Hopkins zu Gast in Locarno:"Der Film soll alle wahnsinnig machen"

Stargast auf dem 60. Filmfestival in Locarno ist Anthony Hopkins mit seinem Film "Slipstream". Er sorgt für gute Laune und bringt einen Hauch des alten Glanzes ins Tessin.

Susanne Hermanski

Ein Wunder, dass Anthony Hopkins und seine Frau Stella es überhaupt nach Locarno geschafft haben. "Zu Hause in Malibu sind wir so träge, da fällt es uns schon schwer, von einem Zimmer ins andere zu gehen", sagt Stella. Sir Hopkins' Liebste hat Humor. Das zeigt sich nicht nur bei Interviews. Stella hat den neuen Film ihres Mannes produziert (Drehbuch, Regie, Hauptrolle, Musik: Anthony Hopkins), und der wirkt, als sei er im Fieberwahn entstanden.

Hopkins zu Gast in Locarno: Seltsamer Film, super Typ: Anthony Hopkins in Locarno.

Seltsamer Film, super Typ: Anthony Hopkins in Locarno.

(Foto: Foto: AP)

In "Slipstream" geht es um einen Drehbuchautor, dem die Welt zwischen Fiktion und Wahrheit so sehr verschwimmt, dass ihn am Ende seine eigenen Figuren kannibalisieren.

"Kann es sein, dass Sie mit dem Film hier am Wettbewerb teilnehmen, weil alle anderen Festivals ihn abgelehnt haben?", fragt frech ein Schweizer Kritiker bei der Pressekonferenz. Mrs. Hopkins: "Aber, nein wir haben uns für Locarno entschieden, weil man hier wahrhaft Sinn für das Experimentelle hat!" Bei der Premiere fliegen immerhin keine Tomaten für das Werk, das sich laut Mister Hopkins "förmlich selbst geschrieben" hat - als Strom des Unterbewusstseins und in Erinnerung an manchen "Tequila-Rausch in der Wüste".

Beim kleinsten unter den großen Festivals freut man sich natürlich, wenn ein Großer kommt. Sofern er dann noch einen Co-Star wie Christian Slater im Gepäck hat, verzeiht man ihm selbst den erklärten Versuch, "alle mit diesem Film total wahnsinnig zu machen".

2007 ist das 60. Festival in Locarno. Die Zeiten, als sich hier Marlene Dietrich und die Granden des Nachkriegskinos den Pardo, den Goldenen Leoparden, in die Hand gaben, sind lange vorbei. In diesem Jahr drückt immerhin der italienische Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo dem spanischen Almodóvar-Star Carmen Maura das Wildkätzchen ans Herz. Michel Piccoli, der wie sie für sein Lebenswerk geehrt wird, glänzt durch Abwesenheit auf der Piazza Grande. Dort reicht die Leinwand hoch bis über die Giebel der schönen Altstadthäuser.

Hier im Tessin geht es nicht ums Business, nirgendwo wird um Filmrechte gefeilscht. Nicht mal einen roten Teppich gibt es, auf dem makelloses Fleisch zu Markte getragen würde. Deshalb nimmt auch kaum jemand Notiz vom deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der als Gast des Schweizer Medienmoguls Michael Ringier zur Stippvisite auf die Piazza kommt. Bekanntester deutscher Schauspieler beim diesjährigen Festival ist Peter Lohmeyer. Er reist mit seiner 14-jährigen Tochter Lola Klamroth an, deren Vater er im Drama "Früher oder später" spielt. Zu den entspannten gesellschaftlichen Ereignissen gehört der deutsche Empfang am Sonntagabend auf den "Terrazza Martini". Die coole weiße Sponsoren-Lounge soll ersetzen, was durch die Schließung des Grand Hotels, der Geburtsstätte des Festivals, verloren ging: den mondänen nächtlichen Salon der Cineasten.

Wer tags nicht ins kühle Kino gehen mag, blickt auf den Lago Maggiore. Dort schippern die Rivaboote ihre Passagiere vom Kaffeetrinken zum Apéro, im Himmel schlägt ein Ultraleichtflieger seine Kapriolen - romantischer als jede Hollywood-Schnulze. Ganz zu schweigen von "Slipstream". "Windschatten" heißt das übrigens auf deutsch. Und so passt der Film auf seine Art dann doch hierher.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: