Im Gespräch: Nick Hornby:"Dass ich Autor wurde, liegt nur an Frauen"

Der britische Bestsellerautor Nick Hornby über törichte Männer, vorbildliche Frauen und das langweilige Erwachsensein.

Anne Ameri-Siemens

Eine Dachwohnung im Norden Londons: Nick Hornbys Büro erinnert an eine sehr aufgeräumte Junggesellenwohnung: Schreibtisch, Sofa, viele Magazine, Musik, noch mehr Bücher. Hornby, 52, trägt Jeans und irgendein T-Shirt, ist aufgeräumt wie sein Arbeitszimmer und grinst ansteckend. In seinem ersten Buch, "Fever Pitch", schrieb er über seine Begeisterung für Fußball. 1995 erschien sein Roman "High Fidelity", der ein Welterfolg wurde. Er wurde - mit John Cusack in der Hauptrolle - ebenso verfilmt wie später "About A Boy", mit Hugh Grant. Am 3. September erscheint sein neuer Roman "Juliet, Naked" (Kiepenheuer & Witsch).

Im Gespräch: Nick Hornby: "Man ist ja als Schriftsteller nicht draußen in der Welt": Autor Nick Hornby in seiner Londoner Wohnung.

"Man ist ja als Schriftsteller nicht draußen in der Welt": Autor Nick Hornby in seiner Londoner Wohnung.

(Foto: Foto: Getty Images)

SZ: Mr. Hornby, die Männer in Ihren Büchern sind eigentlich immer unreif und oft töricht - und trotzdem hat man sie gern. Würde man Frauen, die so sind, ebenso mögen?

Nick Hornby: Sicher. Erwachsen zu sein, ist ja nicht besonders attraktiv.

SZ: Warum nicht?

Hornby: Sagen wir mal so: Jeder, der nicht total geformt und gesetzt ist, gefällt mir besser. Eine Frau, die ihr Leben total im Griff hat, die perfekt gekleidet ist, selbstgewiss, bedächtig - also all das, was allgemein als erwachsen gilt - ist doch nicht interessant. Die Entwicklung, die man durchmacht, wenn man zweifelt, meinetwegen auch töricht ist, ist so viel spannender und anziehender. Leute, die wirklich erwachsen sein wollen, sind oft enttäuschend langweilig - und haben wenig Sinn für Humor.

SZ: Noch einmal zu Ihren Männerfiguren: So attraktiv Sie das Nicht-Erwachsenwerden hier zeichnen, letztlich erfüllen die Männer damit oft genau das Klischee. Ist das eigentlich sexistisch?

Hornby: Sie meinen, ich mache mich auf die Art mehr über Männer lustig als über Frauen?

SZ: Ist Ihr Roman "High Fidelity" nicht das beste Beispiel dafür?

Hornby: Aber abgesehen von dem Buch habe ich das Chaos ziemlich gleichmäßig auf meine Männer- und Frauenfiguren verteilt. Nur die Frau in "High Fidelity", Laura, weiß von Anfang an, wo es langgeht. In den anderen Büchern sind die Frauenfiguren auch unreif, lange nicht so klar. Aber "High Fidelity" war mein erster Roman, und ich war sehr nervös, über Frauen zu schreiben.

SZ: Wieso das?

Hornby: Ich weiß nicht, ich war es einfach. Ich wechselte vom Sachbuch zur Fiktion. Das allein war schon eine große Sache für mich. Mit "Fever Pitch", meinem ersten Buch über Männer und Fußball, hatte ich bewiesen, dass ich mich über Männer gekonnt lustig machen kann. Also dachte ich: Okay, darauf konzentriere ich mich.

SZ: Wobei sich doch auch in Ihrem neuen Buch "Juliet, Naked" die Frau den Realitäten viel eher stellt als der Mann. Ist das eigentlich eine typisch weibliche Eigenschaft, unangenehmen Dingen nicht auszuweichen? Jetzt lachen Sie.

Hornby: Ich will Sie nur möglichst nett auf eine Enttäuschung vorbereiten.

SZ: Bitte.

Hornby: Ich bin etwas widerwillig, was solche Gespräche angeht.

SZ: Sie reden ungern über Frauen?

Hornby: Doch, Männer, Frauen, Beziehungen - fragen Sie, was Sie wollen. Nur sind meine Bücher keine guten Startpunkte dafür. Meine Figuren sind keine Repräsentanten ihrer Geschlechter. Wenn ich Gespräche über Frauen mit meinen Figuren beginne, manövriere ich mich mit größter Wahrscheinlichkeit ins Chaos, sage Dinge, die ich letztlich nicht so meine...

SZ: ... vergessen wir also die Bücher.

Hornby: Danke. Übrigens ist es wohl tatsächlich für viele Männer typisch, Gedanken über die Zukunft und das tägliche Leben einfach für langweilig zu halten. Also springen die Frauen ein, von Rechnungsbriefe öffnen bis zur Frage: Passen wir eigentlich noch zusammen?

SZ: Und wie geht es weiter?

Hornby: Nicht gut. Der Mann fühlt sich bemuttert. Einerseits will er ja genau das, denn er kümmert sich selber eben um so vieles nicht. Andererseits will wohl kein Mann mit seiner Mutter zusammen sein. Die Dynamik ist fatal.

Lesen Sie auf Seite 2, wie das mit den Jungen und Mädchen so ist.

"Über bestimmte Sachen kann ich nicht mehr reden"

SZ: Sie haben drei Söhne, reden Sie mit ihnen über Frauen, Beziehungen und die Fallen, in die man tappen kann?

Hornby: Danny, mein Ältester, ist jetzt 16 Jahre alt. Er ist autistisch, insofern ist das eine andere Situation mit ihm. Die Kleinen sind fünf und sechs - ich könnte mit ihnen über Mädchen sprechen, halte aber nichts davon, das in der Theorie zu tun. Ich spreche mit ihnen grundsätzlich über nichts bloß in der Theorie. Und in der Praxis gibt es nichts zu sagen, da sie im Moment nicht mit Mädchen reden.

SZ: Wie bitte?

Hornby: Die beiden sind, seit sie in die Schule gehen, wie all ihre Freunde vollkommen sportbesessen. Die Mädchen in ihren Klassen nicht. Deshalb gibt es für die Jungs gerade keinen Grund, mit ihnen zu reden.

SZ: Hatten Sie als Kind oder Teenager eine beste Freundin?

Hornby: Ich ging auf eine Jungenschule. Sie wissen, was das heißt.

SZ: Weiß ich nicht.

Hornby: Ich kannte Mädchen, aber die Beziehungen waren etwas, sagen wir mal: aufgeladener. Wenn man 16 oder 17 Jahre alt ist, den Tag über nur Jungs um sich hat und sich dann die Gelegenheit ergibt, ein Mädchen kennenzulernen, will man nicht beste Freunde werden.

SZ: Da verschwendet man lieber keine Zeit.

Hornby: Genau.

SZ: Mr. Hornby, haben Sie weibliche Vorbilder?

Hornby: Als ich die Bücher der amerikanischen Romanautorin Anne Tyler las, war ich restlos begeistert von ihr, und mehr noch: Ich hatte plötzlich ein Bild davon, wie Bücherschreiben funktionieren könnte. Ich las ihre Bücher und wusste: Ich könnte zwar nie schreiben wie sie, aber ich verstehe, wie es geht. Dass ich zum Autor wurde, liegt tatsächlich kein bisschen an Männern, sondern nur an den Frauen. Es gibt Männer, die ich gerne lese und bewundere - Charles Dickens ganz besonders. Aber seinetwegen wollte ich nicht anfangen, zu schreiben.

SZ: Anders gefragt: Was mögen Sie an Literatur, die von Frauen geschrieben ist, so besonders?

Hornby: Sie ist weniger protzig. Männer sind in ihrem Stil oft prätentiös. Ihre Geschichten tendieren dazu, unglaublich ernst daherzukommen, todernst! Und aufgeblasen. Ich wollte immer eher über das Innere schreiben, über das, was im Privaten zwischen Menschen passiert. Die Kombination von Humor und Seele, die mich als Leser interessiert und die ich als Schreiber zu erschaffen versuche, haben Frauen erfunden - Jane Austen etwa. Ich glaube manchmal, Männer halten das Autorendasein insgeheim für einen solchen Weicheijob, dass sie in ihrem Schreibstil überkompensieren.

SZ: Wie erklären Sie sich das?

Hornby: Man ist ja als Schriftsteller nicht da draußen in der Welt, steht seinen Mann und macht Millionen in einem harten, brutalen Umfeld, sondern: Man sitzt drinnen ganz allein an seinem kleinen Tisch und schreibt. Manch ein Schriftsteller versucht durch seinen Schreibstil zu zeigen, dass er trotzdem ein echter Mann ist.

SZ: Wieso schlagen Sie so aus der Art?

Hornby: Ich kann das nicht erklären, nicht hinlänglich. Was ich sagen kann: Ich bin von Frauen aufgezogen worden - von meiner Mutter, meiner Großmutter, ich bin mit einer Schwester aufgewachsen. Sicherlich hat mich das geprägt.

SZ: Was haben Sie zum Beispiel von Ihrer Schwester gelernt?

Hornby: Etwas sehr Wichtiges: Gill, zwei Jahre jünger als ich, war als Teenager wunderschön. Sie ist es immer noch. Ich habe durch sie beobachten können, wie Männer sich verlieben und sich oft hoffnungslos zum Idioten machen.

SZ: Wie das?

Hornby: Meine Freunde verfielen meiner Schwester reihenweise, einer nach dem anderen. Auch die, die überhaupt keine Chance hatten. Und ich dachte jedes Mal: Oh Mann, du nicht auch noch! Die Unfähigkeit verliebter Männer, ihre Chancen real einzuschätzen, und wie groß die Sturheit ist, es immer wieder zu versuchen, das habe ich damals kapiert.

SZ: Waren Sie einer der älteren Brüder, die auf ihre Schwester aufpassen?

Hornby: So überhaupt nicht. Meine Schwester erzählt immer diese schreckliche Geschichte, als ich bei ihr bleiben ... - Nein, das kann ich nicht erzählen.

SZ: Umso spannender.

Hornby: Sie würde mich umbringen.

SZ: Okay, andere Frage: Sie haben vorhin beschrieben, wie es zur fatalen Dynamik in einer Beziehung kommen kann. Wie schafft man denn das Gegenteil, können Sie davon ein Bild zeichnen?

Hornby: Da muss ich nachdenken.

SZ: Vielleicht erzählen Sie mir währenddessen doch die Geschichte von Ihrer Schwester?

Hornby: Sie würde mich wirklich umbringen. Vor zehn Jahren wäre das noch gegangen, und ich neige dazu, auch heute manchmal noch zu denken, dass diese Sachen nicht irgendwie zu einem zurückkommen. Aber sie tun es doch. Vor ein paar Wochen zum Beispiel traf ich in New York einige Journalisten zum Mittagessen. Es war kein Interview, sondern einfach ein Business-Lunch. Einem Journalisten erzählte ich nebenbei, dass ich gerade aus den Ferien komme - mit meiner Frau, den beiden kleinen Söhnen, meiner Exfrau und Danny, dem Ältesten.

SZ: Was kein ganz gewöhnlicher Familienurlaub ist.

Hornby: Wir haben das natürlich für die Jungs getan, damit sie Zeit miteinander verbringen können. Meine Exfrau und ich verstehen uns gut. Natürlich, es gibt Gründe, warum man sich hat scheiden lassen und die bleiben dieselben, aber wir drei, auch meine Frau, kommen gut miteinander aus. Na, jedenfalls erzähle ich das während des Mittagessens ...

SZ: ... und am nächsten Tag stand es in der Zeitung.

Hornby: Nur eine kleine Meldung in einer Klatschkolumne. Am Tag darauf stand es dann in englischen Zeitungen.

SZ: Und am Tag danach?

Hornby: Saß ich in New York am Flughafen und wartete auf meinen Flug nach London, als die SMS von meiner Exfrau kam: "Sie diskutieren im Radio über uns." Ein Sender hatte die Geschichte zum Aufhänger genommen, um Zuhörer anrufen zu lassen und ihre Meinung zu sagen, ob sie auch mit ihrer Exfrau in Urlaub fahren würden. Und das heißt einfach, dass ich über bestimmte Sachen nicht mehr reden kann. Mir ist in der Zwischenzeit ein Beziehungsbild eingefallen.

SZ: Bitte!

Hornby: Ich habe oft gedacht, dass der Verlauf von Beziehungen so aussieht, dass zwei Menschen sich gegenüberstehen und an einem bestimmten Punkt entscheiden, sich zur Seite zu drehen und gemeinsam loszulaufen. Und die Beziehung, die funktionieren, sind die, in denen die Partner mehr oder weniger zum selben Zeitpunkt dazu bereit sind.

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