Ignaz Walter:Herrscher im Glaspalast

Der Augsburger baute einen Weltkonzern auf und musste mit ansehen, wie er wieder zerschlagen wurde. Was blieb, ist die Kunst. Zum 80. Geburtstag schenkt er sich eine Gerhard-Richter-Ausstellung

Interview von Susanne Hermanski

Jahrzehntelang war Ignaz Walter eine der Wirtschaftsgrößen der Republik: Chef eines weltweit agierenden Baukonzerns, den der Augsburger aus dem Nichts aufgebaut hatte. Autor zahlreicher Fachbücher, darunter eines über "Mathematik für alle", Inhaber wichtiger Patente, Präsident des Verbandes der Bauindustrie und Vizepräsident des BDI. Über den Aufbau und den Zusammenbruch seines Konzerns 2005 schrieb er, der in diesen Tagen seinen 80. Geburtstag feierte, ein dreibändiges, ebenso emotionales wie akribisches Werk. Stets war Walter streitbar, immer umstritten. Auch im Zusammenhang mit seiner Begeisterung für die Kunst. 1999 kaufte er nach langen Querelen für zehn Millionen Mark von der Stadt Augsburg ein Haus, in dem er seinen Schatz der Öffentlichkeit präsentieren wollte: den Glaspalast. Die denkmalgeschützte Baumwollspinnerei, Stolz der einst florierenden Augsburger Textilindustrie, birgt heute unter anderem das "Kunstmuseum Walter" und Walters "Galerie Noah". Seit diesem Freitag stehen dort Arbeiten von Gerhard Richter, der als "teuerster lebender Künstler" gilt, zum Verkauf (bis 18. September). Und Augsburg hat wieder ein Tagesgespräch.

SZ: Sind sie gern einer, der polarisiert?

Ignaz Walter: Ich bin kein Diplomat. Das Wort Diplomatie gehört aus dem Duden gestrichen. Es fordert vom Menschen Verstellung und Falschheit. Das will ich nicht. Ich habe alles, was ich habe, selbst aufgebaut. Meine Frau war ein Flüchtlingsmädchen. Und ich habe mehr fertiggebracht, als ich je für möglich gehalten hatte. Ich war nie geldgeil; Geld war für mich immer Mittel zum Zweck. Ich habe immer in den Konzern investiert. Bis ich der Deutschen Bank ein Dorn im Auge wurde, und mit Betrügern wie Gerhard Gribkowsky konfrontiert war, der heute als im Formel-1-Skandal verurteilter Freigänger lebt. Doch hinter ihm steckten ganz andere - wie Rolf Breuer. Das ist eine ehrlose Gesellschaft.

Ignaz Walter: Eins der Werke Gerhard Richters, die in Walters Galerie im Glaspalast zu sehen sind, ist das knapp 30 Zentimeter breite Bild "Ohne Titel, 1997".

Eins der Werke Gerhard Richters, die in Walters Galerie im Glaspalast zu sehen sind, ist das knapp 30 Zentimeter breite Bild "Ohne Titel, 1997".

(Foto: Galerie Noah)

Haben Sie nie Angst, verklagt zu werden?

Es ist mein Traum, dass mich mal einer von diesen Leuten verklagt. Als ich meine Autobiografie und die Konzerngeschichte im Eigenverlag veröffentlicht habe, haben mir meine Anwälte dringend abgeraten. Aber ich lasse mir mein Lebenswerk nicht kommentarlos kaputt machen. Andere haben sich deswegen vor den Zug geworfen. Mich mag das Schicksal brechen, aber nicht solche Leute! Mir wurde erzählt, die Banken hätten 117 Juristen an die Bücher gesetzt, um zu sehen, wo sie einhaken könnten. Aber sie haben empfohlen, die Inhalte lieber totzuschweigen.

Zu Ihrem Lebenswerk gehört der Aufbau Ihrer Sammlung. Worin wurzelt Ihre Begeisterung für die Kunst?

Ich hatte von zehn bis vierzehn Jahren regelmäßig Unterricht bei einer Kunstmalerin im Zeichnen. Obwohl ich ein fürchterlicher Rabauke war und besessener Fußballspieler, hat mich das fasziniert. Ich habe unglaublich viel Zeit mit Malen verbracht. Im Architekturstudium, das ich mir mit meiner Mauererlehre erarbeitet hatte, hat Zeichnen wieder eine große Rolle gespielt. Danach war's damit aus. Alles ist im Aufbau meines Geschäfts aufgegangen.

Ignaz Walter: Ebenfalls von Gerhard Richter stammt das kleine Ölbild "Schwarz, Rot, Gold I" aus dem Jahr 1998 (auf Karton montiert).

Ebenfalls von Gerhard Richter stammt das kleine Ölbild "Schwarz, Rot, Gold I" aus dem Jahr 1998 (auf Karton montiert).

(Foto: Galerie Noah)

Und wie fing die Sammelleidenschaft an?

Als meine Frau und ich unser erstes Haus gebaut hatten, hat sie angefangen für Alte Meister aus Holland zu schwärmen. Oder für Engländer wie Turner. Das war erstens teuer, zweitens, entsprach das überhaupt nicht meinem Geschmack. Ich war für die moderne Kunst. Also einigten wir uns: Sie bekommt etwas für sich, ich für mich.

Welches Bild war Ihr erster Kauf?

Der "Adam" von Rudolf Hausner aus der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Der hängt bis heute im Wohnzimmer.

Wann war das?

Ungefähr 1970. Da gab es noch viele weiße Wände in unserem Haus. "Das schreit nach Kunst", sagte mein Architektenfreund Franz-Heinrich Sobotka damals. Der hatte das Axel-Springer-Haus in Berlin gebaut und war weltberühmt. Ein arrivierter Herr, der mich sehr beeindruckt hat. Und da habe ich beschlossen: an diese Wände kommt mir nichts mehr Naturalistisches.

Wie ging es weiter?

Ich habe einfach gekauft: In Basel, in Liechtenstein, in München. Überall, wo ich etwas noch Bezahlbares gefunden habe. Irgendwann waren die Wände voll. Aber ich war dann schon drin im Kaufen und Sammeln. Dann habe ich begonnen, auf dem Dachboden zu stapeln. Baselitz, Immendorff, Kiefer, Lüpertz auch dabei.

Ignaz Walter

Ignaz Walter geht gern ins Restaurant des Glaspalasts. Der liegt vis-à-vis der Walter Firmenzentrale.

(Foto: Fred Schöllhorn)

Hatten Sie da schon ein eigenes Museum im Auge?

Nein, erst habe ich einen alten Gutshof in Siebenbrunn ausgemacht, an dem wir oft beim Spazierengehen vorbeigekommen sind. Der ist immer mehr verfallen. Als ich in der Zeitung sah, es gibt dafür eine Abbruchverfügung, habe ich mich mit der Verkäuferin geeignet - und die Stadt gezwungen, die Verfügung zurückzunehmen. Zuerst habe ich den riesigen Stadl saniert, zwei Jahre danach waren auch dessen Wände voll, und ich musste wieder stapeln. Erst da kam die Idee zum Museum.

Wann reifte Ihre Entscheidung, sich auf die Kunst der BRD in der Gegenüberstellung mit jener der DDR zu konzentrieren?

Anfang der Achtzigerjahre. Aber an die Kunst hinter dem Eisernen Vorhang ist man fast nicht rangekommen.

Wie haben Sie das trotzdem geschafft?

Es gab damals zwei Galerien in Westberlin, die immer wieder mal bei mir anriefen und Arbeiten von Künstlern aus dem Osten anboten. Da gab es offenbar Wege, etwas außer Landes zu schmuggeln. Von ungefähr 1985 an habe ich zum Beispiel Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig und Arno Rink gesammelt. Meine Freunde hielten mich für verrückt. Aber ich habe wohl instinktiv gemerkt, die Wiedervereinigung kommt.

Sie hatten davor schon Aufträge im Osten.

Ja, ich habe ganz kurz vor dem Fall der Mauer in Ostberlin ein großes Hotel gebaut.

Durch Vermittlung von Franz Josef Strauß, mit dem Sie befreundet waren?

Nein, er hatte damit nichts zu tun - auch wenn ich mit ihm am Abend vor seinem Tod noch den Geburtstag eines Freundes feierte. Den Hotel-Auftrag verdankten wir den schlechten Finanzen der DDR. Das Projekt lieft über die "Kreditanstalt für Wiederaufbau" in Frankfurt. Ganz offiziell. Als die Mauer gefallen war, bin ich gleich nach Leipzig gefahren, und habe dort Kunst gekauft.

Haben Sie die Künstler, die sie sammeln, auch persönlich kennengelernt?

Nicht alle. Aber Lüpertz zum Beispiel. Das ist ein ganz extremer Mensch. Der hat nicht mal eine Krankenversicherung, glaube ich.

Und Gerhard Richter?

Nein, aber zum Beispiel Neo Rauch. Von ihm habe frühe Werke, die er gern zurückkaufen will, aber die gebe ich nicht her.

Lassen Sie sich bei Ihren Käufen manchmal beraten?

Nein, ich entscheide nach meinem Empfinden. Vieles habe ich auch von Reisen mitgebracht. Sogar aus Kuba. Damals mit Sondererlaubnis von Fidel Castros Rechter Hand. Wenn ich etwas schön finde, es eine besondere Ausstrahlung auf mich hat, kaufe ich es. Und im Museum habe ich alles so aufgehängt, wie ich es gut finde. Punkt.

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