Hörenswert:Aufbruchstimmung

Bernadette La Hengst geht mit gutem Beispiel voran und beginnt, die Welt zu retten - in der Milla zeigt sie, wie das klingt

Von Christian Jooss-Bernau

Wer in die Zukunft investiert, geht schon mal davon aus, dass er eine hat. Dass es ein neues Album von Bernadette La Hengst gibt, liegt auch an den Menschen, die ihr Crowdfunding-Projekt unterstützt haben . "Save The World With This Melody" heißt das Werk der Berlinerin, die sich seit Beginn ihrer Solokarriere beim Münchner Label Trikont wohlfühlt, was ganz sicher auch daran liegt, dass man hier Musikern eine Heimat gibt, die andere Qualitäten haben dürfen als Marktkonformität.

La Hengst, einst Mitglied der Hamburger Gruppe Die Braut haut ins Auge, hat sich im Laufe ihrer Karriere künstlerisch erweitert, arbeitet heute zwischen Pop und Performance und stellt ihr Album gleich in der ersten Nummer auf den Kopf: "Dies ist kein Konzeptalbum / Dies ist Freiheit / Dies ist mein Widerspruch / Dies ist mein Spielplatz / Dies ist kein Liebeslied." Sehr greifbar dagegen ist das Miniriff der verzerrten Gitarre im Loop, der Gummiballbass - ein Sample eines alten Braut-Songs. Es geht hier nicht um Ambivalenz als Ausflucht. "Wem gehört die Parkbank" heißt der zweite Song: "Füttert uns, oh füttert uns / und gebt uns eure Reste" singt Bernadette zum Schrappen ihrer E-Gitarre, die einfach lautere Ansagen macht als die Akustikgitarren der Folksänger.

Bernadette La Hengst

Bernadette La Hengst startet in die Zukunft.

(Foto: Christiane Stephan)

Ihr Polit-Pop hat wenig mit dieser Protestsängerhaltung aus den Archiven zu tun, Bernadette hat ihn für sich entwickelt, als fragende, forschende, neugierige Kunst, die die Gesellschaft piekst, bis sie endlich Antworten gibt. Das klingt theoretisch, wird aber ganz praktisch, wenn die Gesellschaft plötzlich Gesichter bekommt, wie die des Chores, den sie gründete und "Bedingungsloses Grundeinsingen" nannte. Das brüchige Konzept von Lohnarbeit wird hier fröhlich poppig schallernd rhythmisch in die Tonne getreten. Angebote muss man ja nicht annehmen: "Nein Nein Nein" heißt der Song, der es aufs Album geschafft hat und in dem ein griechisches "Ochi" nachhallt.

Aus dem Thalia-Theaterprojekt "L'Universal Schattensenat" von 2013 stammt die balladeske Nummer "Wir bleiben hier" mit Cello und Geigen. Der Schattensenat, das waren in diesem Stück zehn Flüchtlinge aus der harten Realität, die die Geschäfte übernehmen, nachdem Hamburgs Senat abgeschoben worden ist. In La Hengsts neuem Album klingen ihre Projekte weiter: Der Titelsong stammt vom Performance-Kongress "Save The World", den Bernadette 2014 am Theater Bonn leitete: Ein praktikabler Sing-along für Spontangemeinschaften: "Say goodbye to lethargy / Save the world with this melody!"

Wie in diesen Reigen die Ballade "Es waren zwei Königskinder" passt, den La Hengst mit kleinen elektronischen Klangtricks aus "Des Knaben Wunderhorn" in die Gegenwart zieht und dem sie im Duett mit ihrer Tochter Ella Mae eine unauslöschlich persönliche Note gibt? Pursuit of happiness, das ist es, was den Menschen treibt. Ganz einfach. Das Ufer der Geliebten liegt doch so nah. Trotzdem ertrinkt der Jüngling, weil die Kerzen, die seine Orientierung sind, gelöscht werden. Geisterhaft liegt das Weltgeschehen über den Wellen. Es gibt Augenblicke der Hilflosigkeit. Doch ohne Hoffnung bräuchte es keinen Takt Musik mehr. Bernadettes Pop ist frei von Ideologie und freut sich, dass der Schein trügt: "Wir können es nur nicht sehen, denn es ist viel zu schnell, aber / Alles wird immer besser!". So endet das Album. Möglicherweise beginnt die Zukunft ja morgen.

Bernadette La Hengst, Donnerstag, 5. November, 21 Uhr, Milla, Holzstraße 28

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