Horrorfilme und Frauen:Frauen an die Ohnmacht

Die Gleichberechtigung ist verwirklicht, zumindest auf einem Gebiet: Immer mehr junge Frauen begeistern sich für Horrorfilme. Auch Megan Fox spielt dabei eine Rolle.

David Steinitz

Ein Junge und ein Mädchen schauen sich einen Film an. Der Junge, schlau wie er ist, hat einen Horrorfilm ausgewählt, der das Mädchen, ängstlich wie es ist, schnell in seine starken Arme treiben soll. Es ist ohne männliche Unterstützung ja auch kaum zu ertragen, was den Zuschauern in diesen gemeinen Horrorfilmen an Blut und Innereien zugemutet wird.

Horrorfilme und Frauen: Lust auf Blut: Die rasende Megan Fox in "Jennifer's Body".

Lust auf Blut: Die rasende Megan Fox in "Jennifer's Body".

(Foto: Foto: Filmverleih)

Man denke an Michael Jacksons "Thriller"-Musikvideo, wo das popkulturelle Klischee vom ängstlichen Mädchen auf die Spitze getrieben wird: Da läuft Michael sein Date vor Angst glatt aus dem Kinosaal. Anstatt die Arme zu trösten, tanzt er mit ein paar Zombies und singt der Verschreckten zu: "I'm gonna thrill ya tonight, ooh baby ."

Das Klischee des verängstigten Mädchens, das sich vor Zombies, Vampiren und Messermördern fürchtet, wird gerade - wenn es denn je gestimmt hat - durch die steigende Anzahl weiblicher Horrorfilmfans widerlegt. Jüngstes Beispiel ist der Schocker "Final Destination 4", der, wie das Fachblatt Variety berichtete, in der Zielgruppe der jungen Kinobesucher unter Fünfundzwanzig deutlich mehr Frauen als Männer in die Kinos lockt. Ein Trend, der sich schon seit einigen Jahren abzeichnet.

Schon 2006 sagte Rory Bruer, Verleihchef des Sony Filmstudios dem Fachblatt Variety, dass junge Mädchen eine bedeutende Zielgruppe für das Horrorgenre geworden seien. Auch bei den brutaleren Filmen dieses Jahrzehnts wie "Hostel" oder "Saw" lässt sich keine Vorliebe der Männer mehr ausmachen: Der Anteil der Zuschauerinnen dieser Filme liegt bei 50 Prozent, wie Tom Ortenberg von der Produktionsfirma Lionsgate Variety mitteilte. Es herrscht also, was die Lust am Horror betrifft, zumindest Gleichstand zwischen Mann und Frau.

Die britische Journalistin Wendy Roby hat sich für eine Reportage mit Frauen getroffen, die sich über den Kinobesuch hinaus für das Genre engagieren. Adèle Hartley ist Gründerin des "Dead by Dawn" Horrorfilm-Festivals in Edinburgh und erzählt, dass sich seit der Gründung des Festivals vor fünfzehn Jahren mittlerweile auch hier die Zuschauer je zur Hälfte in männliche und weibliche Besucher teilten.

Heidi Martinuzzi, Gründerin der Internetseite pretty-scary.net, setzt sich für mehr Regisseurinnen bei Horrorprojekten ein, die besser auf die Bedürfnisse weiblicher Horror-Fans eingehen könnten als Männer. Und Hannah D. Forman möchte mit ihrer Seite Ax Wound (ein abfälliger Begriff für Vagina) gar "eine sichere und stimulierende Umgebung für Feministinnen schaffen, die mit ihrer Freude am Horror noch hadern".

Neben diesen aktuellen Entwicklungen gibt es in der Filmtheorie schon lange ein gesteigertes, wenn auch nicht immer positiv belegtes Interesse am Horrorfilm. Den Grundstein dafür legte die britische Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey schon 1975 mit ihrem oft zitierten Essay "Visuelle Lust und narratives Kino", in dem die geschlechtsspezifische Hierarchie des Kinos (die natürlich zugunsten der Männer ausfällt) gebrandmarkt wurde.

Die Splatter-Filme der siebziger und achtziger Jahre wie "Halloween" oder "Nightmare on Elm Street" schienen da zunächst eine willkommene Abwechslung zu sein. Hier gab es ein starkes Mädchen, das "final girl". Dieses triumphiert, im Gegensatz zu den vielen anderen (auch männlichen) Opfern, über ihren Peiniger. Dass dieser Sieg nur zu gerne im knappen, vom Mördermesser zerfetzten Top davongetragen wird, dämpfte die Erwartungen der feministischen Filmtheorie aber auch schnell wieder.

Zudem haben vor allem die Splatter-Filme der neunziger Jahre, allen voran die "Scream"-Trilogie von Wes Craven, die Regeln des Genres so oft durcheinandergewirbelt und ironisiert, dass es unmöglich geworden ist, diesen Filmen eine einheitliche theoretische Linie zuzuschreiben, ganz zu schweigen von einem einheitlichen starken Frauenbild.

Die Faszination des "final girl" hält dennoch an, hat sie doch eine ganze Generation von Zuschauerinnen geprägt, die heute selbst Filme machen. Diablo Cody, die für ihr Drehbuch zu der Komödie "Juno" im letzten Jahr einen Oscar bekam, sagte der New York Times zu ihrer Lust am Horror: "Als ich mir früher Filme wie "Die Goonies" oder "E.T." angeschaut habe, waren es immer die Jungs, die Abenteuer erlebt haben. Als ich aber "Nightmare on Elm Street" gesehen habe, war es Nancy, von der Freddy eins auf die Mütze bekommen hat. So einfach ist das."

Der Clou, auf den Hollywood nun setzt, um mit Horrorfilmen verstärkt weibliche Zuschauer anzuwerben, ist, auch die Rolle des Bösen mit einer Frau zu besetzten. Botschaft: Die Mädchen sind nicht nur smart genug, den Killer zu besiegen, sie können auch die Mörder-Rolle übernehmen.

Ein Beispiel ist der Splatter-Film "All the Boys Love Mandy Lane", der bei uns im letzten Jahr in die Kinos kam. Die schöne Mandy, gespielt von Amber Heard, erscheint zunächst ein klassisches "final girl" zu sein: Mit knapper Not und nur leicht bekleidet entkommt sie dem Killer - aber nur, weil sie mit ihm unter einer Decke steckt.

Und Diablo Cody hat jetzt einen Horrorfilm geschrieben, in dem Männer fast völlig obsolet geworden sind - und nur noch als Opfer taugen. "Jennifer's Body" lief in den USA in der vergangenen Woche an, der deutsche Kinostart ist Anfang November. Regie führte Karyn Kusama, ergänzt wird das weibliche Filmteam durch die Hollywood-Neustars Megan Fox und Amanda Seyfried in den Hauptrollen. Die attraktive dunkelhaarige Jennifer macht sich in diesem Film auf sehr bissige Art und Weise über ihre männlichen Mitschüler her; die blonde Needy, ihre beste Freundin, will die armen Jungs schützen. Geballte Frauenpower also, im Guten wie im Bösen.

"You're killing people!", ruft die entsetzte Needy der blutverschmierten Jennifer zu. "No, I'm killing boys!", gibt diese zurück. Jetzt sind es die Jungs, die verängstigt aus dem Kino rennen.

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