Im Gespräch: Regisseur Paul Schrader:Die Ehrfurcht der anderen

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Die Welt hat nicht auf einen neuen Holocaust-Film gewartet, aber "Ein Leben für ein Leben" mit Jeff Goldblum bricht doch einige Tabus auf einmal: Regisseur Paul Schrader spricht über Männer und Hunde.

F. Göttler

Knapp und präzise antwortet Paul Schrader im Gespräch, er wirkt kurz angebunden. Da ist dieses schweratmende, asthmatische Sprechen, aber auch ein Gefühl, dass es eher Zeitverschwendung ist, über alte Sachen zu reden. Paul Schraders Dynamik ist anders, er schaut nach vorn. Auf der Berlinale 2007 hatte er seinen Film "The Walker" gezeigt und schon den nächsten angekündigt, "Adam Resurrected", und als Jurypräsident gewirkt. Auf der Berlinale 2009 konnte man nun mit ihm über "Adam" reden.

Auf dem roten Teppich der Berlinale: Regisseur Paul Schrader (links) mit seinem Hauptdarsteller aus "Ein Leben für ein Leben", Jeff Goldblum. (Foto: Foto: rtr)

SZ: Irgendwie hatten Sie sich doch langfristig als eine Art Chronist amerikanischen Einzelgängertums in der Kinogeschichte etabliert . . . Da kommt ein Film wie der "Adam" sehr überraschend.

Paul Schrader: Sie haben recht, es war doch eher unwahrscheinlich, dass ich so was machen würde. Das ist auch kein Projekt, das ich angestoßen habe. Aber als ich das Script bekam, hat es mich gepackt. Dieser Mann, der ein Hund gewesen war und der einem Jungen, nein: einem Hund begegnete, der ein Junge gewesen ist . . . das war so originell, dass ich es machen wollte. Der Mann, der Hund, der Junge, das ist im Grund die Geschichte des Films. Natürlich war sie überformt vom Holocaust - aber sie wäre genauso kraftvoll, wenn es sich um eine andere historische Tragödie gehandelt hätte.

SZ: Ich fand das seinerzeit eine Zumutung, als Spielberg uns in "Schindlers Liste" in die Gaskammer führte. Die absurd-surrealen Provokationen in Ihrem Film sind ganz anderes Kaliber . . .

Schrader: Ja, weil es einfach eine ganz starke Fiktion ist, eine Art magischer Realismus - das alles ist ja nie passiert, und Adam ist ein so unglaublicher Larger-than-Life-Typ. Ein Film, der auf wirklichen Ereignissen beruhte, hätte einen ganz anderen Effekt. Die Welt hat nicht unbedingt nicht auf einen neuen Holocaust-Film gewartet, und gewiss nicht von mir. Die meisten gehen mit Ehrfurcht an das Thema ran, weil so viele Menschen so sehr gelitten haben. Bei "Adam" werden doch einige Tabus gebrochen. Wir haben ihn voriges Jahr auf dem Filmfestival in Haifa gezeigt - die Reaktionen waren sehr stark, sehr positiv. Natürlich hatte ich mir Sorgen gemacht - die Israelis können ganz schön rauh sein, wenn es um diese Geschichten geht. Aber diese war gewissermaßen von innen her geschrieben, von einem Israeli, Yoram Kaniuk. Manchmal macht man sich auch ein wenig lustig über die Überlebenden. Damals, in den Sechzigern, gab es einige Romane, die sich auf eher phantastische Weise mit dem Weltkrieg beschäftigten. "Catch-22", "Slaughterhouse Five" oder "Die Blechtrommel". Bücher, die zwanzig Jahre danach auf den Krieg schauten, ironisch, zynisch, mit schwarzem Humor.

SZ: Aber Kaniuk hatte durchaus seine Probleme damals mit seinem Buch.

Schrader: Ja, für solche Fälle haben die Juden diesen Satz erfunden vom Propheten, der nichts gilt in seinem Land . . .

SZ: Ihre Karriere bewegt sich abseits vom Mainstream - dennoch schaffen Sie es immer wieder, Ihre ungewöhnlichen Projekte finanziert zu bekommen.

Schrader: Ich fange einfach viel zu schnell an, mich zu langweilen. Und die meisten Filme heutzutage langweilen mich. Ich verstehe nicht, wie diese Leute wach bleiben können, wenn sie so was machen. Ich hab das alles schon irgendwo mal gesehen, da gibt es nichts Neues, nichts Frisches. Also lande ich dann bei so merkwürdigen Geschichten, so verrückten Figuren wie Adam oder Bob Crane - haben Sie "Auto Focus" gesehen?

SZ: Hab' ich, und mich gefragt, wie man für so eine Geschichte einen Produzenten finden konnte . . .

Schrader: Naja, Filme machen natürlich kein Geld, indem sie originell sind. Sondern indem sie genau das noch mal machen, was man vorher schon gesehen hat. Aber sie versuchen dich das vergessen zu lassen.

SZ: Das heißt, Sie kämen gar nicht in die Versuchung, mal einen richtigen Blockbuster anzupacken - wie Martin Scorsese oder Brian De Palma es taten.

Schrader: Ich glaube, ich wäre nicht besonders gut darin. Ich hatte es ja mal probiert, mit dem Prequel zum "Exorzisten" - der dann von einem anderen Regisseur nochmal völlig neu gedreht wurde. Das ging ganz schief. Ich mag eben Filme, die auf eine Figur bauen, ich ziehe Charakter dem Spektakel vor. Da hat man es heute sehr schwer, mit solchen Independent-Projekten. Ich sitze gerade an einem Script, das spielt in Mumbai - da werde ich vielleicht demnächst einen Bollywoodfilm drehen. Eine Cross-culture-Geschichte, sehr verzwickt . . .

SZ: . . . so wie auch der "Adam"?

Schrader: Nicht ganz, der war nicht wirklich cross-cultural, nicht mit einer Kultur, die zu einer anderen geht. Man hat zwar Leute aus der ganzen Welt geholt, aber es war eine deutsch-israelische Koproduktion. Das war also eine rein technische Frage - was die Story anging, sind in diesem Film alle von der gleichen Kultur - alle Überlebende der Lager.

SZ: Auch deutsche Schauspieler sind dabei, Moritz Bleibtreu, der schon im "Walker" mitspielte, Juliane Köhler . . .

Schrader: Nun, Schauspieler sind Schauspieler . . . und wenn man sie erst mal am Set hat, sind sie alle gleich.

SZ: Aber die deutschen sind ungewöhnlich gut - was ist Ihr Trick?

Schrader: Der Trick? Nun, was wir Amerikaner machen im Gegensatz zu den Europäern - wir proben vorher mehr. Und wenn wir proben, schreiben wir um. Die Schauspieler probieren alle möglichen Sachen bei der Probe, sie untersuchen, erforschen die Geschichte. Die europäischen Regisseure geben ihnen da sehr viel weniger Freiheit.

SZ: Sie wuchsen in einer calvinistischen Familie auf. Hat man als Calvinist denn auch Visionen von der Hölle?

Schrader: Wir haben keine große visuelle Tradition. Und ich brauchte einige Zeit, um zu lernen, visuell zu denken. Wenn man in meiner Jugend etwas sagen wollte, eine Idee hatte, sagte man es in Worten. Ideen waren keine Bilder. Es brauchte seine Zeit, bis ich wusste, dass ein Bild auch eine Idee ist.

© SZ vom 20.2.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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