Im Gespräch: Jean Reno:"Ich war lange jung"

Schauspieler Jean Reno wurde erst mit 46 Jahren berühmt und wird mit dem Alter immer besser. Er will aber nicht über seinen neuen Film reden. Lieber über die TV-Serie "Mad Men" und darüber, warum Männer ihre Frauen betrügen.

Gabriela Herpell

Jean Reno regt sich auf. Er sitzt in einem Hotelzimmer in München, ziemlich übernächtigt, und hat Leerlauf, denn ein Journalist hat seinen Interviewtermin mit ihm versäumt. Das gefällt Jean Reno nicht. Er kann wirklich sehr finster gucken. Mit drohendem Unterton fragt er seinen Assistenten: "Ist das die verspätete Journalistin aus Wien?" Der Assistent beeilt sich zu versichern: "Nein, sie ist aus München und sie ist sogar zu früh!" Da hellt sich Renos Gesicht auf. Er bietet, plötzlich sehr aufgeräumt, einen Pastis an. Es ist viertel vor zwölf am Vormittag.

Leute-News: Jean Reno

Sitzt privat nicht alleine an der Bar: Jean Reno.

(Foto: dapd)

Lesen Sie hier Auszüge aus einem Interview mit der SZ am Wochenende.

Süddeutsche Zeitung: Monsieur Reno, Sie spielen oft den gebrochenen, einsamen Typen. Was ist für Männer eigentlich so romantisch an Einsamkeit?

Das müssen Sie die Regisseure fragen.

Aber Sie sind auch ein Mann.

Der Mann sitzt halt gern mal allein an der Bar und leidet. Vor allem der Macho, das ist so ein Bild, das er verinnerlicht hat: Er leidet und trinkt einen drauf.

Aber ist das nicht langweilig?

Sicher. Ich tue es deshalb ja auch nicht, privat meine ich. Ich habe auch nie gedacht, dass ein Barmann ein Psychiater ist. Die Amerikaner glauben das.

Als Sie mal zum Ende Ihrer zweiten Ehe befragt wurden, hörten Sie sich auch an wie ein Mann, der allein an der Bar Whisky trinkt.

Ach, was habe ich denn gesagt?

Sie sagten: "Ich liebe die Liebe, und ich brauche sie. Und ich liebe die Freiheit, und ich brauche sie auch. Darum wird es immer kompliziert mit der Ehe."

Da war ich aber schlecht in Form. Wenn man jung ist, glaubt man, die Ehe sei eine Falle. Man wäre gefangen. Das ist natürlich falsch. Das korrigiert man aber erst mit der Zeit. Es gibt keine Freiheit. Die einzige Freiheit, die es gibt: sich dessen bewusst zu sein, dass man gebunden ist. Angekettet sogar. Man verschreibt sich einer Frau, der Kunst, den Drogen, der Politik, einem Land. Das ist die Freiheit - sich etwas davon auszusuchen. Und plötzlich entdeckt man, dass man, obwohl man sich einer Sache oder einem Menschen verschrieben hat, nicht aufhört, man selbst zu sein. Ich habe lange gebraucht, um das festzustellen. Ich war nicht clever, als ich jung war. Und ich war lange jung.

Dann sind Sie jetzt clever?

Etwas cleverer. Aber es ist schwer, das wirklich zu akzeptieren, innen drin.

Warum?

Irgendein Instinkt spricht dagegen. Es ist doch bekannt, dass Männer ihre schwangeren Frauen so oft betrügen. Warum tun sie das? Das ist doch verrückt, oder nicht? Die Männer haben so viel Angst davor, dass der Spielraum, den sie haben, kleiner wird, immer kleiner.

Weil sie die Verantwortung fürchten?

Nein. Weil sie beweisen wollen: Ich kann noch verführen. Das ist alles. Die Angst vor der Verantwortung müsste sie ja nicht einer anderen Frau in die Arme treiben, sondern würde sie eher dazu bringen zu trinken. Wie dem auch sei: Ich betrüge niemanden. Und wenn jemand mich betrügt, dann ist das sein Problem, nicht meins.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, Warum Jean Reno die TV-Serie "Mad Men" hasst.

"Die schöne Blonde ist fabelhaft"

Aber es könnte Ihnen weh tun. Und dann ist es doch Ihr Problem.

Wenn meine Frau mich betrügt, meinen Sie? Nein. Ich kann es ja nicht ändern. Wenn sie sich dazu entschließt, was soll ich tun? Wenn sie glücklich ist mit mir, wird sie mich nicht betrügen. Wenn sie nicht glücklich ist, sollte sie es mir sagen. Sie kann mit mir reden, sie kann sich mit mir streiten und mich verlassen, aber mich betrügen? Das geht nicht. Ich habe noch nie jemanden betrogen. Wissen Sie, ich gucke gerade diese Serie "Mad Men".

Ach. Aber da betrügt doch nun wirklich jeder Mann seine Frau.

Ja. Jeder vögelt jeden. Wie krank das ist! Die Männer in "Mad Men" sind alle ganz, ganz klein. Bemitleidenswert.

Die Frauen allerdings sind noch etwas bemitleidenswerter.

Die Ehefrau von Don Draper, die schöne Blonde, ist fabelhaft. Sie sagt ehrlich und geradeheraus, dass sie ihn liebt und ihn begehrt, und er benimmt sich wie ein Arsch. Ich kann ihn nicht ausstehen. Ich finde ihn sogar hässlich. Ich könnte es in einer solchen Welt nicht aushalten. Ich fühle mich nicht etwa wie ein besserer Mensch. Ich bin einfach für so etwas nicht ausgestattet.

Dabei hat gerade Ihre Generation mit Songs wie: "Freedom is just another word for nothing left to lose" gepredigt, Freiheit sei das Gegenteil von Bindung.

Woodstock - diese ganze Stimmung... wissen Sie, ich bin Immigrant. Die Idee der Freiheit ist für mich eine andere. Freiheit ist Luxus. Die Freiheit, die ich hatte, war zu fliehen. Meine Familie floh vor dem Franco-Regime nach Marokko. Von dort floh ich später, weil es da nichts für mich zu tun gab. Ich habe die Sprache nicht gemocht, nichts ging vorwärts. Alle haben das schöne Mittelmeer vor der Nase, schnarchen vor sich hin. Ich hasse das. Ich wollte etwas tun. Also musste ich weg. Die ganze 68er-Bewegung ist an mir vorbeigerauscht. Ich musste mich nicht auf die Art befreien.

Anders als Sie wachsen Ihre Kinder nun wohl eher privilegiert auf. Werden Sie versuchen, sie zu einer bestimmten Haltung zu erziehen?

Man muss Kindern fokussieren helfen. Und dabei sieht man selbst meistens nicht 200 Kilometer weit, sondern nur zehn Meter. Das ist manchmal schwierig. Manchmal gelingt es ganz gut. Ich bin da für meine Kinder, ich kümmere mich um ihre Disziplin, ihre Moral. Ich gebe Hilfestellung. Aber auch nur bedingt.

Wo sind die Grenzen?

Ich rufe niemanden an und bitte um eine Stelle für meinen Sohn oder meine Tochter. Es wäre so einfach: "Bonjour, ich bin Jean Reno, haben Sie ein Praktikum für meinen Sohn?" "Natürlich", würde es heißen, "aber gern." Das läuft nicht.

Sie haben so Ihre Prinzipien.

Zu viele. Wenn ich etwas sage, kann ich das kaum zurücknehmen. Ich bin Menschen sogar noch treu, wenn sie mir Schaden zugefügt haben.

Wollen Sie darüber reden?

Sicher nicht. Ich sage Ihnen lieber, was mir noch heilig ist. Das gesprochene Wort. Wenn ich sage, ich bin am Mittwoch um elf Uhr da, dann bin ich am Mittwoch um elf Uhr da.

Auch nicht um fünf nach elf?

Nein. Das ist demütigend für den anderen. Sehen Sie, eben gerade, der Journalist aus Wien, der Verspätung hatte. Ich bin um fünf Uhr morgens aufgestanden, um meine Arbeit hier zu tun. Da kann ich sehr ungemütlich werden.

Sein Flug hatte Verspätung. Dafür kann er doch nichts.

Er muss so früh fliegen, dass das nicht passiert. Ist doch klar. Ich habe also gesagt: Ende der Vorstellung. Natürlich könnte ich auch sagen: Ach, das passt schon, dann kommt er halt später. Aber das geht mir auf die Nerven, dieses: Das passt schon. Nicht mit mir. Aber denken Sie sich nichts. Ich bin so streng, auch mit mir selbst, dass ich mich damit manchmal schon wieder lächerlich mache. Ich würde nicht mal in die Tasche eines anderen Menschen gucken.

Jean Reno wurde unter dem Namen Juan Moreno y Jederique Jiménez 1948 in Casablanca geboren, wohin seine Eltern vor Franco geflohen waren. Er ging zum Militär zurück nach Frankreich, um die dortige Staatsangehörigkeit zu erhalten. Einen ersten kleinen Auftritt als Schauspieler hatte er 1979 in "Die Liebe einer Frau" mit Romy Schneider. Es dauerte allerdings, bis Reno bekannt wurde: als Apnoetaucher in "Im Rausch der Tiefe" (1988) war er richtig komisch. Seine wahre Bestimmung fand er mit 46 Jahren; als tiefgründiger Berufskiller "Leon, der Profi" rührte er zu Tränen. In "Ronin" (1998), "Die purpurnen Flüsse", "Da Vinci Code" und in "22 Bullets", der seit Donnerstag in den deutschen Kinos läuft, kann man sehen, wie er im Alter immer mehr gewinnt. Reno ist in dritter Ehe mit dem schauspielernden Fotomodell Zofia Borucka verheiratet.

Lesen Sie das gesamte Interview in der SZ am Wochenende vom 4./5. Dezember 2010.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: