Bevor Hundertjährige nichts Besonderes mehr sind und sich in enge Jeans quetschen, erzählt der Bildband 100 Jahre Leben noch einmal von der alten Würde des Alters. In Bildern.
Mit der Würde des Alters ist es bald vorbei. Diese Behauptung ist etwas grob, aber für sie gibt es folgende Gründe.
Erstens schwindet die besondere Würde des Alters, weil immer mehr Menschen das Altsein miteinander gemein haben. Alt und einigermaßen beieinander, das gibt es überall und ist nicht mehr spezieller Verehrung wert. Zweitens gibt es immer mehr Alte, die selbst ihre Würde abgeben, weil sie dem Junggeblieben-Imperativ der Popkultur folgen und sich deshalb in enge Jeans quetschen oder an einer Senioren-Topless-Disco im Seniorenstrandparadies teilnehmen.
Und drittens haben die nachwachsenden Alten keine historische Aura: Sie haben nicht mehr an den großen Erschütterungen des 20. Jahrhunderts teilgenommen. Sie sind nicht mehr Zeitzeugen, die viel durchgemacht haben, sondern Kinder des Friedens und des Wohlstands: Der Jahrgang 1945 erreicht in diesem Jahr das Rentenalter von fünfundsechzig.
Mary Splettstoesser/Foto: Andreas Labes
Alle Fotos stammen aus dem besprochenen Bildband
Text: Johan Schloemann/SZ vom 28.4.2010/sueddeutsche.de/nvm/rus