Im Kino: Babys:Der Rücken der Dinge

Vier Kinder, die quasi mit der Kamera zur Welt gekommen sind: Was es im Dokumentarfilm "Babys" zu sehen gibt, geht weit über den Niedlichkeitseffekt hinaus.

Fritz Göttler

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Babys - Bilder zu Film

Quelle: Kinowelt

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Vier Kinder, die quasi mit der Kamera zur Welt gekommen sind: Was es im Dokumentarfilm "Babys" zu sehen gibt, geht weit über den Niedlichkeitseffekt hinaus.

Ein tolles Bild, aufregend, abenteuerlich: Eine weite Steppenlandschaft, durch die ein einsames Menschenwesen seinen Weg sucht, im Hintergrund eine Wäscheleine, auf der - Zeichen von Zivilisation, Grenzlandleben - ein paar Hosen und Hemden im Wind flattern, darüber ein Himmel mit gewaltigen, hochgetürmten Wolkenbergen. Bayar heißt der Held dieser Einstellung, ein Mongolenknabe, der neben der elterlichen Jurte tapfer vorankrabbelt - er ist etwa ein Jahr alt.

Text: Fritz Göttler/SZ vom 20.8.2010/Das Foto zeigt Bayar in einer anderen Szene des Films. 

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Der kleine Bayar (Foto) in Bayandchandmani ist eines der vier Babys, die Thomas Balmès in seinem Film "Babys" über Jahre hinweg beobachtet hat, persönlich, selbst die Kamera führend oder, in seiner Abwesenheit, mit Hilfe seiner Freunde und Kollegen. Neben Bayar gibt es noch Ponijao im Dorf Opuwo, Namibia - die beiden repräsentieren das Frühstadium der Zivilisation, noch stark der Natur verbunden -, sowie Mari in Tokio undHattie in San Francisco.

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Was es da zu sehen gibt, geht über den Niedlichkeitseffekt weit hinaus, den (auch selbst gern gefertigte) Erinnerungsaufnahmen haben, "Babys" ist, im besten Sinne, ein Exkursionsfilm, in eine andere Welt. Eine Welt, die allein durch die ungewohnte Perspektive entsteht, die Kamera ist niedriggestellt, meistens am Boden. Und filmt dort das Abenteuer, die Welt zu erfahren, ihre Objekte zu packen, Orientierung zu suchen. Bei Bayar und Ponijao (im Bild) fehlt völlig jene Behütungsideologie, die westliche Eltern manchmal so nervig macht - diese Kinder knabbern dem Bruder schön kräftig am Kopf, sie rumpeln über Ziegen oder bewegen sich unbekümmert zwischen Hunden, die größer sind als sie.

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Abenteuerkindheit, Abenteuer Kindheit. Aber: mit durchaus produktivem Nebeneffekt. "Das Universum neigt zu einem Zustand maximaler Unordnung", schreibt Charles Fernyhough in seinem Buch "Das Kind im Spiegel", "und Kinder sind dazu da, diesen Prozess zu beschleunigen." Der gefährlichste Moment ist, als Hattie im kleinen Plastikauto auf die Plastikbahn eines Spielplatzes gesetzt wird und am Ende prompt aus dem Gefährt purzelt - natürlich ist der Vater da gleich wieder bei ihr.

Im Bild: Bayar aus Bayandchadmani in der Mongolei

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Vier Kinder, die gewissermaßen mit der Kamera auf die Welt gekommen sind, natürlich hat das auch etwas von einem exploitation movie. Aber die Unschuld, die natürliche Grazie dieser Babys erinnert doch daran, was wir durch die Zivilisation und ihre Bewusstheit verloren haben - dieses spontane, mechanische Agieren, diese andere Form der Aufmerksamkeit, den Dingen gegenüber und den Tieren und Menschen.

Im Bild: Hattie mit ihrem Vater Frazer in San Francisco, USA

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Einmal sieht man, wie Bayar (Foto) allein auf dem Bett liegt, dann kommt ein Hahn ins Zimmer stolziert, er springt aufs Bett und paradiert an dem Jungen vorbei - als wär's ein Film von Buñuel.

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Diese Kinder gehören stärker als unserer Menschenwelt jener zauberhaften Welt an, der wir den Rücken zudrehen, die Ernst Bloch in einem kleinen Text der "Spuren" beschreibt - "auf dem Rücken dieser Dinge, als wären sie der verwandteste Schauplatz, hat sich die Kultur angesiedelt".

Im Bild: die Füße der gerade frisch geborenen Mari aus Tokio, Japan

BABYS, F 2009 - Regie, Buch: Thomas Balmès. Mit: Ponijao, Tarererua & Hindere (Namibia), Hattie, Susie & Frazer (USA), Bayar, Mandakh & Purev (Mongolei), Mari, Seiko & Fumito (Japan). Kinowelt, 79 Minuten. Bayar (Bayandchadmani, Mongolei)

© sueddeutsche.de/kar
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