Im Interview: Woody Allen:Schall und Wahn

"Ich bin immer besorgt": Ein Gespräch mit Woody Allen über künstlichen Regen, sonnigen Optimismus, Astrologie und seinen neuen Film "Ich sehe den Mann deiner Träume".

Susan Vahabzadeh

Woody Allen, der am Mittwoch 75 Jahre alt wird, hat sich im letzten Jahrzehnt noch einmal neu erfunden. Er ist immer noch bösartig komisch, aber er dreht vor allem in Europa. Sein neuer Film Ich sehe den Mann deiner Träume, mit Josh Brolin, Naomi Watts, Anthony Hopkins, Gemma Jones und Antonio Banderas in London gedreht, kommt bei uns diese Woche ins Kino. Brolin spielt einen erfolglosen Autor, der seine Frau (Watts) betrügt, die sich ihrerseits in ihren Boss (Banderas) verknallt, sein Schwiegervater (Hopkins) brennt mit einem leichten Mädchen durch - alle straucheln ein wenig, und die meisten fallen dabei auf die Nase.

SZ: Heute scheint die Sonne - das ist nicht gerade die Sorte Wetter, die Sie mögen, oder?

Woody Allen: Das ist schon in Ordnung. Wenn ich im Smoking auf einen roten Teppich raus muss, und es regnet, gefällt mir das auch nicht. Aber es wäre mir schon lieber, es wäre bewölkt.

SZ: Es gibt eine großartige Regen-Szene in Ich sehe den Mann deiner Träume - wenn Josh Brolin sich das erste Mal mit Freida Pinto trifft ...

Allen: Das ist ja aber künstlicher Regen. Echten Regen kann man nicht filmen. Es ist so schwierig, Regen auszuleuchten. Und dann hat man Wasser auf der Linse der Kamera. Die Schauspieler sollen nass sein, sonst nichts. Selbst wenn man einen Regentag erwischt, muss man für einen Film künstlichen Regen machen. Regen ist hübsch, und sehr romantisch. Ich würde sehr gerne einen Film drehen, in dem es die ganze Zeit regnet - aber das ist zu teuer. Ich habe ein Drehbuch geschrieben, "New York in the Rain", aber ich kann den Film nicht machen. Da kann man ja wirklich nur an grauen Tagen drehen. Aber die Atmosphäre zwischen den Figuren wird intimer, wenn sich ein Mann und eine Frau so treffen. Aus demselben Grund, aus dem Mann bei einem romantischen Abendessen nicht das Licht aufdreht. Sonnenlicht ist unattraktiv.

SZ: Mögen Sie die Figuren, die Sie erfinden?

Allen: Ich überlege eigentlich nie, ob ich sie mag, sondern nur, ob ich sie unterhaltsam finde. In diesem Film tut mir Antony Hopkins' Figur leid, der arme Kerl, der ausgenommen wird, und die Figur von Josh Brolin - ein vielversprechender Autor, und dann bekommt er nie wieder etwas auf die Reihe.

SZ: Na ja, Sie haben sie ja selbst so erfunden - und entschieden, so ziemlich alle im Fegefeuer enden zu lassen.

Allen: Die meisten Menschen verbringen ihr ganzes Leben im Fegefeuer - wir kennen unser Schicksal nicht, schaffen es nicht, unsere Verhältnisse zu ordnen. Und dann gibt es vereinzelte Glückskinder, die tatsächlich an etwas glauben. Es kann so grotesk sein wie das, was Josh Brolins Schwiegermutter glaubt...

SZ: ... Gemma Jones, die zu einer Hellseherin geht ...

Allen: ... aber wenn man an irgendetwas glaubt, hilft es immer. Fast alles, woran Menschen glauben, sind Wahnvorstellungen, aber das macht nichts. Der Fernseh-Evangelist Billy Graham hat gesagt, sogar wenn ich recht habe, und es keinen Gott gibt und das Leben sinnlos ist, und er unrecht hat - dann hat er immer noch das bessere Leben als ich. Und wissen Sie was? Das stimmt. Er hat seinen Glauben, er sieht alles mit sonnigem Optimismus, er hat nie Angst, das ist doch ein schönes Leben. Ich bin immer besorgt.

SZ: Aus eigener Erfahrung würde ich sagen: Da kann man nichts machen, sonniger Optimismus lässt sich nicht künstlich herstellen.

Allen: Genau, so wird man geboren oder nicht, das ist wie mit einem Ohr für Musik, das hat man oder man hat es nicht.

SZ: Da hilft keine Therapie ...

Allen: So ist es.

SZ: Würden Sie die Gesellschaft von Gemma Jones' Figur aushalten?

Sie ist ja eine ältere Variante der Freundin, die Sie Sydney Pollack in Husbands and Wives aufs Auge gedrückt haben ...

Allen: Die redet auch von Astrologie, das sind die ersten Anzeichen, in den USA zumindest, an denen man diese dämlichen jungen Schauspieler und Schauspielerinnen erkennt, dass sie von gesunder Ernährung und Quacksalberei faseln. Die dümmsten Dinge, die man im amerikanischen Gesellschaftsleben aushalten muss, haben mit Quacksalberei, Astrologie, New-Age-Quatsch zu tun.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wovon bei Woody Allen Geschichten handeln müssen.

Gerede, Gefasel, Streit

SZ: In "Ich sehe den Mann deiner Träume" machen sich zwar alle etwas vor, aber die meisten Figuren werden damit nicht glücklich - zum Beispiel der alternde Alfie, der von Anthony Hopkins gespielt wird.

Allen: Er wird sich der Endlichkeit seines Lebens bewusst und kriegt Angst - und verlässt seine Frau, weil sie ihm die ganze Zeit die Wahrheit sagt: Du bist kein junger Mann mehr.

SZ: Exerzieren Sie an Ihren Figuren die Fehler durch, die Sie selbst zu vermeiden versuchen?

Allen: So weit geht es nicht. Aber eine Geschichte, die mich interessieren soll, muss schon von Dingen handeln, die mich betreffen. Eine Geschichte über Fischer in einer Kleinstadt, die von einem Immobilienhai ruiniert werden, kann ich nicht erzählen.

SZ: Ein bisschen haben Sie sich ja aber aus Ihrem angestammten Gehege herausgewagt - Sie drehen seit einigen Jahren kaum mehr in Ihrer Heimatstadt New York, sondern in Europa.

Allen: Es ist für mich leichter, die Filme zu finanzieren, wenn ich in Europa drehe. Ich kriege in Amerika schon das Geld, um einen Film zu drehen, so ist es nicht. Aber damit ich es bekomme, muss ich das Script vorlegen und über die Besetzung verhandeln. In Europa gibt es kein Studiosystem, wenn sich hier jemand entscheidet, einen Film zu finanzieren, verwechselt er sich deswegen nicht mit einem Filmemacher. Ich werde in Europa nicht mal gefragt, wer mitspielt. Das sind glückliche Banker. In Amerika sagen einem Produzenten immer als Erstes, sie seien keine Banker. Also arbeite ich hier in Europa.

SZ: Sie haben Ihre Filme über weite Strecken Ihrer Karriere aus dem Studiosystem herausgehalten. Stimmt es, dass Sie das wegen der Erfahrung mit Was gibt's Neues, Pussy 1966 gemacht haben?

Allen: Ich wurde damals angeheuert, ein Drehbuch zu schreiben, und dann - ich konnte dagegen nichts unternehmen - haben sie daraus einen entsetzlichen Film gemacht. Er war kommerziell erfolgreich, aber mir war er peinlich. Da habe ich beschlossen, dass ich nur noch Filme mache, wenn ich selbst Regie führe. Das ist der reine Selbsterhaltungstrieb. Ich will nicht an etwas arbeiten und dann einen Schock kriegen, wenn ich das Ergebnis sehe.

SZ: Also ist Was gibt's Neues, Pussy, wenn Sie nur deswegen Regisseur geworden sind, ein Meilenstein der amerikanischen Filmgeschichte!

Allen: Ja. Irgendwie. So wie Pearl Harbor ein Meilenstein war in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs.

SZ: Sie zitieren in "Ich sehe den Mann deiner Träume" Macbeth - "life is a tale of sound and fury, signifying nothing", das Leben ist eine Fabel voll Schall und Wahn, die nichts bedeutet.

Allen: Das ist doch auch alles - Gerede, Gefasel, Streit. Wenn man sich die enormen Kontroversen anhört, die es gibt, die ungeheure Wichtigkeit, die etwas beigemessen wird - und sich dann vorstellt: Einer drückt einen Knopf, und hundert Jahre später wurde die gesamte Besetzung der Welt ausgetauscht. Ist das nicht absurd, wenn man darüber nachdenkt, während mit ungeheurem Getöse darüber geredet wird, ob es was bringt, wenn man hier oder dort einen Krieg anfängt oder mit seinem Film nach Cannes fährt? Und zack: Dann legt eine neue Gruppe von Idioten los. Und dann drückt wieder einer den Knopf. Wie eine Klospülung. Alles ist gleichmäßig bedeutungslos, vom Terrorismus bis zu der Frage, ob mein Smoking rechtzeitig für eine Filmpremiere aus der Reinigung kommt. Nur Schall und Wahn.

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