Hollywood:Dem Kino fehlen A-Stars

Aloa

Die Hawaii-Tragikomödie "Aloha" floppte trotz Starbesetzung (Bradley Cooper und Emma Stone) an den Kinokassen.

(Foto: Fox)

Selbst Stars wie Bradley Cooper sind keine Hit-Garanten mehr. Das schadet vor allem kleinen Filmen.

Analyse von Susan Vahabzadeh

Bradley Cooper atmet wahrscheinlich gerade sehr tief durch. Der Schauspieler hat beruflich kein besonders gutes Jahr hinter sich. Angefangen hatte 2015 damit, dass er zum dritten Mal in Folge für einen Oscar als bester Darsteller nominiert war, für das Drama "American Sniper" und mal wieder leer ausging. Immerhin war der Film ein ziemlicher Kassenschlager - was man von seinen drei darauffolgenden Projekten nicht sagen kann.

Cooper hat die Hawaii-Tragikomödie "Aloha" gemacht, dann die Küchenkomödie "Im Rausch der Sterne". Für letztere hat er sogar gute Kritiken bekommen - trotzdem sind beide Filme Flops. Der dritte im Bunde ist "Joy", darin ist er an der Seite von Jennifer Lawrence als Wischmob-Erfinderin zu sehen. Dieser Film ist über die Feiertage gestartet, und im Moment sieht es so aus, als ob er zumindest seine Produktionskosten wieder einspielen könnte. Nur: Was ist eigentlich mit dem Kino los, wenn selbst ein Star wie Bradley Cooper keine Garantie mehr dafür bietet, dass ein Film ein Hit wird?

Das Jahr 2015 wird wohl in die Filmgeschichte eingehen. Zwar war es insgesamt kein schlechtes Jahr, der amerikanische Produzenten-Verband vermeldet Rekordeinnahmen, die Gesamteinnahmen werden in den USA erstmals über 11 Milliarden Dollar liegen. Und doch ist alles anders.

Einspielkönige spielen immer mehr ein, die kleinen Filme haben keine Chance

In Deutschland sind die Ergebnisse eher rückläufig, aber die Tendenz wie in den USA: Das große Geld wird mit weniger Filmen verdient, obwohl mehr Filme gemacht und gezeigt werden. Die sieht sich nur kaum jemand an. In Hollywood heißt das: Wenn ein Studio drei Filme ins Rennen schickt, die zweihundert Millionen Dollar gekostet haben und einer von ihnen spielt eine Milliarde ein, sind die Aktionäre glücklich. Aber wenn ein Film-Einzelgänger zum Kino-Mittelstand gehört und floppt, verliert jemand damit sehr viel Geld.

Das Branchenblatt Variety hat ausgerechnet, wie es fürs amerikanische Kino im vergangenen Jahr gelaufen ist: Neun Filme haben jeweils mehr als 200 Millionen Dollar eingespielt - 2014 waren es noch dreizehn. In der Weihnachtswoche haben die zehn Filme, die an der Spitze der Charts stehen, zusammen 35 Prozent des Gesamteinspielergebnisses erwirtschaftet. Im Jahr zuvor waren es noch 25 Prozent. Es findet eine Umverteilung statt: Die Einspielkönige spielen immer mehr ein, die kleinen Filme aber - etwa J.C. Cahndors meisterliches Unternehmer-Drama "A Most Violent Year" -, haben keine Chance.

Das Publikum liebt Märchenfilme, in denen Fabelwesen die Welt in Ordnung bringen, mit viel Action und Spezialeffekten. Wenn sich das Kino aber mit der Wirklichkeit auseinandersetzt, hat es derzeit schlechte Karten. Was auch daran liegt, dass jener Teil des Publikums, der diese Filme gern sehen will, immer zum Jahresende komplett überfordert wird: Jede Produktion, von der sich ihre Macher Oscar-Chancen erhoffen, wird in den letzten Wochen des Jahres ins Kino gebracht, möglichst nah an der Verleihung im Februar. Sogar der große Produzent Harvey Weinstein hat unlängst einen flammenden Appell verfasst, an sich selbst und seine Kollegen, die Filme besser übers Jahr zu verteilen, weil sie sich sonst gegenseitig die ohnehin wenigen Zuschauer abspenstig machen.

In Hollywood gilt heute: Es gibt keine A-Stars mehr

Solange es Blockbuster gibt, also die ganz großen, teuren Filmereignisse, lief es bislang so ab: die kleineren Filme haben von den Stars profitiert, die diese großen Filme schufen. George Clooney machte den Blockbuster "Ocean's Eleven" und drehte dann nebenher den kleinen Film "Good Night, and Good Luck"; Julia Roberts spielte auf der Höhe ihres Ruhms für Steven Soderbergh 2000 "Erin Brockovich" und machte so aus einem ebenfalls relativ kleinen Film über einen Giftmüll-Skandal eine Riesensache und gewann einen Oscar. Wie der Schauspieler John Malkovich einmal sagte: Man muss gelegentlich in einem Film dabei sein, den sich die Leute tatsächlich ansehen, um einem kleinen Film etwas geben zu können.

Was aber, wenn das so mittlerweile nicht mehr funktioniert? Oscar Isaac und Jessica Chastain haben "A Most Violent Year" nicht helfen können, obwohl sie zu den angesagtesten Schauspielern ihrer Generation gehören und bei den großen Absahnern dabei waren: er in "Star Wars", sie in "Der Marsianer". Oder Chris Hemsworth: Der "Thor"-Darsteller gilt als aktueller Teenie-Traum. Was seinem Film "Im Herzen der See" vor ein paar Wochen nicht helfen konnte: die Moby-Dick-Vorgeschichte erlitt Schiffbruch. Oder Brad Pitt. Der mag einem vorkommen wie ein Gigant, aber "By The Sea" mit ihm und seiner Frau Angelina Jolie ist trotzdem an den Kinokassen spektakulär untergegangen.

Das mag auch an den Filmen selbst liegen, aber es bedeutet eben auch, dass es keine A-Stars mehr gibt. Man redet ja so gern von B- und C-Promis, aber wer in Hollywood auf die A-Liste gehört, ist eine knallharte Recheneinheit, für die der einzige Maßstab die Einspielergebnisse sind. Früher hat ein Flop gereicht, um von dieser Liste gestrichen zu werden.

Illegal im Netz funktioniert das, was auch in den Kinos gut läuft

Die gute Nachricht inmitten dieser gewaltigen Umwälzung der Kinolandschaft ist: Die Behauptung, junge Leute gingen nicht mehr ins Kino, scheint sich nicht zu bewahrheiten. "Avengers: Age of Ultron" und "Star Wars" gehören zu den ganz großen Gewinnern des letzten Jahres, und ihr Publikum ist mehrheitlich jung.

Wenn man die Filmpiraterie im Internet dazurechnet, die ja auch kein typisches Senioren-Hobby ist, zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Firma Excipio, die versucht, verlässliche Zahlen für illegale Downloads zu erstellen, hat gerade ihren Jahresbericht veröffentlicht. Demzufolge war 2015 auch für Piraterie ein Rekordjahr, und die Filme, die diese inoffiziellen Charts anführen, sind dieselben, die auch im Kino funktioniert haben. Jetzt kann es natürlich sein, dass sich viele Jugendliche den Auto-Actionfilm "Fast & Furious 7" (mit knapp 45 Millionen illegalen Downloads die Nummer zwei nach "Interstellar", der allerdings schon ein Jahr länger im Netz herumgeistert) vorher schon einmal im Kino angesehen haben. Und irgendwie lassen diese Charts auch vermuten, dass die Art von Kino, der gerade der Untergang droht, keineswegs ein neues Zuhause im Internet findet. Einen Film wie "A Most Violent Year" muss ja keiner gesehen haben, um mitreden zu können, er war nie im Fokus des Marketingwahns und damit des Interesses.

Das Kino wird es trotzdem überleben, zumindest die großen Leinwandspektakel. "Star Wars" ist soeben der erfolgreichste Film aller Zeiten in den USA geworden und hat den bisherigen Spitzenreiter "Avatar" überholt. Im weltweiten Boxoffice steht der Sternenkrieg bereits auf Platz vier. Und irgendwo werden hoffentlich auch künftig immer ein paar Verrückte sein, die in Selbstausbeutung kleinere Filme drehen. Aber ansonsten spiegelt das Kino die Gesellschaft wider, von der es erzählt: Der Mittelstand verschwindet, die Welt teilt sich in Arm und Reich.

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