"Homefront" im Kino:Wonnen der Notwehr

Kinostarts - 'Homefront'

Jason Statham als Phil Broker in einer Filmszene des Kinofilms "Homefront"

(Foto: dpa)

In "Homefront" schießt und prügelt Sylvester Stallone nicht mehr selbst - aber als Drehbuchautor schreibt er klassische Stallone-Figuren. Nur Ironie wird er in diesem Leben nicht mehr entwickeln.

Von David Steinitz

Mit der rechten Faust in den Unterleib, mit der linken hart auf die Nase - schon liegt der garstige Kerl am Boden. Er ist dicklich, er hat ein fieses Grinsen, und er nimmt gern kleinen Mädchen das Käppi weg. Aber nicht mit Maddy. Die Zehnjährige macht den Klassenschläger fertig, als hätte sie eine komplette Nahkampfausbildung hinter sich. Woher sie das wohl hat?

Die Auflösung kommt wenig später auf dem Schulparkplatz. Jetzt will der Daddy des Schulschlägers nämlich Rache - so sind die Eltern hier drauf, im sumpfigen Louisiana, wo der weiße Trash noch ungestört wuchern kann. Also attackiert er Maddys Vater, den Fremden, der erst vor kurzem in die Stadt gezogen ist - und eine Sekunde später liegt auch er gedemütigt auf dem heißen Pflaster.

Der aufrechte Bürger in einer verrückt gewordenen Welt

"Homefront" heißt dieser Film, er ist ein klassischer Sylvester-Stallone-Film, obwohl Sylvester Stallone gar nicht mitspielt. Dafür hat er das Drehbuch geschrieben. Und dieser alleinerziehende Vater, Broker sein Name, der kämpfen kann und auch seine Tochter in der Technik des Überlebens geschult hat - das ist nichts anderes als die prototypische Stallone-Rolle: der aufrechte Bürger in einer verrückt gewordenen Welt.

Jason Statham hat sie übernommen, er gibt den ehemaligen DEA-Agenten, der tief im Süden einfach seine Ruhe haben will - und dann nicht nur gegen Schulhof-Bullys und ihre Verwandtschaft antreten muss, sondern auch gegen einen durchtriebenen Hillbilly-Drogenkocher und seine brutalen Rocker-Kumpane.

Auch wenn Stallone heute gerne als gealterte Karikatur seiner früheren Erfolge gesehen wird, ist er ein Filmemacher, der seine großen Hits selbst geschrieben und teilweise sogar inszeniert hat. Das macht ihn zu einem großen Chronisten amerikanischer Gemütszustände. Der Boxer Rocky Balboa, der Vietnam-Veteran John Rambo, das waren Figuren, die das Auf und Ab des American Dream so pointiert verkörpert haben wie nur wenige andere - konservative Schutzheilige gegen die großen gesellschaftlichen Umwälzungen der Siebziger- und Achtzigerjahre, die viele Menschen überfordert zurückließen. Wenn auch die Heimatfront wieder in den Naturzustand zurückfällt, muss man schauen, wo man bleibt, und zwar mit allen Mitteln. Das ist Stallones Motto, damals wie heute.

Meditationen über die Einsamkeit

Pfui, wie reaktionär - kann man da natürlich schreien. Aber dass der Erzähler Stallone ein beinharter Konservativer mit eisernen Moralvorstellungen ist, gehört seit jeher zum Deal, wenn man sich auf ihn einlassen will. Und im Kern, unter der dicken Action-Schicht, sind seine Geschichten ja vor allem sehr melancholische Meditationen über die Einsamkeit. Dieses republikanische Ethos verbindet ihn auch mit anderen Filmemachern, bei denen sich die Zeitgeist-Geschichten gerade aus ihrer konservativen Abwehrhaltung speisen - Clint Eastwood zum Beispiel.

Allerdings hat Stallone, im Gegensatz zu Eastwood, noch nicht ganz eingesehen, dass die Reagan-Jahre endgültig vorbei sind. Auch "Homefront" ist als konservative Reaktion auf moderne Neurosen gedacht, in seiner ganzen brutalen und schlagkräftigen Direktheit. So trifft er nun auf die moderne Popkultur mit all ihrem Zynismus, ihren Smileys und Nicknames, und das ist schon ein ziemlich heftiger Clash - der einiges über die Unterhaltungskultur gestern und heute erzählt.

Ein uramerikanisches Grundrecht

Stolz erklärt die Tochter ihrem Daddy, als dieser sie nach der Pausenhof-Schlägerei im Direktorat abholen muss: "Ich hab' ihn zweimal gewarnt, so wie du es mir beigebracht hast!" Stallone, der als Vorlage für diese Geschichte auf einen Roman des Krimi-Autors Chuck Logan zurückgegriffen hat, meint solche Sätze vollkommen ernst. Ebenso ernst nimmt er die Verteidigung des Eigenheims, um die es hier im großen Finale geht und für die Jason Statham sogar mit auf den Rücken gefesselten Händen die Fieslinge verdrischt.

Den eigenen Grund und Boden per Selbstjustiz zu schützen, das ist nicht nur ein uramerikanisches Grundrecht, sondern auch ein uramerikanisches Erzählkonzept. Es zieht sich durch die gesamte Filmgeschichte, von D.W. Griffith bis John Huston. Nur ist es irgendwo zwischen "Stirb Langsam" und "Kevin - Allein zu Haus" dermaßen ironisiert worden, dass Stallone nun mit seiner Ernsthaftigkeit allein auf weiter Flur steht. Sogar seine Darsteller und sein Regisseur suchen fast verzweifelt nach der Ironie in der Geschichte.

Gary Fleder, der in letzter Zeit vor allem fürs Fernsehen inszeniert hat, das eine noch größere Augenzwinkermaschine als das Kino ist, lässt seine Akteure nach jedem Satz einfach in der Szenerie stehen. Dort blinzeln sie dann, als käme jeden Moment noch eine Pointe. Und Jason Statham ist für die Hauptrolle in diesem Hinterland-Melodram ohnehin ein Problem, weil sein Erfolg darauf beruht, dass er sich als lebendig gewordene Cartoon-Figur Spruch für Spruch durch Action-Parodien prügelt. Von James Franco, der die Nemesis spielt, den Drogenbrauer mit Geheimlabor in den Sümpfen, und der seinen linksintellektuellen New Yorker Hipster-Chic seit "Spring Breakers" durch Eigenparodien zu durchlöchern versucht, ganz zu schweigen.

Nur Winona Ryder und Kate Bosworth als vollkommen fertige, drogenabhängige White Trash-Schlampen und Komplizinnen des Bösen haben in ihrer ganzen runtergerockten Magersüchtigkeit die wahre Ironie dieser Geschichte begriffen: dass es hier gar keine Ironie gibt.

Homefront, USA 2013 - Regie: Gary Fleder. Buch: Sylvester Stallone. Kamera: Theo van de Sande. Mit Jason Statham, James Franco, Winona Ryder, Kate Bosworth. Universum, 100 Minuten.

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