Hollywood, Folter und die CIA:Top Secret - außer für eine Flasche Tequila

Hollywood, Folter und die CIA: Jessica Chastain ist in "Zero Dark Thirty" als manische Agentin auf der Jagd nach Osama bin Laden - inklusive Verhör-Folter.

Jessica Chastain ist in "Zero Dark Thirty" als manische Agentin auf der Jagd nach Osama bin Laden - inklusive Verhör-Folter.

(Foto: Verleih)

Moralisch so fragwürdig wie "Zero Dark Thirty" war schon lange kein Filmprojekt mehr: Geheimdienstdokumente zeigen, welch dubiose Rolle die CIA beim Film über die Tötung Osama bin Ladens spielte.

Von David Steinitz

Am 24. Juni 2011 wurde neben dem CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia, ein großes Festzelt aufgebaut. Darin wurde eine Ehrenzeremonie für jene Geheimdienstmitarbeiter abgehalten, die Osama bin Laden in seinem Versteck in Abbottabad, Pakistan ausfindig gemacht und seine Tötung durch eine Spezialeinheit der Navy-Seals am 2. Mai ermöglicht hatten. Im Zelt hielt der damalige CIA-Chef Leon Panetta, der kurz darauf Verteidigungsminister werden sollte, eine Rede vor geladenen Gästen. Die Veranstaltung hatte die Sicherheitsstufe "Secret/Noforn" (not reasonable to any foreign nationals).

Also: Feier und Rede des Chefs waren geheim und nicht für ausländische Ohren bestimmt. Deshalb setzte sich das Publikum aus Geheimdienstlern, Vertretern des Verteidigungsministeriums, Senatoren und jener Navy-Seal-Truppe zusammen, die bin Laden getötet hatte.

Im Auditorium saß aber auch: der Hollywood-Drehbuchautor Mark Boal. Der heute 42-Jährige hatte damals bereits zwei Oscars im Schrank stehen, für die Produktion und das Drehbuch des Irakkriegsdramas "The Hurt Locker", das er gemeinsam mit der ebenfalls oscarprämierten Regisseurin Kathryn Bigelow gestemmt hatte. Für Boal war der Tod bin Ladens ein künstlerisches Problem. Schon seit einiger Zeit hatte er gemeinsam mit Bigelow an einem Drehbuch mit dem Arbeitstitel "Tora Bora" gearbeitet. Sein Thema: das Versagen der CIA bei der Jagd auf bin Laden, die die USA Milliarden Dollar gekostet und in zwei Kriege geführt hatte.

Der Geheimdienst machte sich zum Koproduzenten des Films

Und so saß Boal, auf der Suche nach einer neuen Geschichte, nun in jenem Festzelt, um für einen Film über die Tötung des meistgesuchten Terroristen der Welt zu recherchieren. Daraus entstand das oscarprämierte Drama "Zero Dark Thirty" über die vermutlich größte Menschenjagd der Geschichte, das 2012 ins Kino kam.

Dass die CIA bei den Recherchen der Filmemacher eine unrühmliche und teils gesetzeswidrige Rolle gespielt hat, ist schon länger bekannt. Wie genau der Geheimdienst aber Mark Boal und Kathryn Bigelow Zugang zu geheimen Details der Bin-Laden-Operation gewährt und sich quasi zum Koproduzenten des Films gemacht hat, das belegen nun detailliert vertrauliche CIA-Papiere. Diese lagen bereits einem Untersuchungsausschuss vor, der die Verwicklung des Dienstes in die Filmproduktion aufzuklären hatte. Die Herausgabe der Papiere hat soeben das US-Magazin Vice News eingeklagt, unter Berufung auf die Informationsfreiheit. Die komplette Akte ist als Download auf der Website von Vice verfügbar. Sie liest sich wie eine sehr peinliche Tragikomödie, weil sie ein chaotisches Gerangel innerhalb der CIA offenbart. Und dann geht es noch um den Vorwurf der Bestechung und des Geheimnisverrats gegen einzelne CIA-Mitarbeiter.

Staatliche Institutionen sind in den USA, die mit Hollywood die mächtigste Filmindustrie der Welt beheimaten, schon immer sehr an ihrer positiven Darstellung in Filmen interessiert gewesen. Gerade in den letzten Jahren ähnelte so manches Knallspektakel mehr einem Rekrutierungsvideo als einem Spielfilm. Zuletzt zum Beispiel das Navy-Seal-Drama "Lone Survivor" mit Mark Wahlberg. Aber moralisch so fragwürdig wie die Causa "Zero Dark Thirty" war schon lange kein Filmprojekt mehr, wie sich jetzt zeigt.

Eifersüchteleien und ein Käsesandwich

Hollywood, Folter und die CIA: Ein Ausschnitt aus den über 100 Seiten, die den Austausch zwischen der CIA und Hollywood dokumentieren.

Ein Ausschnitt aus den über 100 Seiten, die den Austausch zwischen der CIA und Hollywood dokumentieren.

(Foto: Vice)

Die Filmemacher waren gerade zu dem Zeitpunkt in der Hochphase ihrer Drehbuchentwicklung, als "erweiterten Verhörmethoden" der CIA von einem Untersuchungsausschuss des US-Senats geprüft wurden. Also Folter wie das "Waterboarding", mit denen Inhaftierte brutal nach den Aufenthaltsorten hochrangiger Al-Qaida-Mitglieder befragt wurden. Der Untersuchungsausschuss kam zu dem Schluss, dass diese Verhörmethoden keine bedeutenden Informationen über den Aufenthaltsort von Osama bin Laden gebracht hätten. Ein Desaster für den Geheimdienst.

Die CIA-Agentin ließ sich vom Drehbuchautor in seinem Hotel zum Essen einladen

Boal und Bigelow, die von der CIA mit Informationen gefüttert wurden, deren Wahrheitsgehalt man mindestens als bedenklich einstufen muss, beantworten die Frage nach der Nützlichkeit der Folterverhöre in ihrem Film aber deutlich anders. In "Zero Dark Thirty" führt die Arbeit der Hauptfigur Maya (Jessica Chastain), die eine fiktive Kreation aus mehreren echten Agenten ist, zusammen mit eben jenen Ergebnissen aus Folterverhören zu bin Ladens Versteck. Bei den Millionen Zuschauern, die der Film hatte, also ein teils mit richtigen, teils mit falschen Geheiminformationen unlauter erkaufter Imagegewinn. Die Behörde streitet das natürlich entschieden ab.

Der Ex-CIA-Chef Panetta behauptete später zum Beispiel, er habe keine Ahnung gehabt, dass Autor Boal auf der Zeremonie für die Bin-Laden-Jäger gewesen sei. Er wisse nicht mal, wie dieser aussehe. Dabei saß er 2010 bei einem Dinner des Weißen Hauses am selben Tisch wie Boal und Bigelow. Und hat Boal laut den neuen Akten damals explizit gebeten, ihn über seine Recherchen genau zu informieren. In der Folge übte nicht nur die CIA eine große Faszination auf die Filmemacher aus, sondern die Hollywood-Arbeiter waren auch in der CIA gern gesehen. Es soll laut Unterlagen unter CIA-Mitarbeitern sogar zu Eifersüchteleien gekommen sein, wer mit den Filmemachern sprechen dürfe.

Die neuen Zahlen: Mindestens zehn hochrangige Mitarbeiter griffen durch Tipps und Ratschläge in die Drehbucharbeit ein. Boal hat sein Skript den Agenten wohl auch an vier verschiedenen Terminen am Telefon vorgelesen, um Feedback zu bekommen.

Bei den persönlichen Treffen ging es laut Akten auch um Geschenke und Essenseinladungen - und zwar nicht von der CIA, um die Filmemacher zu infiltrieren, sondern umgekehrt. Bigelow und Boal luden Agenten in Hotels und Restaurants in Los Angeles und Washington ein. Auch dies war in diesem Ausmaß bislang völlig unbekannt. Eine Mitarbeiterin zum Beispiel wollte sich mit Boal ausdrücklich nicht in ihrem CIA-Büro treffen, sondern in seinem Hotel. Dort saßen sie dann zwei Stunden zusammen und bestellten ein gegrilltes Käsesandwich mit Pommes und ein Wasser. Boal bezahlte. Von der Regisseurin Bigelow bekam die Mitarbeiterin billige Perlenohrringe für ihre Hilfe geschenkt, die sie im Lauf der Ermittlungen später zurückgab. Ein anderer Mitarbeiter erzählte den Künstlern Interna über die Khost-Attacke 2009, als in Camp Chapman in Afghanistan neun Menschen starben. Hinterher schrieb dieser Mitarbeiter eine E-Mail an Boal: "Ich habe den Tequila, über den wir gesprochen haben, im Internet gefunden. Er kostet maximal 169.99 Dollar."

Trist an diesen neuen Erkenntnissen ist, dass CIA-Mitarbeiter überhaupt Gefälligkeiten annehmen. Und dass Geheimdienstinformationen anscheinend bereits für ein Käsesandwich und eine Flasche Tequila zu haben waren.

Der Geheimdienst hat einen "Leitfaden" für Anfragen aus Hollywood erstellt

Und die Moral von der Geschichte? Der CIA-Sprecher Ryan Trapani sagte zu Vice im schönsten Pressesprecher-Geschwurbel: "Die CIA hat ihre Vorgehensweise im Umgang mit der Unterhaltungsindustrie komplett neu überdacht und geprüft. Unter anderem werden jetzt alle Anfragen aus der Unterhaltungsindustrie zentral protokolliert. Außerdem gibt es einen neuen Leitfaden für den korrekten Umgang unserer Mitarbeiter mit der Unterhaltungsindustrie." Die Botschaft von "Zero Dark Thirty" ist jetzt natürlich trotzdem für immer in der Welt.

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