"It Comes at Night" im Kino:Vertrauen ist tödlich

"It Comes at Night" im Kino: Paul (Joel Edgerton) wird von Albträumen geplagt, was seiner Familie in dieser postapokalyptischen Horrorwelt alles zustoßen könnte.

Paul (Joel Edgerton) wird von Albträumen geplagt, was seiner Familie in dieser postapokalyptischen Horrorwelt alles zustoßen könnte.

(Foto: Universum Film)

Der düstere Endzeit-Horror-Thriller "It Comes at Night" erzählt von einem Alltag, der nichts Alltägliches mehr hat - und von einer Welt, die den Kampf um die Menschenwürde schon verloren hat.

Von Anke Sterneborg

Ein einsam im Wald gelegenes Haus. Die Fenster sind mit Holzplanken verbarrikadiert, die Türen mit Metall und schweren Riegeln befestigt. Kein Licht und kaum Geräusche dringen nach innen. Nach draußen gehen die Bewohner nie allein, die Haut muss bedeckt sein und eine Atemmaske die Luft filtern.

Im Horror-Thriller "It Comes at Night" herrscht ein Ausnahmezustand, für dessen Ursachen der amerikanische Indie-Regisseur Trey Edward Shults sich nicht interessiert. Ihm geht es um die Auswirkungen auf das Leben der Menschen, um einen Alltag, der nichts Alltägliches mehr hat. Was für die Bewohner des Films längst zur Routine geworden ist, muss vom Zuschauer sukzessive entschlüsselt werden. So ähnlich wie der Held in "28 Days Later", der die Apokalypse im Koma verschlafen hat, wird er ohne Einleitung hineingeworfen in den Ausnahmezustand.

Jeder Moment der Nachlässigkeit, des Vertrauens kann tödlich sein

Man kennt das schon aus Endzeitgeschichten wie "I am Legend", "The Road", "Children of Men" oder "Book of Eli", um nur einige der Filme zu nennen, die in den letzten Jahren Katastrophen durchgespielt haben, die dem Genre der Science-Fiction längst entglitten sind. Anders als den Europäern liegt es den Amerikanern im Blut, sich gegen Gefahren von außen zu rüsten, das haben sie in der Pionierzeit gelernt. Dabei hat sich in den letzten Jahren eine besondere Variante des Home-Invasion-Thrillers herausgebildet, in dem das Heim nicht nur gegen eine kleine Gruppe von Hooligans verteidigt werden muss, sondern gegen jedes andere Wesen, das da draußen ein potenzieller Feind sein könnte, weil es ein Virus verbreitet oder nach den knappen Vorräten trachtet.

Entsprechend panisch und aggressiv reagieren Paul (Joel Edgerton), Sarah (Carmen Ejogo) und ihr siebzehnjähriger Sohn Travis (Kelvin Harrison jr.), als sie im Innern ihrer Festung die Geräusche eines Eindringlings hören. Rabiat wird er zu Boden gestreckt und dann erst mal über Nacht draußen an einen Quarantäne-Baum gefesselt. Dieser Mann, Will, behauptet, selbst Familienvater zu sein, Vorräte für seine Familie zu suchen; er will Konserven gegen Wasser tauschen. In den Gesichtern von Paul, Sarah und Travis spiegelt sich die Sehnsucht nach Normalität und freundschaftlicher Nähe, schnell wieder unterdrückt von animalischen Überlebensinstinkten.

Jeder Moment der Nachlässigkeit, des Vertrauens kann tödlich sein. Immer stärker verschwimmen die Grenzen zwischen den Ängsten im Alltag und den Albträumen von Travis, in denen die schlimmsten Befürchtungen schon Realität sind. Da ist längst klar, in welchem Maße das Bruegel-Gemälde "Der Triumph des Todes", das den Film inspiriert hat und über das die Kamera am Anfang des Films streift, ein Menetekel ist. Die Gesichtszüge von Joel Edgerton verraten, dass die Resignation längst über die Hoffnung gesiegt hat. Fast mechanisch wirkt seine Auflehnung gegen den Untergang, als wisse er längst, dass der Kampf um die Menschenwürde schon verloren ist. Wie nahezu alle modernen Weltuntergangsszenarien kreist auch dieses um den Preis des Überlebens in einer Welt, in der Mitgefühl zum Risikofaktor geworden ist. Aufgefallen ist Trey Edward Shults schon mit seinem Debütfilm "Krisha" über ein teuflisches Thanksgiving-Fest. Auch in seinem zweiten Film geht es um den Druck, dem der Familienverbund standhalten muss. Nach eigenen Aussagen war "It Comes at Night" auch seine Art, den Tod seines Vaters zu verarbeiten.

Für seine Low-Key-Version des Endzeit-Thrillers braucht Shults keine Spezialeffekte und keine hyperaktive Action, sondern nur die einfache Erkenntnis, dass die Hölle immer die anderen sind sowie ein paar unaufgeregte Minimalisten als Schauspieler. Das Klima allgegenwärtiger Bedrohung schürt er knappe neunzig Minuten lang. Die Kamera hetzt die Menschen durch lange, enge Gänge und düstere Wälder. Unheimlich dumpfe Rhythmen suggerieren eine Macht, die sie vor sich hertreibt. Im schummrigen Licht bleiben die wahren Motive und Absichten immer verborgen. Die Errungenschaften der Zivilisation sind auf essenzielle, animalische Instinkte zusammengeschrumpft, und jeder Moment der Leichtigkeit, jedes Gefühl der Geborgenheit kann zur Falle werden. Das Erschütternde ist nicht mehr das greifbare Monster, sondern die Erkenntnis, dass jeder Moment des Vertrauens das eigene Schicksal besiegeln kann.

It Comes at Night, USA 2017 - Regie, Buch, Schnitt: Trey Edward Shults. Kamera: Drew Daniels. Musik: Brian McOmber. Mit: Joel Edgerton, Christopher Abbott, Carmen Ejogo, Riley Keough, Kelvin Harrison Jr. Verleih: Universum, 92 Minuten.

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