Im Kino: Bushido:Ein Imperium, das wär's

Der Film zur Islamkritik-Debatte: Warum man Bernd Eichingers Film über den Rapper Bushido, "Zeiten ändern Dich", gesehen haben sollte.

Jens-Christian Rabe

Der Streit um die Islamkritik scheint einigermaßen verhärtet. Während die einen im Islam das Böse schlechthin erblicken und aus einer vermeintlichen Minderheitenposition heraus - rhetorisch - mit der Axt hantieren, beharren die anderen (die sich in der Zeit, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, aber auch im Feuilleton der SZ zu Wort gemeldet haben) darauf, dass man die Spielregeln der liberalen Gesellschaft gerade in diesem Konflikt nicht einfach aufgeben dürfe. So weit, so aussichtslos.

Im Kino: Bushido: Herzliches Miteinander: der ehemalige Bürgerschreck Bushido und Schauspielerin Hannelore Elsner - als seine Mutter.

Herzliches Miteinander: der ehemalige Bürgerschreck Bushido und Schauspielerin Hannelore Elsner - als seine Mutter.

(Foto: Foto: ddp)

Ein Ereignis dritter Art

Mitten in diese etwas verfahrene Situation platzt aber nun ein Film, der ein ganz gewöhnlicher, ästhetisch und dramaturgisch ziemlich misslungener Aufsteiger-Film genannt werden könnte, wenn er im laufenden Streit nicht das Ereignis dritter Art wäre.

Mit "Zeiten ändern dich" haben der Regisseur Uli Edel und der Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger eine Kinoversion des Lebens des 1978 geborenen und in Berlin-Tempelhof aufgewachsenen arabischstämmigen deutschen Rappers Anis Mohamed Youssef Ferchichi alias Bushido vorgelegt - und den Film zur Debatte.

In freier Anlehnung an die 2008 erschienene und zum Bestseller avancierte Biographie des 31-Jährigen ("Bushido") erzählen Edel und Eichinger vordergründig die Geschichte eines Jungen aus kleinen großstädtischen Verhältnissen, der es gegen alle gesellschaftlichen Widerstände bis, nun ja, ziemlich weit nach oben schafft. Und der dann auch noch das Trauma überwindet, das er mit sich herumtrug, seit er als Kind miterleben musste, wie der trunksüchtige Vater die Mutter verprügelte.

Im Kurzinhalt der Produktionsfirma heißt es: "Auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Rapper muss sich Bushido den Dämonen der Vergangenheit stellen. Von wegen: Zeiten ändern sich, Zeiten ändern dich".

Geglücktes Umerziehungsprogramm

Zeiten ändern dich. Ein Buchstabe reicht, um aus einer Plattitüde den Slogan für ein geglücktes Umerziehungsprogramm zu machen. Der Stoff mag also den Anschein erwecken, der Outlaw-Logik des klassischen Western zu folgen: Ein Aufrechter gegen den Rest der Welt. Der Zweck heiligt die Mittel. Ihr glaubt mir nicht, aber ich werde es euch schon noch zeigen. Die Textur des Films erzählt jedoch eine andere Geschichte.

Wir sehen das sich selbst zähmende Andere, also den sozialpolitischen Glücksfall schlechthin. Einen, der sich von den sozialen Realitäten nicht aufhalten lässt, sondern beharrlich seinen Traum verfolgt: "Ich will, dass alle wissen, dass ich da war."

Und einen, der aus dem Sprecher-Off die Szene, in der er mit seiner Mutter die Anschläge des 11. September verfolgt, mit den Worten kommentiert: "Das war bei weitem das Krasseste, was ich je gesehen hatte. Im Angesicht der Katastrophe entstand ein unbändiger Wille zu leben." Erst danach sei er zum Künstler geworden. Ein Musterschüler des späten Unterhaltungskapitalismus.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Horst Seehofer sich nun gerne mit Bushido zeigt.

Im Video: Als Hauptdarsteller sieht sich der selbstbewusste Rapper Bushido vermutlich sowieso des öfteren. Jetzt ist es aber amtlich. Im Film zu seiner Biografie spielt Bushido die Hauptrolle - sich selbst. Am Mittwoch Abend feierte der Film Premiere.

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Vom Bürgerschreck zum Idol

Die Gesellschaft wird dabei bei Eichinger und Edel zum gütigen Komplizen. Erstaunliche Drogen- und Gewaltvergehen werden entdeckt, aber günstig in eine Malerlehre und einen Auftritt im Gefängnis im Stile Johnny Cashs umgewandelt.

Der nagelneue weiße Mercedes, mit dem Bushido im Film beweisen darf, dass man in acht Stunden problemlos von Berlin nach Düsseldorf und wieder zurück fahren kann, ist das unmissverständliche Bild. Und "Zeiten ändern dich" am Ende ein neunzigminütiges Lehrstück in Sachen Auto-Pädagogik.

"Etwas bewegen"

Dass sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beim letzten Deutschen Filmball in einem Münchner Luxushotel gerne mit dem Rapper filmen ließ und später zu Protokoll gab, dass ihn dessen "Zuversicht, sein Optimismus und seine Einstellung, dass man im Leben etwas bewegen kann", beeindruckt habe - das darf nach diesem Film wirklich niemanden mehr wundern.

Die poststrukturalistisch inspirierte Gesellschaftstheorie geht davon aus, dass jede Gruppe bei irgendeinem von außen in sie eingedrungenen Element nach einem Grund für ihr Scheitern sucht. Um schließlich durch dessen Ausschluss ihre Einheit wiederherstellen zu können, die natürlich von vornherein eine Illusion ist. Im Fall Bushido erzählt uns der Film die viel bequemere Version der Integration. Im Protagonisten findet unsere Art zu Leben und zu Denken erst wirklich zu sich. Der von den Islamkritikern gegeißelte grüblerische Vorbehalt gegenüber der eigenen Kultur hat endlich keinen Ort mehr.

"Ich habe diese großen Konzerne vor Augen: IBM, Microsoft, Coca-Cola, Nokia und wie sie alle heißen", schreibt Bushido in seiner Biographie im Kapitel "Ziele des Lebens": "Sich ein eigenes Imperium aufzubauen, das wäre schon was. Ich lese auch viele Biographien von Menschen, die so etwas geschafft haben, um von ihnen zu lernen. Mein Lieblingsbeispiel ist Ikea."

Wie beim Betrügen der Freundin

Und auch sein Freiheitsbegriff ist vorbildlich: "Ein wirklich guter Vater ist aber der, der seinen Kindern das Gefühl gibt, frei zu sein, obwohl sie es gar nicht sind." Es sei wie beim Betrügen der Freundin. Solange man ihr das Gefühl gebe, die Einzige zu sein, sei alles gut: "Alle sind glücklich, auch wenn sie vielleicht nicht die ganze Wahrheit kennen. Solange ich derjenige bin, der über alles Bescheid weiß, ist es doch okay."

Die düsteren Seiten im Werk des einmal als homophober, sexistischer und gewaltverherrlichender Berliner Gangster lancierten Rappers haben im Film dementsprechend einen milden Glanz oder kommen gar nicht vor. Am Ende hat der Protagonist sogar seinen für deutsche Verhältnisse gewöhnungsbedürftigen Ehrbegriff aufgegeben und sich mit dem kranken Vater versöhnt. Dann gibt's auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor für die Mama ein Duett mit Karel Gott. Und am Ende einen Thailand-Urlaub mit Bernd Eichinger und dessen Familie.

Oh, Verzeihung! Das kam nicht mehr vor im Film. Die Reise gab es wirklich. Genauso wie diese DPA-Meldung am Mittwochabend um kurz nach halb neun: Bushido habe zur Premiere seines Films einen dunklen Anzug getragen. Was für ein Glück.

ZEITEN ÄNDERN DICH, D 2010 - Regie: Uli Edel. Buch und Produktion: Bernd Eichinger. Buchvorlage: Bushido. Kamera: Rainer Klausmann. Mit Bushido, Moritz Bleibtreu, Hannelore Elsner, Elyas M'Barek. Constantin, 94 Minuten.

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