Humboldt-Forum:Transzendenz!

In Berlin bedienen mehrere Häuser den Performance-Markt und ringen um dasselbe Publikum. Daher musste sich Stefan Schmidtke als neuer Programmkurator des Humboldt-Forums etwas Besonderes einfallen lassen. Er denkt da an Metaphysik.

Von Dorion Weickmann

Der Performance-Markt in Berlin ist gut gesättigt. Schon jetzt machen sich vier Häuser Konkurrenz: das Hebbel-am-Ufer-Kombinat, das Haus der Kulturen der Welt, die Akademie der Künste und die Berliner Festspiele. 2017 kommt die Volksbühne unter Chris Dercon dazu. Dann werden fünf Player um ein Publikum rivalisieren, das sich für postkoloniale, transdisziplinäre, multimediale, partizipative Darbietungen interessiert - für das halt, was politisch korrekt und theatermodisch angesagt ist. Deshalb hat Stefan Schmidtke ein Problem. Er leitet seit August den Bereich Programm und Veranstaltungen der Humboldt-Forum-Kultur GmbH und ist damit zuständig für die künftige Bespielung des Schloss-Replikats. Schmidtkes Bestallung ist erstaunlich geräuschlos erfolgt. Dabei handelt es sich um eine Schlüsselposition, die das Profil des Hauses maßgeblich prägen wird. Aber wie?

Schmidtke, noch bis 2017 parallel bei den Wiener Festwochen tätig, hat seine Ideen in den Tiefen des Netzes skizziert, bei "nachtkritik.de". Was da zu lesen steht, verrät die verzweifelte Anstrengung, dem von Performance-Matadoren umzingelten Humboldt-Forum zu verschaffen, wonach der Kulturbetrieb giert: ein Alleinstellungsmerkmal. Die Lösung, die dem Kurator vorschwebt, ist durch "eindrückliche spirituelle Erlebnisse" auf Reisen inspiriert und setzt irgendwo zwischen "Kuityattam" (will heißen: indischem Kutiyattam) und "Butho Dance" (will heißen: japanischem Butoh) an. Es geht um "Feste, Zeremonien, Prozessionen", um ein "Theater der Natur und Kunst" à la Leibniz. Diesen Hinweis dürfte Gründungsintendant Horst Bredekamp souffliert haben. Der weiß als Kunsthistoriker, dass große Kunst ein metaphysisches Ereignis ist. Will das Humboldt-Forum weder Ethno-Arena noch Folklore-Rummel sein, muss es jenseits seiner Vitrinen große Kunst ermöglichen. Es muss Residenzen einrichten, Stipendien vergeben, Koproduktionen machen. Mit Künstlern wie Akram Khan, Dada Masilo oder Brett Bailey, die längst zwischen den Kulturen arbeiten.

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