Im Gespräch: Thomas D.:"Sterben ist erblich"

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Der da: Thomas D. von den Fantastischen Vier ist zurück, ein Soloalbum im Gepäck. Mit sueddeutsche.de sprach der Rapper über Castingshows und sein Leben nach dem Tsunami.

Sarah Stendel

Das Lachen von Thomas D. schallt durch die Gänge eines Münchner Radiosenders, lange bevor man die obligatorische markante Hornbrille zu Gesicht bekommt. Im lila T-Shirt wirkt er immer noch so frisch wie 1992 im "Die Da"-Video der Fantastischen Vier . Aber Thomas D. ist doch ein anderer geworden: Schmunzelnd zeigt er ein Foto von seiner kleinen Tochter in die Runde, bevor es losgehen kann.

Seine Tochter Lya (5) ist sich nicht sicher, ob sie mal Eisprinzessin oder Meerjungfrau werden will. Thomas D. wäre beides recht. (Foto: Foto: Dominik Plüs)

sueddeutsche.de: Sie haben 2004 in Khao Lak Urlaub gemacht und sind zusammen mit Ihrer Frau und Ihrer damals eineinhalbjährigen Tochter von der riesigen Tsunami-Flutwelle überrascht worden. In dem Song "An alle Hinterblieben" auf Ihrem neuen Soloalbum verarbeiten Sie erstmals diese Erfahrung, davor war nicht einmal bekannt, dass Sie damals dort waren. Warum haben Sie so lange damit gewartet?

Thomas D.: Die Idee, ein Stück zum Thema Trauer und Verlust zu machen, kam zum ersten Mal in der Verarbeitungsphase des Tsunami auf. Wir haben damals wie durch ein Wunder überlebt. Ich hatte meine Tochter im Arm und wurde von meiner Frau getrennt und wir sind später Kilometer entfernt nur einige Meter voneinander entfernt wieder aufgetaucht und konnten uns zusammen in Sicherheit bringen. Wir sind dann sofort nach Hause geflogen und haben erst am Fernseher in einem Hotelzimmer das ganze Ausmaß der Katastrophe mitbekommen. Da sah man dann viele Promis, die Sätze fallen ließen wie "Wir hatten Glück, dass unsere Villa etwas weiter oben lag" und so taten, als hätten sie etwas Schlimmes erlebt. Das empfand ich als wahnsinnig dreist, und ich dachte mir, dass ich mich da besser raushalte. Aber ich wollte dann doch noch ein Lied schreiben, das die Menschen in ihrer Trauer abholt und hilft, diese zuzulassen und auch, wieder in die Welt, ins Leben zurückzufinden. So ist "An alle Hinterbliebenen" entstanden.

sueddeutsche.de: In dem Song "Neophyta" auf ihrem neuen Album gibt es eine Textzeile, die heißt: "Leben ist endlich, Sterben ist erblich. Die Zeit ist begrenzt." Machen Sie sich oft Gedanken über Sterblichkeit?

Thomas D.: Ich finde, dass man sich über den Tod Gedanken machen sollte, solange man lebt. Es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, dass er zum Leben gehört. Aber in dem Song geht es ja eben auch darum, den Augenblick zu nutzen und zu leben. Lieben und Loslassen ist eine große Lektion, die wir im Leben lernen müssen. Meine Tochter ist jetzt fünf, da hab ich noch so zirka 10 Jahre Zeit, um das Loslassen zu lernen. Obwohl das jetzt schon losgeht, jetzt kommt ja bald das größte Übel: die Schule!

sueddeutsche.de: Wieso ist die Schule ein Übel?

Thomas D.: Weil der Tag dann viel strukturierter sein muss. Wenn ich sie jetzt zum Kindergarten bringe, muss sie vielleicht um halb zehn da sein. Aber die Schule fängt viel früher an. Ich bin doch nicht Rockstar geworden, um 6.30 Uhr aufzustehen! Jetzt bin ich Vater geworden und plötzlich muss ich's. Ein Horror, echt.

sueddeutsche.de: Haben Sie denn das Gefühl, ein Rockstar zu sein?

Thomas D.: Das wäre toll! Aber ich mach ja keinen Rock, ich mach ja nicht mal richtigen Hip-Hop. Dann vielleicht Popstar, aber das ist man ja heutzutage erst, wenn man auf Pro 7 von Sido dazu gewählt wird. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, mehr angekommen zu sein. Ich will aber noch Großes reißen. Stadien füllen wie Grönemeyer zum Beispiel.

sueddeutsche.de: Alleine oder mit den Fantastischen Vier?

Thomas D.: Mit Fanta 4 nicht. Wir machen zwar auch immer weiter, aber die Band selbst glaubt schon seit '93, dass es unser letztes Jahr ist. Das klappt aber nie, es kommt immer irgendetwas dazwischen, meistens ein neues Album.

Lesen Sie weiter auf Seite zwei, warum Thomas D. Castingshows liebt.

sueddeutsche.de: Apropos Sido auf Pro7: In dem Song "15 Minutes of Fame" teilen Sie Seitenhiebe auf Castingshows aus. Ihr Manager, Bär Läsker, ist allerdings Jurymitglied bei DSDS - wie passt das zusammen?

Thomas D.: Der Bär hat ja eigentlich nur die Aufgabe, uns mit der Industrie zusammenzubringen, er verbindet Musik und Marken. Das hat rein gar nichts mit Kunst zu tun. Er macht das Geschäft und redet uns nicht in die Kunst rein. Ich würde auch nie da sitzen können, in so einer Jury, denn ich könnte nur das Künstlerische beurteilen und nicht, ob sich etwas verkaufen lässt. Aber ich sag ja auch gar nicht, dass man zu solchen Castingshows nicht hingehen soll, ich sage nur, dass man es nicht zu ernst nehmen soll. Eine Karriere ist lebenslange Arbeit und jeder Schritt ist entscheidend, nicht nur der erste. Aber ich guck die Shows schon gerne und amüsiere mich immer königlich.

sueddeutsche.de: Im Dezember gehen Sie alleine mit dem neuen Album auf Tour. Was wird der Unterschied zu einer Tour mit der Band sein?

Thomas D.: Ich habe viele kleinere Klubs gebucht. Ich will eine Atmosphäre haben, die man als Zuschauer auch greifen kann. Da gibt's kein Konzept. Die Leute sollen danach einfach verschwitzt und leicht angetrunken in die Nacht taumeln und hoffentlich ein bisschen mehr, als nur einen schönen Abend mitgenommen haben. Ich bin gespannt und freue mich schon riesig darauf, zum Beispiel "Rückenwind" so oft zu performen, bis es mir zum Hals raushängt.

sueddeutsche.de: Wird es auch im Alter von 60 Jahren einen Thomas D. geben, der oben ohne auf der Bühne herumspringt und seine neuesten Tattoos präsentiert?

Thomas D.: Bestimmt, aber da gucken dann alle weg! Ich will definitiv so lange Musik machen, wie ich mich danach fühle. Vielleicht wollen mich die Leute irgendwann nicht mehr sehen, oder ich kriege im Altersheim keinen Ausgang mehr.

sueddeutsche.de: Im Dezember werden Sie 40. Ist dieser Geburtstag etwas Besonderes für Sie?

Thomas D.: Eigentlich ist es nicht so besonders. Obwohl ich mal gehört habe, dass alle Leute, die einen runden Geburtstag haben, so tun, als sei es nichts Besonderes. Nein, ich will schon ganz groß feiern. Es soll eine mehrtägige Mottoparty werden. Ich weiß nur noch kein Motto ...

sueddeutsche.de: Sie leben in einer ländlichen Kommune in der Eifel - wie kann man sich das vorstellen? Kümmert sich jeder um die Kinder des anderen?

Thomas D.: Schön wär's. Das habe ich letztens vorgeschlagen! Wir sind drei Kinder und vier Erwachsene, da könnte doch immer ein Erwachsener alle Kinder haben. Aber nein, die anderen waren dagegen. Es ist sehr ländlich dort, wir haben zwei Schweine, einen Stall und eine Scheune, die jetzt allerdings gerade zum Musikstudio umgebaut wird. Die anderen Jungs von den Fantastischen Vier verbringen übrigens auch ganz gerne Zeit bei uns auf dem Land. Das erste Probenwochenende vor einem neuen Album findet traditionell in der Eifel statt.

sueddeutsche.de: Nächstes Jahr feiern Sie 20-jähriges Band-Jubiläum mit den Fantastischen Vier. Wenn Sie zurückblicken, welcher Moment in Ihrer Karriere ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Thomas D.: Uh, schwer. Schwimmbadclub in Heidelberg kurz nach "Die da" vielleicht. In das Teil passen normalerweise 300 Leute rein und 1500 standen davor. Das war so ein Moment, in dem wir gedacht haben: "Wow, jetzt haben wir's geschafft!". Oder das erste Mal in der Stuttgarter Schleyerhalle vor 8000 Menschen. Vier Jahre davor war ich nämlich selbst dort bei einem Konzert von Peter Gabriel und hatte eine Vision: Ich wusste, dass ich auf der falschen Seite stand! Der Peter Gabriel hatte frische Luft, Getränke und alle haben ihn angeguckt. Und ich stand in der schwitzigen Menge, war viel zu klein, konnte nichts sehen und wusste: Ich muss auch da hoch. So ist es dann auch gekommen.

Thomas D. heißt mit bürgerlichem Namen Thomas Dürr und wurde am 30. Dezember 1968 in Ditzingen geboren. Anfang der neunziger Jahre wurde er mit der Hip-Hop Band "Die fantastischen Vier" bekannt und verhalf dem deutschen Rap zur Mainstream-Tauglichkeit. Dürr ist seit 2003 verheiratet und lebt mit seiner Frau und den Kindern Lya (5) und Max (acht Monate) in einer Kommune auf dem Land in der Eifel. Sein drittes Soloalbum "Kennzeichen D" ist soeben erschienen.

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