History Channel:"Dr. House", König der Wüste

Animationsspektakel und Zukunftsvisionen - der History Channel setzt auf reißerische Formate. Neueste Megaproduktion des amerikanischen Senders: "The Lost Pyramide".

Claudia Tieschky

Die Pyramiden von Giseh sind so nahe, dass Dr. Zahi Hawass sie von seinem Platz auf dem Podium sehen würde - wenn der Saal Fenster hätte. Der 61-jährige Generalsekretär der ägyptischen Altertumsverwaltung beehrt die Filmpräsentation des History Channel in Kairo. Ein enormer Kristalllüster prunkt über seinem Kopf.

History Channel: Beeindruckende Monumente der Menschheit: die Pyramiden von Giseh.

Beeindruckende Monumente der Menschheit: die Pyramiden von Giseh.

(Foto: Foto: dpa)

Stinkende Touristenströme

Kerri Tarmey, die New Yorker Pressefrau des Senders, hat "Dr. House" vorgestellt. So klingt es, wenn Frau Tarmey "Hawass" ins Mikrofon spricht. Die Klimaanlage kühlt eisig, aber um "Dr. House" glüht die Luft. Er beschimpft Touristen, die Massen, die zu Zehntausenden schon morgens um sieben schwitzend und stinkend auf seine Pyramiden losgehen. Und sie fassen alles an.

Vielleicht kommen ja bald noch ein paar Stinker mehr. Im September wird das Zweistundenwerk The Lost Pyramid weltweit im Pay-Kanal History Channel laufen. Zur Vorstellung der mächtigen Dokumentation sind Manager aus den internationalen History-Niederlassungen nach Kairo gereist.

Der Pyramidenfilm ist eine Eventproduktion. Das bedeutet, dass der History Channel, der nach eigenen Angaben 235 Millionen Haushalte in 139 Ländern und 20 Sprachen erreicht, das Programm innerhalb einer Woche erdumspannend ausstrahlt.

Im deutschsprachigen Raum gibt es den Sender seit 2004. Verbreitet wird er etwa im Kabelangebot der KDG und von Unity Media. Er erreicht angeblich 1,3 Millionen Abonnenten in Deutschland, Österreich, der Schweiz. Als Marke wird History zunehmend bekannter, im digitalen Angebot sendet der Kanal in die Nische. Der Mutterkonzern A&E Television Networks betreibt auch den Biography Channel, weitere AETN-Ableger sollen nach Deutschland gebracht werden.

Hawass "House" ist einer der Experten im Film. Er trägt darin seinen Schlapphut, der berühmt ist, weil Altertums-General Hawass, der ein wichtiger Mann in Ägypten ist, seinen Hut berühmt findet. "Ich trug meinen berühmten Hut", schreibt er in einem Artikel über seine Grabungen.

Eine Schnellstraße, die zwischen den Giseh-Pyramiden verlaufen sollte, hat er verhindert. Giseh gehört bereits zum Stadtgebiet der versmogten 17-Millionen-Kapitale. "Ich sage den Leuten, die Pyramiden sind wichtiger als eine Stunde im Stau", sagt Hawass mit sadistischem Lächeln - und darin ist er nun ganz wie die TV-Serien-Figur Dr. House.

Hauptsache teuer

Die Pyramiden-Produktion ist eine von drei bis vier Event-Projekten, die sich History Channel pro Jahr leistet (zuletzt Die Hippies, Der Urknall, Ice Road Truckers). Über die Kosten wird geschwiegen.

Für den History Channel, der stets im hochauflösenden Standard HD produziert, gibt der Mutterkonzern A&E Television Networks (Hearst Corporation, Disney-ABC Television Group und NBC Universal) dieses Jahr die Rekordsumme von 650 Millionen Euro aus - reine Programmkosten.

Ägypten und Archäologie: Das geht immer im Fernsehfach Geschichte. Umso besser, wenn im Kino gerade ein neuer Indiana Jones-Teil angelaufen ist. The Lost Pyramid, die von der britischen Atlantic Production gefertigte Dokumentation, rekonstruiert mit Computer-Effekten und Spielszenen die Geschichte der zerstörten Pyramide von Djedefre, dem Sohn des Cheops (26. Jahrhundert vor Christus). Es geht auch um eine Vater-Sohn-Beziehung und die Frage, wer von beiden die größere Pyramide hatte.

Der 1995 gegründete History Channel mit Sitz in New York rühmt sich, als einziges internationales Fernseh-Netzwerk "ausschließlich geschichtliche Themen" zu präsentieren. Production-Atlantic-Chef Anthony Geffen, dessen Team drei Jahre lang am Pyramidenstück arbeitete, plant derweil den nächsten Auftrag: Die Geschichte Ägyptens in acht Teilen - diesmal allerdings für einen Konkurrenten: für National Geographic.

Medialer Kolonialismus

Nach Kairo gereist ist auch Sean Cohan, der 33-jährige Senior Vice President von AETN International, der weltweiten Vermarktungstochter. Der Harvard-Absolvent hat seit 2004 Tochterkanäle aufgebaut (als neuste Zugänge werden Singapur und die Philippinen vermeldet) und die Digitalisierung vorangetrieben: mit mobilen Angeboten, Video on Demand in hochauflösender Technologie, Internet-TV.

Im Ausland bevorzugt History Partnerschaften, die Mischung von globalen und lokalen Programmen. "Wir können nicht", sagt Cohan, "aus den USA in ein Land gehen und sagen: Hier ist eure Geschichte." Das allerdings ist sonst doch eher sehr amerikanisch.

Später steht die Touristengruppe von History Channel im Stau auf der achtspurigen Straße Richtung Alexandria, die zur Djedefres Pyramide führt. Eine ägyptische Reiseführerin spricht durch das Busmikrofon über die Stadt, die sich wegen der Wüste nicht weiter ausbreiten kann, obwohl die Bevölkerung ständig wächst. 95 Prozent in Ägypten sind Wüste - "das ist definitiv zuviel", sagt sie streng, als könnte man das auch gut ändern.

Das deutsche Pendant

In Deutschland ist History vielen durch Guido Knopps "ZDF History" ein Begriff - mit dem Mainzer Sender besteht ein Abkommen für Programmaustausch und Koproduktionen. Zu dem im April verlängerten Deal gehört auch die Ausstrahlung des Zweiteilers Die Gustloff in den USA. Die deutschsprachige History-Tochter selbst ist über Kabel, Satellit, als Internet-TV und Video On Demand zu sehen; sie soll 2008 rentabel werden.

In den USA zeigt AETN noch die Programme Biography Channel, Crime & Investigation (Slogan: "Echtes Verbrechen, echte Menschen, echtes Drama"), History Channel en Español sowie Military History und den hochauflösenden History HD-Kanal.

Wie Biography (2007) soll auch Crime & Investigation nach Deutschland kommen, eine Lizenz existiert, der Start sei "abhängig vom Interesse und der Bereitschaft großer Plattformen", sagt Andreas Weinek, Senderchef History Germany.

Tatsächlich zeigt History in den USA mitunter recht unterhaltungsaffine Real-Life-Dokus und Themen wie mythische Monster oder Ufo-Jäger. Nicht alles geht international. Das Publikum sei aber in allen Ländern ähnlich, heißt es: Hoher Bildungsgrad, 40 bis 50 Jahre alt, offen für Luxuskonsum, zu etwa 60 Prozent männlich. Das Animationsspektakel Life After People sahen in den USA in diesem Januar 5,4 Millionen Zuschauer. Thema: Wie sich die Zivilisationsspuren auf einer entvölkerten Erde quasi kompostieren.

Was dabei aus History Channel würde, ist nicht klar - in Kairo jedenfalls taucht Verschwundenes gerade wieder auf. Die Grabungsstätte der Djedefre-Pyramide liegt in militärischem Sperrgebiet, die Leute vom Sender sind stolz auf die Besichtigungstour. Man schaut in einen breiten, in den Stein gehauenen Schacht, der in die Grabstätte führt. Es ist still, heiß und windig. Am anderen Ende des Wüstenplateaus sind die drei Pyramiden von Giseh zu sehen.

Im Film wird da nur die des Cheops sein, die zu Djedefres Zeiten schon stand. Man kann vieles machen mit Computeranimation: Pyramiden wieder aufbauen und vielleicht, warum nicht, sogar Touristen verschwinden lassen. Möglicherweise ist das einer der Gründe, warum Dr. Hawass solche Filme fördert.

Am Ende, berichtete Produktionschef Anthony Geffen, war es der ägyptische Sand, der der hochauflösenden HD-Technik die meisten Probleme bereitet hat. Ausgerechnet der Sand. Aber auch das ist eine Geschichte, mit der man leben kann.

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