Im Gespräch: Sam Taylor-Wood:"Ich weiß, dass ich alleine durchkomme"

Die Künstlerin Sam Taylor-Wood hat gerade einen Film über den jungen John Lennon gedreht, in den Schlagzeilen ist sie aber vor allem wegen ihres 23 Jahre jüngeren Freundes.

Antje Wewer

Sam Taylor-Wood wurde 1967 im Londoner Vorort Croydon geboren und wuchs mit ihrer Mutter in einer Kommune in Sussex auf. Nach der Schule studierte sie "Fine Arts" am Goldsmiths College und zählt neben Damien Hirst, Tracey Emin oder den Chapmann Brüdern zu der Künstlergeneration der "Young British Artist". Bis 2008 war sie mit dem Galeristen Jay Jopling, dem Besitzer der White Cube Gallery, verheiratet. Das Paar hat zwei Töchter und fehlte zu ihren besten Zeiten auf keiner Londoner Jet-Set-Party. Neben ihren Fotoarbeiten ist Taylor-Wood besonders bekannt für ihre Videoarbeiten. Für Aufsehen sorgten "Sleeping David", ein Video des schlafenden David Beckham, oder die Serie "Crying Men", für die sie Prominente wie Benicio del Toro oder Jude Law beim Weinen filmte. Ihr erster, hoch emotionaler Kinofilm "Nowhere Boy" läuft gerade bei uns in den Kinos. Er erzählt von den Liverpooler Jugendjahren von John Lennon und der Gründung der "Beatles". Lesen Sie Auszüge aus dem Gespräch mit der SZ am Wochenende vom 24./25./26.12.2010.

Nowhere Boy - London Film Premiere Inside Arrivals

Aaron Johnson und Sam Taylor-Wood sind ein Paar - mir einem ziemlich großen Alterabstand. Warum sollte mir die Liebe Angst machen? Ob ihr das Angst macht? "Ich sage Ihnen, was mir Angst bereitet: durch Krankenhaustüren gehen. Oder dass der Krebs, an dem ich schon zweimal erkrankt bin, wiederkommt."

(Foto: Getty Images)

SZ: Da sind Sie ja.

Sam Taylor-Wood: Entschuldigen Sie meine Verspätung. Aber wir Londoner reagieren auf Schnee mit Hysterie. Die Taxifahrer verlangen Aufpreise, die U-Bahn streikt. Dafür habe ich Ihnen diese hier mitgebracht.

Gezwitscherte Entschuldigung, das Wetter und dann noch Mince Pies: Es ist schwer, Engländern etwas nachzutragen.

Nun ja. Wir Engländer können ja auch bösartig sein. Denken Sie nur an unsere Klatschpresse.

Wenn Sie es schon ansprechen: Gerade sind Sie beliebtes Ziel der Tabloids. Sie, eine der arriviertesten Künstlerinnen des Landes, und Ihr 23 Jahre jüngerer Liebhaber.

Vor allem Männer sind ganz irritiert.

In Amerika hat man für den weiblichen Teil einer solchen Konstellation sogar ein neues Wort erfunden: "Cougar", Puma.

Dabei war ich alles andere als auf Beutezug. Ich habe mich in den Hauptdarsteller meines ersten Films verliebt, und er sich in mich. Und dann haben wir ein Kind bekommen. Die meisten Frauen über Vierzig haben mir gratuliert. Nur die Angsthasen spekulieren: Oh Boy, wird das auf Dauer funktionieren? Keine Ahnung, weiß ich doch auch nicht. Sich verlieben ist jedenfalls etwas Positives, es setzt Energie frei, und ob Sie es mir glauben oder nicht, mir ist inzwischen ganz egal, was ,die Leute' so alles von mir denken.

11 Jahre lang galten Sie und Ihr Ex-Mann Jay Jopling als Traumpaar. Und als mächtigstes Duo der britischen Kunstszene. Er: Eton-Absolvent, Sohn aus altem Adel und Supergalerist. Sie: Turnerpreisnominierte Künstlerin aus der Arbeiterklasse

Klingt glamourös, was?

Das war es auch. Zusammen haben Sie Anfang der Neunziger den Hype um die "Young British Artists" mitbegründet. Und viele, viele Millionen verdient.

Jopling vertritt bis heute die wichtigsten Protagonisten: Damien Hirst, Tracey Emin oder die Chapman-Brüder. Für mich war es auch anstrengend, mit einem solchen "Über"-Galeristen verheiratet zu sein. Immer hatte ich das Gefühl, dass ich mich vor den Leuten doppelt beweisen muss: Kann sie wirklich was? Oder werden ihre Arbeiten nur ausgestellt, weil sie Joplings Ehefrau ist? Abgesehen davon: Am Ende hat meine Ehe nur noch auf dem Papier funktioniert. Was hat mir das genützt? Gar nichts.

Die Klatschblätter haben mit Genuss über Ihren Rosenkrieg berichtet.

Klar. Und darüber, dass Jay Jopling ein Verhältnis mit der jungen Sängerin Lily Allen begonnen hat. Tatsächlich, who cares? Seit der Scheidung benehmen wir uns jedenfalls endlich wieder wie erwachsene Menschen. Wir haben es geschafft, Freunde zu bleiben. Er vertritt mich nach wie vor als Künstlerin in seiner "White Cube Gallery". Bei der London-Premiere meines Films saß er in der Familienreihe. Wir verbringen regelmäßig die Wochenenden gemeinsam. Eine solche entspannte Patchwork-Situation ist mir allemal lieber als eine Familie, in der Vater und Mutter nur noch nach außen eine Einheit sind. Die harte, aber zum Glück kurze Zeit des Trennungschaos habe ich dafür in Kauf genommen.

Wie wird das Patchwork-Modell in Londoner Kreisen gehandhabt? In Berlin ist das Modell "Sieben/Sieben" sehr beliebt: Eine ganze Woche sind die Kinder bei der Mutter, dann beim Vater.

Keine Ahnung, wie andere Mütter das machen. Bei uns funktioniert das sehr spontan, auf Zuruf. Die Kinder leben bei mir, ich habe Hilfe, und wenn Jay Zeit für sie hat, kommt er vorbei oder holt sie ab. Wir wohnen nah beieinander.

Und Weihnachten?

Werden wir alle zusammen feiern und an die 25 Leute sein. Nicht nur Familie, sondern auch der jeweilige Anhang und Freunde sind eingeladen. The more, the merrier: Das ist eine gute Strategie, um familiären Spannungen vorzubeugen. Ansonsten werde ich an den Feiertagen zum Traditionalisten, es gibt das volle Programm: Lametta-Baum, Braten, Knallbonbons, selbst gebastelte Weihnachtshütchen. Und wieder Mince Pies.

Klingt ja fast zum Schreien harmonisch.

Vielleicht erklärt sich die Harmonie auch dadurch, dass es bei Jopling und mir keine Schuldzuweisung gab? Die Beziehung hat nicht mehr funktioniert, wir beide haben es fast zeitgleich gemerkt und die Konsequenzen gezogen. Neue Partner gab es erst viel später. Und jetzt wache ich wieder jeden Morgen glücklich auf.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wovor Sam Taylor-Wood tatsächlich Angst hat.

"Ich liebe Direktheit"

Der Grund ist Aaron Johnson, der Hauptdarsteller Ihres Debütfilms "Nowhere Boy", der gerade in den Kinos läuft. Hübscher Junge. Haben Sie sich während des Drehs verliebt?

Nein, hinterher. Als er zum Casting kam, habe ich allerdings sofort gedacht: "Das ist er." Aber ich musste sehr für ihn kämpfen, die Produzenten hätten die Rolle lieber mit einem Star wie Jude Law besetzt.

Er ist 20, Sie sind 43. Macht Ihnen diese Situation manchmal Angst?

Warum sollte mir die Liebe Angst machen? Ich sage Ihnen, was mir Angst bereitet: durch Krankenhaustüren gehen. Oder dass der Krebs, an dem ich schon zweimal erkrankt bin, wiederkommt.

(...)

Sie sind in einer kaputten Familie groß geworden. Ihr Vater, ein Motorrad-Freak, verließ Sie, als Sie neun Jahre alt waren. Ihre Mutter, Astrologin und Yoga-Lehrerin, zog Sie in einer Hippie-Kommune groß. Seit Sie 15 Jahre alt sind, sorgen Sie für sich selber.

Das hatte Vor- und Nachteile. Seither weiß ich, dass ich alleine durchkomme. Und ich liebe Direktheit. Meine Kindheit wurde von der ständigen Heimlichtuerei meiner Mutter geprägt, nie wusste ich, was als nächstes passiert. Wenn Kinder Mutmaßungen anstellen müssen, werden die Dinge für sie oft größer und bedrohlicher, als sie es in Wahrheit sind.

In "Nowhere Boy" erzählen Sie die Geschichte des Beatles John Lennon. Und konzentrieren sich dabei auf das schwierige Verhältnis zu seiner Mutter. Arbeiten Sie da Ihre eigene Geschichte ab?

Wahrscheinlich. Als klar war, dass der inzwischen verstorbene Anthony Minghella mit mir einen Film produzieren will, begann ich, unendlich viele Drehbücher zu lesen. Keines berührte mich. Ich dachte schon, dass es vielleicht daran liegen könnte, dass ich die Dinger falsch lese. Bis ein Freund mir "Nowhere Boy" empfahl. Mich hat Lennons Beziehung zu seiner Mutter, die ihn als Kleinkind verließ, und die er erst als Teenager wiedertraf, sehr berührt. Meine Geschichte verlief anders, aber auch ich wurde als Kind von meiner Mutter verlassen, war wütend und gekränkt und habe aus diesem Gefühl viel Energie für meine Künstlerkarriere geschöpft.

Dann stimmt das Diktum, dass ein Künstler gelitten haben muss, um kreativ zu sein?

Darüber habe ich oft nachgedacht.

Es ist eine der naheliegendsten Fragen der Kulturkritik.

Ganz offensichtlich wäre ich ohne die Krisen, das Leid oder meine Krebserkrankung nicht der Mensch, der ich jetzt bin. Und ja, die bitteren Erfahrungen geben kreativ arbeitenden Menschen wie mir sicherlich Tiefe. Andererseits: Sie waren zu hart, um sie als Vorteil sehen zu können. Und ich beneide Menschen, die ohne Drama interessante Gesprächspartner sind. Inzwischen brauche ich sogar ein harmonisches Umfeld, um aus mir schöpfen zu können.

(...)

Das ganze Interview lesen Sie in der SZ am Wochenende vom 24./25./26.12.2010.

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