Im Kino: "Be Cool":Spiel´s noch einmal, Uma!

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Wo Plattenlabels "Nothing to Lose" heißen. John Travolta versucht sich noch einmal als "Get Shorty"-Chili Palmer und entdeckt im Verbund mit Uma Thurman unglaubliche Pulp-Fiction-Potentiale.

FRITZ GÖTTLER

Manchmal kommt eine Melancholie über diesen Film, der man sich nur schwer entziehen kann.

Die hatten wir doch schon einmal auf der Tanzfläche... Gab es da nicht berühmte Szenen in "Pulp Fiction"? (Foto: Foto: dpa)

Wenn etwa ein Dylan-Song plötzlich durch ein nächtliches Haus klingt, "Knockin' on Heaven's Door", und Chili Palmer aufsteht und runtergeht, und da findet er eine Gruppe munterer HipHop-Jungen auf seinen Sesseln, und einer erzählt gleich, dass Dylan diesen Song für einen Peckinpah-Western geschrieben hat, "Pat Garrett and Billy the Kid": die Szene, wenn Slim Pickens in den Armen seiner Frau stirbt ...

Vor zehn Jahren ist Chili Palmer weltweit bekannt geworden, der Held von "Get Shorty", verkörpert von John Travolta.

Ein Kredithai, der auf der Jagd nach einem Hollywoodschauspieler aus Florida nach L.A. zog und vom Filmgeschäft fasziniert wurde.

Nach ein paar Filmen ist es nun, in der Fortsetzung "Be Cool", vorbei mit dieser Faszination - auch deshalb, weil das Kino gegenwärtig voll auf Fortsetzungen fixiert ist, nichts als Sequels erfolgreicher Stücke im Sinn hat.

Kein Wunder, dass man von den guten alten Zeiten träumt mit ihren guten alten Filmen, und dass Chili Palmer ins Musikgeschäft hinübertrudelt, wo er sofort auf eine heiße junge Sängerin stößt, Christina Milian, und auf eine coole Plattenproduzentin, Uma Thurman, die die Firma ihres toten Mannes weiterführt, das NTL Label: Nothing to Lose.

Nothing to lose, das könnte auch ein Motto sein für die Romane von Elmore Leonard, der die Vorlage für "Get Shorty" schuf und angesichts des Erfolgs des Films gleich angehalten wurde, einen weiteren Chili Palmer zu schreiben.

Eine sympathische Entspanntheit zeichnet den Roman aus, die auch der Film gut hinkriegt - selbst mit dem Sequel-Hype geht er ganz lässig um, den Erwartungen ans Pulp-Fiction-Revisited-Potential, das in der Rückkehr von Travolta und Thurman aufs Tanzparkett steckt.

Wenn Chili erstmals das Haus der Witwe aufsucht, irgendwo am Mulholland Drive, liegt sie am Rande der Terrasse, über der großen Stadt, auf dem Bauch hingelümmelt auf einer Liege.

Das Kino ist allezeit präsent in diesem Film, auf eine unaufdringliche Weise, es bringt all die unbewussten Wünsche, unser heimliches Begehren zum Ausdruck - noch der kleinste Möchtegerngangster hat sein Scarface-Plakat im Büro kleben, mit Al Pacino.

Weil das Kino ein riesiges gemeinsames Reservoir an Bildern und Images liefert, stiftet es ungezwungen Verständnis und Kommunikation, die nicht vom Hirn gesteuert wird und deshalb oft ohne Sinn und Verstand ist.

Körperlich groteske und seelisch deformierte Menschen gemeine und brutale Sachen machen lassen, das scheint eine geläufige Definition fürs Kino heutzutage - zumal wenn es sich von Elmore Leonard inspirieren lässt. Gleich am Anfang seines Romans "Be Cool" lässt er Chili den Hollywoodianern die Leviten lesen: "Man muss seine Figuren kennen, und zwar bis in alle Einzelheiten, wie sie frühstücken, was für Schuhe sie tragen... Sobald du weißt, wer sie sind, lassen sie dich wissen, wie sich die Geschichte entwickelt ... Anders gesagt, ich denke mir keine Handlung aus und bevölkere sie dann mit Figuren.

Ich fange mit unterschiedlichen Figuren an und warte ab, in welche Richtung sie mich führen."

Es ist ein angenehmes Gefühl von Orientierungslosigkeit, das man in diesem Film spürt, in der zweiten Hälfte verschwindet Chili aus dem Blickfeld, dann dominieren Harvey Keitel oder Vince Vaughn das Geschehen, dazu die kläglichen Reste einer Russenmafia, die bezeichnenderweise in einem Pfandhaus residieren und denen man ihre Effizienz an den Augen ablesen kann: "Was sagt man einem Mann mit zwei blauen Augen? ... Nichts, man hat es ihm bereits zweimal gesagt ..." Grenzen sind dazu da, damit man sie zu überschreiten versucht, diese große Formel der amerikanischen Gesellschaft wird in diesem Film ständig dekliniert.

Es geht darum, wie man den andern reizt, um bestimmte Reaktionen zu provozieren - und was passiert, wenn man zu weit geht. Die Rap-Gangster spielen braves spießbürgerliches Familienleben, dafür plustert sich Vince Vaughn wie ein Edelrapper auf.

Am schlimmsten trifft es The Rock, der will unbedingt ins Filmgeschäft. Am Ende prangt er über der Stadt, auf einem Plakat neben Nicole Kidman.

© SZ v. 31.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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