Im Gespräch: Steven Soderbergh:"Che hätte mich gehasst"

Regisseur Steven Soderbergh spricht über den Revolutionär Che Guevara, die eigenen Kämpfe und die verlorene Größe Hollywoods.

Tobias Kniebe

Von den Hochglanz-Panzerknackern der "Ocean's"-Filme über "Traffic", sein hochpolitisches, oscargekröntes Fresko des Anti-Drogen-Kampfes, bis hin zum Low-Budget-Guerillakino - keine Welt und kein Genre scheint dem Regisseur Steven Soderbergh fremd zu sein. Der 46-Jährige, der oft auch sein eigener Kameramann und Cutter ist, scheut weder Experimente noch Provokationen gegen den Massengeschmack - aber im Gespräch merkt man auch, dass all diese Kämpfe gegen ein zunehmend risikoscheues System nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind.

Im Gespräch: Steven Soderbergh: Steven Soderbergh: "Manchmal spüre ich jetzt doch, dass ich nicht mehr am Beginn meiner Karriere bin - es geht eher in Richtung Ende."

Steven Soderbergh: "Manchmal spüre ich jetzt doch, dass ich nicht mehr am Beginn meiner Karriere bin - es geht eher in Richtung Ende."

(Foto: Foto: ap)

SZ: Bevor Sie mit Che Guevara begannen, wussten Sie nach eigenem Eingeständnis fast nichts über den Mann. Woher kam also die Initialzündung?

Steven Soderbergh: Von Benicio Del Toro. Als wir "Traffic" zusammen drehten, erzählte er mir von seinen Plänen, Che zu spielen. Ich hatte gerade "Erin Brockovich" fertiggestellt - und das Glück erlebt, das eine richtige Schauspielerin in der richtigen Rolle zur richtigen Zeit bedeuten kann: Julia Roberts. So etwas wollte ich gern noch einmal schaffen, und ich dachte mir, mit Benicio und Che könnte dieselbe Magie passieren. Also sagte ich zu - nicht ahnend, dass die ganze Sache dann acht Jahre meines Lebens in Anspruch nehmen würde.

SZ: Wie haben Sie sich der Figur Che Guevara genähert?

Soderbergh: Nicht besonders emotional, eher voll intellektueller Neugier. Das Gute daran war, dass ich keine fixen Vorstellungen hatte, dass ich mich ohne Vorurteile in die Recherche stürzen konnte. Dabei hat mich dann mehr und mehr der physische Aspekt fasziniert, diese ganze Logistik des Guerillakampfs: Wie es wohl gewesen sein muss, im Dschungel zu leben und Revolution zu machen, Tag für Tag. Eine Gruppe zusammenzuhalten und auf das Ziel fokussiert zu bleiben, wenn es um Leben und Tod geht. Das hat mich dann mehr interessiert als die großen philosophischen Ideen.

SZ: Trotzdem muss man sich doch fragen, warum Che bei der Jugend immer noch so präsent ist . . .

Soderbergh: Der Witz ist natürlich, dass jeder, der sich näher mit ihm beschäftigt, das Che-T-Shirt sofort ausziehen müsste. Che selbst würde statt Bewunderung konkrete Taten fordern. Außerdem machen sich diese jungen Menschen natürlich nicht klar, dass er harter Marxist-Leninist war - und wie das Leben in einer Gesellschaft nach seinen Vorstellungen wohl aussehen würde. Es wäre kein Spaß, so viel ist mal sicher. Was man aber bei ihm nicht mal aussprechen dürfte, ohne sofort im Gefängnis zu landen. Auf der anderen Seite ist klar: Ja, Che hat korrupte Regimes bekämpft, er war furchtlos, er war schön, und er starb für eine Sache, an die er mit Leidenschaft geglaubt hat. Je mehr man über ihn weiß, desto mehr lernt man dann auch, ihn auf neue Art zu respektieren.

SZ: Interessant ist auch die Frage, was Che wohl von Ihnen gehalten hätte - von einem Filmemacher aus dem Herzen des Imperialismus . . .

Soderbergh: Kein Zweifel - er hätte mich gehasst. Ich stehe doch für alles, was er bekämpft hat. Darüberhinaus sah er die meisten Kunstformen als dekadent an, Film taugte ihm allenfalls als Propagandamittel.

SZ: Wegen des US-Embargos durften Sie nicht in Kuba drehen, aber Recherchen und Interviews mit Ches Weggefährten führten Sie öfter ins Land. Gab es Probleme mit offiziellen Stellen?

Soderbergh: Überhaupt nicht. Die Familie und das Che-Zentrum in Havanna haben uns den Zugang zu allen Quellen ermöglicht, ohne irgendwelche Bedingungen. Es muss hart für sie gewesen sein, keinerlei Kontrolle über das Ergebnis zu haben.

SZ: Man hat Ihnen vertraut?

Soderbergh: Das weiß ich nicht. Sie haben auch bis heute nicht auf den Film reagiert. Am Ende dachten sie wohl, wenn das Projekt so oder so realisiert wird, dann doch besser auf Grundlage des historischen Materials. Und vielleicht kam rüber, dass wir es mit dem Respekt vor den Fakten ernst gemeint haben.

SZ: Bei den Dreharbeiten im Dschungel von Puerto Rico und Mexiko vertrauten Sie auf eine neue Digitalkamera, der Sie - passend zum Gegenstand - geradezu revolutionäre Eigenschaften zuschreiben . . .

Soderbergh: Das ist die sogenannte Red-Kamera, mit der ich seither gleich noch zwei weitere Filme abgedreht habe. Es fühlt sich wirklich so an, als sei diese Kamera eigens für mich erfunden worden: Dieser neue Digitalsensor sieht das Licht genauso, wie meine Augen es sehen. Man kann damit an Orten drehen, wo man mit herkömmlicher Technik niemals hinkäme. Und es steckt ein genialisches Team von Konstrukteuren dahinter - das Ding wird von Film zu Film immer besser.

SZ: Kollegen wie Steven Spielberg allerdings trauern auch den besonderen Eigenschaften des Filmmaterials nach, das nun verschwinden wird.

Soderbergh: Ach wissen Sie, da trauere ich ganz anderen Dingen nach. Zum Beispiel dieser großen Zeit des amerikanischen Kinos, als die besten Filme auch gleichzeitig die erfolgreichsten waren. Diese Phase zwischen 1967 und 1977, die man gemeinhin "New Hollywood" nennt, hat einige der besten Filme überhaupt hervorgebracht - und die Menschen gingen auch noch scharenweise rein. Damals sah es doch kurz so aus, als ob tatsächlich alles möglich wäre. Und es gab diese kreative Freiheit. Das ist es, was ich heute am meisten vermisse - aber doch nicht diese alten Filmrollen!

SZ: Wird diese Freiheit jemals wiederkehren?

Soderbergh: Keine Chance, das ist unwiederbringlich vorbei. Es gab einfach nur diese kurze Phase der Offenheit, als die Geldgeber es plötzlich aufregend fanden, Risiken einzugehen. Das gibt es nicht mehr. Einzelne Finanziers wagen noch etwas - aber die großen Filmfirmen? Vergessen Sie's. Ich weiß schon, mein Job als Filmemacher ist es, stark zu bleiben und meiner Vision zu folgen - aber es gibt heute so verdammt viele Stimmen, die mitreden wollen, die sich einmischen, die nichts anderes tun, als dich Tag für Tag immer weiter in Richtung Mittelmäßigkeit und Kompromiss zu drängen. Es wird immer schwerer, dagegen Widerstand zu leisten.

SZ:Aber sind Sie nicht doch sehr gut darin, die Ohren auf Durchzug zu schalten? Allein schon Ihre Entscheidung, die Che-Filme auf Spanisch zu drehen . . .

Soderbergh: Ich versuche es. Aber mit dieser Entschlossenheit, den eigenen Überzeugungen zu folgen, balanciert man natürlich auf einem schmalen Grat. Che war zum Beispiel nur dort ein Erfolg, wo wir die lange Fassung gezeigt haben - also beide Teile direkt hintereinander. Falls Sie die Chance haben, schauen Sie sich also das Double-Feature an - es kommt unseren Ideen am nächsten.

SZ:Täuscht es, oder klingt da eine gewisse Erschöpfung in Ihrer Stimme?

Soderbergh: Wenn ich zu viele Filme mache, die am Ende niemand sehen will, mache ich irgendwann gar keine Filme mehr. Das ist einfach so. Und ja, manchmal spüre ich jetzt doch, dass ich nicht mehr am Beginn meiner Karriere bin - es geht eher in Richtung Ende.

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