattern herum. . .

Cinema Jenin

Palästinenser stehen am Tag vor der Wiedereröffnung des "Cinema Jenin" am 4. August 2010 vor dem Lichtspieltheater. In den frühen 1960ern erbaut, war das Kino eines der größten in Palästina. Jeden Tag kamen Hunderte Menschen, um hier Filme zu sehen.

(Foto: AFP)

Kino ist ein Traum, den es im israelisch besetzten Westjordanland, in der palästinensischen Stadt Jenin, seit Ausbruch der ersten Intifada nicht mehr gibt - also seit 25 Jahren. 2007 kam der deutsche Regisseur Marcus Vetter in die Stadt, um die Geschichte von Ismael Khatib zu erzählen, dem beeindruckenden Mann, dessen elfjähriger Sohn Achmed von den Kugeln israelischer Soldaten getötet wurde.

Statt Trauer in neuen Hass zu verwandeln, entschloss er sich, die Organe seines Sohnes zu spenden, und zwar auch an israelische Kinder. Der Film "Das Herz von Jenin" wurde mehrfach ausgezeichnet, doch das Thema war für Marcus Vetter damit nicht abgeschlossen - er wollte nun mehr tun als filmen.

Zusammen mit Achmeds Vater beschloss er, den Traum vom Kino nach Jenin zurückzubringen - und wurde damit auch zum Protagonisten seines zweiten, sehr persönlichen Films aus dem Westjordanland, "Cinema Jenin". Darin geht es um die Anstrengung, ein völlig marodes Kino zu renovieren, zu eröffnen und zu bespielen, mit der Unterstützung von Helfern aus der ganzen Welt - und gegen den Widerstand derer, die an diesem Ort alles wollen, nur keine Normalisierung.

Naivität gehört dazu

Es gehört schon eine gehörige Portion Naivität dazu, ein solches Unternehmen in Angriff zu nehmen. Eine Ahnung davon bekommt man in den Szenen, in denen das kleine Team im Telefonbuch der Arabischen Emirate nach Ölmilliardären sucht, die das Kino sponsern könnten; oder wenn Khatib der Kulturministerin der Stadt in seiner Euphorie verkündet, das Logo des Ministeriums auf alle Schriftstücke zu drucken - und erst einmal gebremst werden muss, man müsse schon ihre Zusage abwarten; wenn immer neue Besitzer auftauchen, die sich ihren Anteil am Profit sichern wollen, nachdem sie das Kino jahrelang verrotten ließen.

Nichts ist einfach an diesem Ort: Da muss der Spielplan mit dem lokalen Mufti abgestimmt werden, es wird hitzig darüber diskutiert, ob auch Israelis im Kino zugelassen werden, und wie es mit den Waffen zu halten sei.

Hoffnung über den Stadtrand von Jenin hinaus

Wie fragil das ganze Projekt ist, zeigt sich, als die Meldung vom tödlichen Anschlag auf Juliano Mer-Khamis bekannt wird, den Gründer des berühmten Freedom Theatre in Jenin, der auch ein Unterstützer des Kinos war. Doch aller Rückschläge und Widerstände zum Trotz entwickelt das friedenstiftende Projekt eine immer größere Dynamik, das Kino wird zum Herzstück eines Kulturzentrums mit angeschlossenem Gästehaus und einer geplanten Filmproduktionsstätte.

So leuchtet an einem Ort, der seit Jahrzehnten vom Krieg geprägt ist, zusammen mit den Kinoprojektoren nun auch die Hoffnung auf. Sie sollte weit über Jenin hinausstrahlen.

CINEMA JENIN: THE STORY OF A DREAM, D 2012 - Regie: Marcus Vetter. Buch: Marcus Vetter, Aleksei Bakri. Kamera: Alex Bakri. Schnitt: Saskia Metten. Verleih: Senator, 95 Minuten

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