Im Kino: Beeswax:Die Geschäfte des Lebens

Jeannie ist von Kindheit an gelähmt, ihre Kollegin will gerichtlich gegen sie vorgehen, ihre Schwester will nach Nairobi: "Beeswax" zeigt junge Leute, ihre Lebensprojekte, Träume und Enttäuschungen.

Fritz Göttler

Sie sind ein tolles Team, Jeannie mit ihrer Kamera, und ihre Zwillingsschwester Lauren in ihrem grünen Ärmelkleid und ihren roten Strümpfen, wie sie frisch und fröhlich modelt vor Jeannies Kamera, unter dem grauen texanischen Himmel, schließlich auf einen Zaun steigt und sich divenhaft streckt. Lass mal sehen, sagt sie und will nach dem Apparat greifen, aber die Schwester wehrt sie ab: Konzentrier dich auf deinen Job ...

Beeswax

Dann nimmt Lauren ihre Schwester huckepack, greift sich den Rollstuhl und zieht mit ihr los: Jeanne und ihre Zwillingsschwester sind ein tolles Team - doch die beiden haben Probleme. 

(Foto: Arsenal)

Jeannie hat gerade Probleme mit ihrer Geschäftspartnerin Amanda, mit der sie einen kleinen Secondhand-Ramschladen betreibt, nun will Amanda womöglich gerichtlich gegen sie vorgehen und Jeannie holt sich Rat bei ihrem Exfreund, der Jura studiert. Lauren jobbt gerade in einer Landschaftsgärtnerei und wird in wenigen Tagen kurzfristig nach Nairobi fliegen, als Englischlehrerin. Es ist das Erbe der Pioniere, dieses Zwischen-den-Zeiten, diese Ruhelosigkeit, diese Ungewissheit, ob man den Ort wirklich gefunden hat, an dem man bleiben will, an den man gehören mag. Dieses immobilis in mobili - Jeannie ist von Kindheit an gelähmt, im Rollstuhl lebt sie auf gleicher Höhe mit den Puppen und den Figuren, die in ihrem Laden aufgestellt sind.

Beeswax, der dritte Film von Andrew Bujalski, spielt in Austin, dem Herzland des Mumblecore-Kinos, wo auch Rochard Linklater lebt, der das Ganze vor vielen Jahren erfand, damals war noch vom Genre der Slacker die Rede. Mumblecore, das meint jenes Murmeln und Nuscheln der Jugend heute, in dem nichts definitiv zur Sprache kommt, diese stockenden, halbfertigen Sätze, in denen Lebensprojekte und -träume und -enttäuschungen durchgekaut werden, all das, was die Geschäfte, das Business des Lebens ausmacht - beeswax ist eine Verballhornung von business.

Bujalski liebt die Teamarbeit, mit seinen Akteuren, die sowieso Freunde oder Kollegen sind - die Geschwister Tilly und Maggie Hatcher zum Beispiel, auf die ihn Chantal Akerman hinwies, als Jeannie und Lauren. Mit Drehbüchern hat Bujalski echt Probleme, "selbst wenn ich ein guter Schreiber wäre", sagt er, "glaube ich nicht, dass ich mich so lang in meinem eigenen Kopf aufhalten könnte. In einem Zimmer eingesperrt sein, und nur deine eigene Imagination leistet dir Gesellschaft, das klingt ganz schön klaustrophobisch für mich." Danke, dass du das mit mir machst, sagt Jeannie spontan, bei der Fotosession mit der Schwester. Dann nimmt Lauren sie huckepack, greift sich den Rollstuhl und zieht mit ihr los.

BEESWAX, USA 2009 - Regie, Buch, Schnitt: Andrew Bujalski. Kamera: Matthias Grunsky. Mit: Maggie Hatcher, Tilly Hatcher, Alex Karpovsky, Katy O'Connor. Arsenal/Institut, 100 Minuten.

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