Im Gespräch: De Niro und Linson:Schleimspuren

Robert de Niro und "Inside Hollywood"-Produzent Art Linson sprechen über das große Schneckenrennen in Hollywood.

Tobias Kniebe

Manche sagen, sie seien unzugänglich, maulfaul, muffelig, Art Linson, Produzent, und Robert De Niro, Schauspieler. Auf dem Vorjahrsfestival in Cannes waren sie, Freunde seit über zwanzig Jahren, dann doch zum Plaudern aufgelegt.

Im Gespräch: De Niro und Linson: Robert De Niro ist Art Linsons Alter Ego Ben in "Inside Hollywood".

Robert De Niro ist Art Linsons Alter Ego Ben in "Inside Hollywood".

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Mr. De Niro, sechs Mal haben Sie jetzt mit Art Linson gearbeitet, in Filmen wie "Die Unbestechlichen", "Heat" und "This Boy's Life". Wie fanden Sie es, als er plötzlich anfing, autobiographische Bücher über seine Abenteuer in Hollywood zu schreiben?

Robert De Niro: Ich dachte mir, muss ich das auch noch lesen?

Art Linson: Was unsere Freundschaft betrifft, waren diese Bücher ein großes Wagnis. Ganz klar.

SZ: Darf ich kurz zitieren? "Er sah klein und zerbrechlich aus. Man traute ihm nicht zu, auch nur ein Stück Papier zu zerreißen. Er wirkte so bescheiden, dass man Angst hatte, er könnte sich jeden Moment in Luft auflösen. Ich dachte daran, nach seinem Ausweis zu fragen - nur zur Sicherheit." So beschreiben Sie, Mr. Linson, Ihre erste Begegnung mit Robert De Niro. Sie waren entsetzt, denn Sie hatten ihn gerade für ein paar Millionen als Al Capone eingekauft . . .

Linson: Was soll ich sagen? Genauso war's.

De Niro: Ich habe sehr gelacht. Art hat eine Gabe, die Komik in solchen Situationen brillant zu beschreiben. Er ist kein böswilliger Mensch. Wenn er einen paranoiden Hollywood-Agenten porträtiert, der vor Angst ins Klo kotzt, können Sie sicher sein: Er mag diesen Mann. Sie reden auch noch miteinander, erstaunlicherweise. Sie werfen sich unglaubliche Sachen an den Kopf - aber sie sind immer noch Freunde.

Linson: Irgendwann musste ich das alles einfach mal loswerden - was passiert, wenn ein Verkaufsgespräch mit dem Studio hoffnungslos in die Hose geht, wenn ein Drehbuchautor grausame Rache nimmt, wenn ein Schauspieler durchdreht. Es wird so viel über Hollywood geschrieben - aber in solchen Momenten ist ja doch keiner dabei. Ich wollte mal zeigen, wie es ist, mittendrin zu stecken.

SZ: Wie kam es dann zu der Idee, die Wirklichkeit in diesen Büchern zu fiktionalisieren und in die Filmkomödie "Inside Hollywood" zu verwandeln?

De Niro: Als ich Arts zweites Buch las, dachte ich mir: Was dieser Typ erlebt, ist doch verdammt komisch. Er ist eine Filmfigur. Den könnte ich spielen. Also versuchte ich, Art zu überzeugen, ein Drehbuch daraus zu machen. Es war nicht ganz einfach. Art hat große Angst vor dem Drehbuchschreiben . . .

Linson: Angst ist überhaupt ein gutes Stichwort. Ab einem gewissen Punkt, wenn man nicht mehr ganz am Anfang steht, fühlt man sich in Hollywood wie eine Schnecke an einem sehr nassen Glasfenster - man versucht verzweifelt, nicht abzurutschen, irgendwie im Blickfeld zu bleiben. Manche Schnecken kommen sogar richtig gut voran, aber selbst das ist kein beruhigendes Gefühl. Alle fürchten nur, dass es rapide nach unten geht. Mit etwas Abstand betrachtet ist das tatsächlich sehr komisch.

SZ: Recht eindrücklich ist die Geschichte des Stars, der die fixe Idee entwickelt, plötzlich mit Vollbart zu spielen, was ihn leider zehn Jahre älter aussehen lässt. Daraufhin will das Studio ihn feuern, und er dreht durch. Sein Name wird im Buch genannt, nicht aber im Film . . .

De Niro: Ah, Sie meinen die Alec-Baldwin-Geschichte! Große Komödie.

Linson: Na super, jetzt hast du den Namen doch wieder ausgeplaudert. Sagen wir einfach, es ist ein nicht näher genannter Filmschauspieler, der hier von Bruce Willis verkörpert wird . . .

De Niro: Im Ernst, dass ein Studio sich in Bartfragen einmischt, das geht natürlich gar nicht. Das könnte ich auch nicht akzeptieren, wenn es mir passieren würde. Über so etwas diskutiert ein Schauspieler höchstens mit dem Regisseur. Der ist der Boss. Man arbeitet zusammen, aber die letzte Entscheidung liegt bei ihm. Und du kannst nur hoffen, dass er stark ist und Überzeugungen hat. Du wirst zwar nicht immer einer Meinung mit ihm sein - aber wenn der Regisseur gar keine Meinung hat, bist du erst recht verloren ...

SZ: Stimmt es eigentlich, dass das große Schneckenrennen in Hollywood Jahr für Jahr härter wird?

De Niro: Ich lebe zwar in New York und nicht in Hollywood, aber ich glaube das nicht. Es ist doch immer dasselbe Spiel.

Linson: Ich glaube doch. Die Kosten steigen, das Risiko wird größer. Jeder versucht, sich auf der sicheren Seite zu bewegen, das führt zu diesen endlosen Superhelden-Comic-Verfilmungen, zu den ganzen Remakes von Fernsehserien. Viele Filme, die wir früher gemacht haben, wären als Studioproduktionen heute nicht mehr möglich. "This Boy's Life" zum Beispiel, den wir 1993 machten, mit Leonardo DiCaprio, ein Junge, der von seinem Stiefvater gequält wird, das würde niemand mehr machen . . .

SZ: Mr. Linson, Ihre Feinde in Hollywood lästern, dass Sie De Niros Privatnummer als eine Art Produzenten-Lebensversicherung mit sich herumtragen. Jetzt spielt er Sie auch noch im Kino . . .

Linson: Was ich jedem, der mit dem Gedanken spielt, sein Leben verfilmen zu lassen, nur empfehlen kann. Lassen Sie sich von Bob spielen! Er bringt, wie soll ich sagen . . . er lässt Sie nochmal eine ganze Ecke smarter und komplexer aussehen, als Sie jemals gewesen sind.

Art Linsons Bücher "A Pound of Flesh" (1993) und "What Just Happened?" (2002) sind bisher nicht übersetzt, gehören aber dennoch zum Besten und Ehrlichsten, was man über das zeitgenössische Hollywood lesen kann.

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